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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0126
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^22

Neggendorsers Humoristische Blätter.

Storch-Dilemma.

wohl sagen, ich hatte nie vorher ein so erstauntes Storchgesicht
gesehcn, als das war, welches er bald mir, bald meincin bsugo
mit halbosfenem Schnabol und weit aufgorisscnen Augen
zuwandte.

Lndlich sprach er: „Bin ich denn recht bei Or. Mende-
Brnnnen's? ich soll hier oin Aindchen abgebcn?"

„Bei Or. Mende-Brunncn's ?" „Ia ganz recht" erwiderte ich.
„Ich bin eine geborene Mende, meines Zeichens Arzt und dieser
da ist mein Mann, Lserr tsugo Brunnen — aber ein Aind?"
Darauf wandte ich mich an letzteren: „lsast Du denn ein Itind
bestellt?"

„Gott bewahre" antwortete cr, das Teltower-Rübchen, an
dcm er cben geschabt hatte nnd sein Rüchemessor abwehrend
von sich streckend. „Nein ich auch nicht" wollte auch ich bc-
tcuern, da fiel mir aber schon der Storch eifrig in die
Redc.

„Bcstellt, bestelltl Ihr bestelltl AIs ob ich,
auf Lure Bestellung etwas zu geben hätte I Nein
bildet Euch kcinc Schwachheiten ein. So was be-
stimmt der Vberteichiuspektor. Lr sagt: „Da oder
da hin wird ein Aind gebracht" und dann geschiehts
Aber Ihr kommt mir so ganz anders vor, bei Luch
kcnne ich mich gar nicht aus."

Und wicder stogen scine Blicko von meinem
lsugo zu mir von mir zu jcncm, wobei er, wic in
höchster verlcgenhcit von eincm Bein aufs anderc
hiipfte.

Dann platzte er los: „Nun, sagt niir nur; wer
von Luch beiden kriegt dcnn nun eigentlich das
Aind?"

Da er dabci seinen Schnabel wic drohend auf
meinen kjugo gerichtet hiclt, schric dieser crschreckt
auf: „Na, ich nicht; ich dankc l Ich will über-
haupt nichts mit Dir zu thun habcn, mein ver-
ehrter kserr Storch. Ich hab' mir sagen lassen,

Du verfährest ziemlich grob mit den Menscben.

Du sollst ganz abscheulich beißcn. Dafür dank ich,
dcnn ich bin sehr emxfindlichcr Natur-."

Mein ksugo kam mir in diesem Augcnblick
ziemlich kindisch vor, drum fiel ich ihm schnell ins
lvort: „Ich, liebor Storch, muß deine gewiß fround--
lich gemeinte Gabe allerdings auch dankend ab-
lehnen. Ich habe beim besten Ivillen keine Zeit
zu so was. vollends jetzt, bei dieser prächtigen
Maseniepidcmie, wo ich sogar nachts noch Besuche
zu machen habe-."

Nun fuhr aber der Storch auf.

„Na, da brat mir einer 'n Menschen, aber recht
knusprig muß er sein. So was ist mir doch in
meinem ganzen Leben nicht vorgekommen l Ihr
seid ja eine ganz heillose Gesellschaftl Na wartct,
das sag' ich dem Inspektor, Luch soll's gut gehen."—

Damit wandte er sich, um sich wiedcr durchs Fen-
ster davon zu machen, vorher aber biß er noch
meinem armen bsugo ins Bein, daß der jämmer-
lich aufschrie: „Li verflixtl" Dann kniff er mich
in den Nacken, daß ich — vor Schreck vom Stuhl
fiel. lvährend ich mich wiedcr aufraffte, raison-
nierte mein ksugo ein Lbers andere Mal: „Na,
was sagst'e denn dazu? Na was sagst'e denn dazu?"

Mein Lsugo that das? — nein doch, das war ja Dido,
mein Graupaxagei, dor auf der Stuhllehne saß und wütend
nach mir hin sah. Und jetzt besann ich mich — ich hatte über
meinem Terenr gebüffelt und Dido währenddem auf meiner
Schulter gesessen. Dabei war ich eingenickt, hatte im Schlafe
wohl eine Bewegung gemacht, die meinen Dido des Gleichge-
wichtes beraubte, wofür cr mich in den Nacken kniff und dann
sich auf die Stuhllehne rettend sein beliebtes Register „Li ver-
stixt" und „Na was sagst'e denn dazu" aufzog.

Mein ksugo aber, meine ausgedehnte Praxis, die schöne

Häuslichkeit, der Storch, das lvickelkind —-alles Traum,

Traum und Schaum I Na, vielleicht wirds noch einmal
lvirklichkeitl

MMückte Achmcichelei.

bjerr (iin Louxo einer
liübschen, jungen Oanie den

aufliebend): „So klein,

so reizcnd l man sollte
kaum meinen, daß er
xassen könnt'I"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag I. F. Schreiber, bcide in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in München, Schubertstrsffe 6.
 
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