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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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https://doi.org/10.11588/diglit.28504#0029
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^Neggendorfers Humoristische Blätter.


Vorwurf.

„Aber Frau Müller, das geht doch nicht . . .
jetzt sind sogar meine Bücher mit Spinngeweben überzogen!"




Drüben, am andern Ende des Saales, stand Generalkonsul
Brinkmann neben seiner Frau und strich sich seinen Kotelette-
bart. Auf die immer fragender werdenden Blicke seiner Frau
hatte er nur ein Achselzucken um das andere.
Es gab in dem Brinkmannschen Hause ein wunderbar
heimliches Gemach, in dem der Hausherr für gewöhnlich seine
intimeren Freunde empfing, wer schon öfter die Feste des General-
konsuls besucht hatte, wußte sehr wohl, daß man in diesemZimmer
schon lange vor dem Souper auf dem Buffet einen brillanten
Tropfen zum trinken fand. Hier pflegten sich die Tanzmüden
oder solche, welche dem Tanze überhaupt ausweichen wollten,
zu sammeln. Gegenwärtig waren nur vier Herren hier an-
wesend, welche in einer Ecke an einein kleinen, runden Tische
Platz genommen hatten und Sekt tranken. Es waren echte
Ballfiguren. In der Toilette alle gleich, natürlich: Schwarzer
Frack, der jedem viel zu weit war und bei allen den hochge-
wölbten Dromedarrücken zeigte, Gilets, die fast eine Null genannt
werden konnten, so weit waren sie ausgeschnitten, Beinkleider
wie Säcke und mit einer messerscharfen Bügelfalte, darunter
sah ein Streif der bunten seidenen Strümpfe hervor und die üb-
lichen Ballschnabelschuhe schloffen das Bild ab. Das war bei
allen gleich. Interessanter waren die Köpfe.
Um vom Wirbel anzufangen, so demonstrierten diese die
„Geschichte einer Glatze" auf das Anschaulichste, vom „Licht-
werden" bis zum imponierenden „Nichts" waren in vier muster-

Schlag Zwölf!
haften Abstufungen die Hauptphasen des „^.ctieu mes clrevenx"
zu bemerken, was die Gesichter betrifft, waren es eben
Salongesichter, nicht viel Farbe, nicht hübsch, nicht häßlich,
gemodelt ihrer Beschäftigung zu genügen: sie bei Scherz und
Ernst in wohlberechnete Falten zu legen und dabei gut aus-
zusehen.
Die Unterhaltung dieser vier Herren schien eine sehr ani-
mierte zu sein, die dreier derselben gewiß; denn diese lachten
gerade hinaus. Nur der vierte blickte wie maßlos erstaunt in
diese Heiterkeit. Er hatte gerade eine Erzählung beendigt und
da er derjenige war, der noch den geringsten Haardefekt auf-
weisen konnte, der also, sozusagen der Rüstigste unter den An-
wesenden war, konnte er sich nicht bei diesem „Heiterkeitserfolge"
beruhigen — denn es war eine Schwernötergeschichte gewesen,
die er zum besten gegeben hatte und seine Person war der Held
darin gewesen. Achselzuckend holte er sich, das Monocle, das
ihm im Eifer der Rede entfallen war, wieder einklemmend, aus
den: Kühler eine Sektflasche, schenkte sich ein und trank sein
langstieliges Glas leer.
„Seht Ihr, Ihr seid nun einmal so I Luch selber glaubt
Ihr die schauderhafteste Räubergeschichte, wenn i ch aber, der
Jüngste unter Euch, einmal etwas erzähle, das glaubt Ihr mir
nicht! Boni Jetzt schaut mich aber einmal an, Ihr drei un-
widerstehlichen Grazien ..." Herr von Meinen streckte die
Beine aus, so lange als es ging und machte eine Miene, als ob
er eine Nachricht „auftischen" wolle, welche die andern einfach
„umlegen" müsse — „ . . . wie ich mich heute Abend noch in
Scene setzen werde, davon habt Ihr auch nicht die mindeste
Ahnung I Ihr könnt geleistet haben was Ihr wollt, dem gegen-
über, was ich für heute noch im Sinne habe, ist Euere Aben-
teuerei Spielerei!"
Darauf blickte er triumphierend einen nach dem andern
an und goß, als ihn diese noch ganz verständnislos ansahen, in
großer Selbstgefälligkeit einige weitere Gläser in sich hinein.
„was Du vorhast, weiß ich nicht", entgegnete ihm endlich
der Inhaber der Glatzenvollkommenheit, „wenn ich Dir aber
raten darf, so heb's lieber auf bis morgen — Du scheinst Dir
heute etwas zu viel Mut antrinken zu wollen."
„Zu viel? Kaum denkbar, denn es gehört eine Riesen-
courage zu dem Unternehmen, das ich vorhabe; das werdet
Ihr mir zugeben, sobald ich es Euch erzählt habe, also gebt acht,
von der kleinen Brinkmann da oben weiß jeder — ich meine
die Lilly — daß sie, trotzdem ihre Schwester Liddy so gut als
verlobt mit dein Lieutenant Feldau ist, diesem doch süße Augen
macht, obgleich sie aus meinem eigenen Munde erfahren hat,
daß ich, der Freiherr von Meinen, der letzte Sprosse eines ur-
alten Hauses, in dem bis heute noch keine Mesalliance vorge-
kommen, aus toller Liebe zu ihr im Sinne habe, sie zur Frei-
frau von Meinen zu machen."
„wobei es sich ganz angenehm trifft", fiel ihm der Herr,
welcher schon vorher gesprochen hatte, unter dem Lachen der
andern ins Wort, „daß dieser „unerhörte Schritt" nebenbei zu
einem niedlichen Milliönchen führt, welches die freiherrlich von
Meinenschen Güter, die uralten Traditionen nach, kleiner Hypo-
thekenentlastungen dringend benötigt sind, in neuem Glanze sich
repräsentieren lassen würden — nicht?"
„Bitte, ich glaube den Eueren könnte eine Renovation in
diesem Sinne ebenfalls nicht schaden, wenn ebenfalls uralte
Traditionen nicht trügen ... um aber wieder auf meine eigene
Angelegenheit zu kommen, so will ich Euch weiter mitteilen,
daß ich heute Nacht schlag zwölf einen Eoup ausführen werde,
der die Situation derartig zu meinen Gunsten verändern wird,
daß Fräulein Lilly am Ende noch froh sein wird, Frau Baroin
Meinen werden zu können . . . nun gebt mal acht ... ich
werde sie einfach vor aller Welt in die Arme schließen und küssen!"
 
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