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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0116
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^fkeggendorfers Humoristische Blätter.

U2

Die Orise de

Diescni Blicke konnten ihre Angen nicht standhalten, sie

senkte dieselben anf sein reizcndes Schnnrrbärtchen . . . da--

o tsininiell ivas sah sie, sic konnte es nicht sassen, ihr Blick
verschcirfte sich . . . o Gott cs war kein Zweifel in dein koketten
Bärtchen saßen . . . saßen, entsehlich, einige Schnnpftabaks-

körnerll Dieses Ideal eines Mannes, ihr Jdeal-

schnnpftel Und fiir sie gab es nichts, was sie an cincni
Manne inehr haßte, als gerade dieso Untugend.

Sie tauinelte nach dicser Lntdecknng förnilich hinab von
dein Trittbrette des kVaggons, sie niußte anssehen, als ob ihr
plöhlich schr nnwohl goworden wäre, denn der junge Mann,
welcher ebcnfalls abgcstiegcn war, niachte eine Bewegung als
ob or sie in scincn Arnien auffangen wollte. Lin energisches
Anfraffen ihrcrseits hicß ihn znriickiveichen nnd er gehorchto
vcrdnht. — IVelch gransanies Geschickl Sie cilte hinmeg und
warf nicht einen Blick niehr znriick — sie hatto Abschied ge-
noinnien vom Gliick, denn zohnnial lieber alte Iungfer werden,
als eincn Schnnpfer zui» lNanne nehincn — nnd wenn ihr das
Hcrz noch so blutete. Sie ivußtc, was sie nnd Uiaina init Papa
ausgcstanden hatten, ehe sie ihn zur ewigen Ruhe legtcn I —
Nie — niel —

Der jnnge lNann schien von zieinlich cnergischer Natnr zn
sein, dcnn als er sich von dcin plöhlichen Uinschivnng der Ver-
hältnissc, dessen Grund ihin natürlich Rcitsel blieb, ctwas erholt
hatte, folgte er in angeinesscncr Lntferiinng dein hnbschen
Mädchen, das jc länger dcsto niehr Anziehungskraft auf ihn
ansnbte, er folgte ihr anf Tritt und Schritt, bis er ihre lvohn-
iing ansgeknndschaftet hatte nnd es verging nnii kein Tag, an
dein er nicht gcwissenhaft seinc Fensterproincnadc absolvicrte;
doch dic reizende Tranibahnbckanntschaft konnto er nicht niehr
crspähen — weil diese hinter den Gardinen die Ijände rang
nnd nüt dein Geschicke haderte, daß es gerade diescn Idealinenschen
niit dein Laster dcs Schniipfcns bchaftet hatte.

Eines Tages aber ward die Ansdauer des jnngen Manncs
doch belohnt, er kani zu ungewohnter Stnnde vornbcr,
sah sie aus dem lsanse treten nnd folgte ihr, nni sie in einein
inenschenleeren Strcißchen goschickt zn ningehen, ihr ontgegenzu-
treten und sie, da ihm koin anderes Mittel blieb nnd der Drang
seines ljerzens nicht inehr zu beschwichtigen war — direkt
anzusprcchen.

Sie war zuerst ungehaltcn — dann aber wirkte seine Er-
scheinung doch wieder so stark auf sie, daß sie Antmort anf
seine ehrcrbietigen Fragen gab, wozn sehr viel dazn beitrug,
daß sie hcnte in seinein Schnnrrbärtchon nicht die Spnr der ihr
verhaßten Leidenschaft entdeckte, ja plötzlich war es ihr, als ob
sie eine eiskalte lsand beriihre, hattc sie ihm am Lnde doch
Unrecht gethan, oder sollte er vielleicht den Grund ihrer Ab-
neigung damals richtig erfaßt und niit einein heroischen Lnt-
schlnsse sich dcr verwerflichen Leidenschaft entzogen haben? Dar-
iiber iniißte sie Gcwißheit erlangen l Sic inachte ihn erst durch
einige nicht gerade nnfreundliche Worte sicherer und griff
dann, uiii ihren Zweck zn erreichen, in echt rveiblicher Weise
znr List.

„Sagen Sie, mein kserr," nnterbrach sic seine besorgten
Fragen iibcr ihr dainaligos, plöhliches Lrblassen nach der denk-
wiirdigen Trainbahnfahrt, „sagen Sie niir, mein kserr, haben
Sie nicht ganz kurz vor mir denselbcn kveg zuriickgelegt, den
ich eben herkoniinc?" — „Nein," entgegnete cr erstaunt und
etivas empfindlich, daß sie ihn so im schönsten Znge durch eine
solch' profane Frage unterbrach, „und weshalb denn, mein
Fräuloin, wcnn ich fragen darf?" — „Nun es ist deshalb, wcil
ich Sie dadurch vielleicht vor einem Verlnste schützen kann . . . ^

nnweit von hier, kanm fiinfzig Schritte nm die Lcke sah ich
cine . . . eine . . . Schnupftabaksdosc liegen nnd da vermntete
ich, es könnte dieselbe Ihr Ligentum sein ...?"— „Line —
ivas?" kam es gedehnt nnd überrascht ans seinem Ukunde,
„ich nnd schnupfenl — Ich verabschene nichts mehr als ge-
rade diese Untugend . . . o ich könnte Ihncn da eine Gcschichte
von einer alten Tante erzählcn, die wir im lsanse halten und
dic auch — ksimmel nnd wie — schnupfte . . I" — „Also ge-
hört diese Dose nicht Jhnen?" nnterbrach sie ihn mit leisem
Inbel in der Stimme und glänzenden Anges, setzte aber um
einer allenfallsigen kjenchelei scinerseits anf die Spur zu kom-
men, nach kleiner jdanse wioder etwas mißtrauisch hinzn, „aber
ich sah doch damals, als ivir nns auf der Trambahn so dicht
gcgenüber stnnden ganz dentlich an . . . an Ihrcm Schnurrbarte
Schnnpftabakskör . . ." Nnn ging ihm eine ganze elektrischc
Aktiengesellschaft anf: wen man so genan ansichl, für den hat
man mehr als gewöhnliches Interesse, inan darf behaupten das
allergrößtel „Ach ja, ganz rcchtl" lachto er sic selig an. „Lhe
Sie anfstiegcn, stund inein Amtschef ncben mir auf der j)latt>
form nnd bot mir eine jdrise an und inein Fränlein, wenn
eineni Untergebenen von eineni Amtschef eine prise angeboten
wird, dann heißt es eben ohne Gnade schnupfen . . I" Sic
halte keine Lntgegnnng mehr, sie sah ihii nur an, aber so,
daß er sie, nach einem raschen Umblicke, der ihn überzengte,
daß keine Uienschenseele in der Nähe sei, ohne mciteres um-
schlang nnd ihr einen Auß auf den reizenden, nnr leicht wider-
strebenden Utnnd drnckte — — — das ist die ivahrhafte Gc<
schichtc von der jdrise des Zlmtschefs. Th. M.

Äntsehcich.

Bemoostes ksanpt: „Schan' mal, Aarl, schenßlichl so
viele leere Gläserl"

Verantivortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stnttgart.

GeschäfksstellL in Mnnchen, Schnberkstrnste 6.
 
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