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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0136
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

s32

Schlechter Causch.

Da trippelt so ein altes, sadenschciniges lserrchen hcrein.
„Mollen Sie einen Logensit; haben?" frag' icb ihn. „Ich
kann selbst leider keinen Gcbrauch davon inachenl"

„B sehr liebcnswiirdigl" sagt er. „Jch nehme dankbarst
an. Zwar habe ich einen Parkettsitz — wollen Sie ihn nicht
dafiir nehmen? Sie kännen dainit noch einen gliicklich machen I"
„Nnn, wariim nicht?" sag' ich, nehine den Parquetsitz und
warte wieder.

von allen Seitcn strömen jetzt die Besncher heran.

Da beinerke ich ein Studentlein, das sich mit sei.ien langen
Arincn dnrch die Ntenge wiihlt. Das wäre mein llkann, denk' ich.
Ist gnter Lentc Kind, aber cinen Parkettsitz hat der noch
nicht gohabt.

„Sio, verehrter, wollen Sie cinen Parkettsitz haben? lsabe
anders wo zu thun, inöchte ihn aber nicht verfallcn lassenl"

„V init tausend Frenden, wenn Sie so giitig soin wollenl
lsabe zwar da von ineinem Frennde einen Sitz fiir die erste
Gallerie erhalten, aber so einen parkcttsitz, von dem aus man
die hiibschen Lalleteiiscn so beqncm sicht, war schon lange mein
lvunsch. Bitte, nohmen Sie mein Billet dafiir, damit können
Sie sich noch jemand zu Dank verpflichtenl" Und fort war er.

I du lsallodri, dcnk' ich mir. Also bloß wegen dcr Ballet-
mädell Das hätt' ich wissen sollenl Schon wollte ich forteilen.
Abor schließlich, so ein Sitz anf dcr Gallerie —'s ist doch schade drinn.
lvie viele wären froh, wenn sic ihn hättenl Ich warte also noch zn.

„lvo haben's denn don ausgelassen?" fragte ich mich nnwill-
kiirlich, als mein Blick auf eine lange, hagere Person mit
wallender lNähne, Uiinstlerhnt und spindeldiirren Beinen fällt.
lvonn ich dem meinen Sitz anbiete, bohrt er ja
mit den Knieen die Brustwchr durch I

„lvollen Sic einon Sitz in der crsten Gallcrie
haben?"

„Jch habe kein Geld," brummt er, mich mit
großcn Angcn ansehend.

„Aber mein Bester, von Geld ist keine
Rede. Ich will Ihnen das Billct schenken, weil
ich fort muß."

„Ach, das ist was anderesl" meint er.

„Ich habe hier aber ein Freibillet fiir die zweite
Galleric. Soll ich's wegwerfen? Allerdings nehme
ich ihr Billet dankbarst an, das ist keino Frage.

Aber bitte nehmen Sie dafiir moinen Sitz und
verschcnken Sie ihn weiterl"

Nun stand ich wieder da. Die Sache ward
mir bald zu iippig. — Ietzt dcuk' ich, das Billet
bringst du noch an, dann fort in den Alnb.

Da kommt ein reizendes Backftschchen und
frägt mich: „Bitte, mein lserr, wo geht man
hier auf die Gallerie?"

„!sicr,rechts,meinkleinesFräuleinI lvashaben
Sie denn fiir cincn Platz, wenn man fragen darf?"

„Ach, bloß 'nen Stehplatz in der dritten
Gallerie. vater will fnr Theater nicht viel Geld
ausgehen l"

Froh, endlich crlöst zn scin, bot ich ihr meinen
Galleriesitzan,den siemitlebhafterFreude annahm.

„Und dafiir, bitte, nehmen Sie meine Aarte,
vielleicht findet sich noch jemand, den Sie damit
erfreuen kännen," meinte sie naiv. „G, wie
frcue ich mich heute auf die vorstellungl Ich
habe nämlich, miissen Sie wissen, den Ramaturi
noch gar nicht gehörtl"

„kvic?" frage ich, „dcr göttlicho, unverglcichliche Ramaluri
singt heute? Und das muß ich jetzt erst erfahrenl"

Nu, sehen Sie, meine Lserren, um don Ramaturi zu hören,
bin ich eigens einmal nach Dresden gefahren. Sollte ich mir
die giinstige Gelegenheit jetzt entschlnpfen lassen? V, wariim besah
ich nicht friiher dcn Theaterzettell Und richtig — überall an den
tvandcn las ich jetzt in großen Buchstaben: Ramaturi als Gast.

Ich eile zu den Kassen — alles ausverkauftl doch — ich
schlug mich vor die Stirne — ich hatte ja ein Billet in der
ksand. Ich stiirme in den drilten Stock hinauf. An der lvand
rechts fand ich noch oin Stehplätzchen, das mir einen halbwegs
gnnstigen Ausblick gewährte. Aber wie eingepfcrcht stand ich
da l Diese ihihe l Und ich hätte es so bcgnem haben können l
Mein erster Blick ficl anf die Logen. Richtig sah ich den
Fadenscheinigen, wie er sich mit mciiiem Billet breit machte.
Ukein Student musterte von seinem Parkettsitz ans mit stolzer
Uticne dio armon Galleriebesucher. Und jetzt entdeckte ich auch
in dcr ersten Gallerie den diirren Langen, den Aopf zwischen
dcn Anieen, neugierig hervorlugend. von der zweiten Gallerie
aber winkte mir meine Aloine zn, die mich schon längst entdeckt
zn haben schien, als wollte sie sagen: gelt ja, mit einem ge-
schenkten Billet ist's leicht, Thcater besuchen?

So, meine kserren, schloß der arme Aanzleirat, ist cs mir
gestern ergangen. Und nun lachen Sie mich tiichtig aus meinct-
wcgen — dcn Ramaturi habe ich doch gehörtl"

Zm Zirkns.

Michel: „IVas lachst denn so narrisch?" — Sepp: „Ich hab' mirs so
lebhaft vorg'stellt, wcnn jetzt m«i Alte dort ob'n hernmtanzen möchtl"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck nud verlag I. F. Schreiber, beide in Tßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in Miinchen» Schnberkstraste 6.
 
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