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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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20

Bieggendorfers Humoristische Blätter.

Schlag Zwölf!

Die drei anderen sprangen ans und überhäuften den ruhig
Dasitzenden mit einer Flut von Abmahnungen. Der aber trank
ein Glas Sekt ums andere und hatte auf alle Einwendungen
nur das eine zu entgegnen: „Aber ist's den so schrecklich meine
Gattin zu werden? Und ist es nicht ehrenhaft, was ich vor-
habe? Ich heirate sie ja, wo bleibt da schließlich auch nur
der geringste Flecken? Hindert Ihr mich aber an der Ausfüh-
rung meines Planes in irgend welcher Weise, dann provoziere
ich noch einen ganz anderen Skandal!"
Die Drei gaben es auf, ihn in seiner jetzigen Stimmung,
die er sich durch überrasches Trinken absichtlich geschaffen hatte,
weiter zu bestürmen, man hob die Sitzung auf und jeder suchte
sich den ihm paffenden Weg nach oben, Herr von Meinen unter
kleinen Schwierigkeiten. —

Wir haben den Generalkonsul und dessen Gattin verlassen,
als dieselben einander in maßlosem Erstaunen gegenüberstanden,
weil sie sich den Vorgang mit „dem Feldau im Fracke" absolut
nicht zu erklären vermochten. Aber ihr Erstaunen wuchs wo-
möglich noch, als ihnen dieser plötzlich ihre Tochter Liddy am
Arme, nun wieder in Uniform entgegentrat. Aus das hastige:
„Aber so erklären Sie mir doch!" senkte der Lieutenant lächelnd
das Haupt und, indem ein heißes Erröten um das andere in
dem Gesichtchen Liddys aufstieg, erzählte er wie man ihn und
Vetter Egon schon als Knaben — sie seien die Söhne von
Brüdern — stets verwechselt habe und wie das gleichgeblieben
sei bis heute, wie sich Herr und Frau Generalkonsul dessen zur
Genüge heute selbst hätten überzeugen können . . . und da sei
ihm denn der abenteuerliche plan gekommen Egon hierher zu
rufen, um . . . um . . . „ach, Herr Generalkonsul", schloß er,
diesen und seine Frau echt kavalleristisch überrumpelnd, „ich
liebe Ihre Tochter, Fräulein Liddy, so leidenschaftlich . . . lassen
Sie mich Sie hiemit um deren Hand gebeten haben!"
Man kennt vom Eingänge her die Meinung der
Eltern über den Lieutenant und so hielten diese mit
der Einwilligung nicht zurück . . . Feldau drückte
unter dem Schutze einer riesigen Palme seiner lieb-
reizenden Braut den Verlobungskuß auf die Lippen
— oder waren es deren mehrere? — Möglich, wenig-
stens schien er dem Papa etwas lange zu dauern,
denn er führte Feldau mit den Worten in die Wirklich-
keit zurück: „Lieber Sohn, eines ist mir an der Sache
noch nicht ganz verständlich .. . Sie haben Ihrem Vetter
doch nicht etwa ganz offenkundig Ihren allerdings
abenteuerlichen plan mitgeteilt?"
„Keine Silbe weiß er; ich habe ihm eingeredet,
daß es sich um eine wette handle ... ich selbst aller-
dings hoffte . . ."
„Lassen wir das ... ich denke wir suchen nun
ihren Vetter und Lilly sofort auf; ich möchte ihn ken-
nen lernen."
Man begab sich also, die Räume durchschreitend,
auf die Suche und entdeckte die beiden in dem Biblio-
thekzimmer. Der Generalkonsul blieb unwillkürlich
stehen. Sie schienen Bildwerke angesehen zu haben,
aber was es dabei von Seite des „Vetters" gar so
stürmischen Händeküssens und von Seite Lillys dieses
heißen Errötens bedurfte, war dein Papa unklar und
er räusperte sich deshalb etwas geräuschvoll, um dem
paare zu wissen zu thun, daß ihre Unterhaltung Zeu-
gen habe.

Der junge Herr sprang sofort empor und eilte den Ein-
tretenden entgegen. Förmlich zurückprallte Herr Brinkmann
aber, als dieser von jeder vorstellungsceremonie oder sonstigen
Komplimenten absehend, einfach sagte: „Herr Generalkonsul,
ich bitte um die Hand Ihrer Fräulein Tochter Lilly!"
Die beiden Eltern waren im ersten Momente wie erstarrt.
Von Feldau, der eben seiner Braut hatte etwas zuflüstern
wollen, blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen, Liddy jedoch
schmiegte sich enger an den lieben Mann, auf den sie manchmal
schon geglaubt hatte verzichten zu müssen und ein Seufzer aus des
Herzens tiefsten Tiefen herauf wäre bald zum Iubelrufe geworden.
„Mein Herr!" ermannte sich endlich der Generalkonsul, „Sie
sehen mich auf das Aeußerste erstaunt, soviel ich weiß, datiert
Ihre Bekanntschaft mit meiner Tochter nicht über diesen Abend
hinaus und doch . . ."
„Entschuldigen Sie, verehrter Herr, wenn ich mir erlaube
Ihnen zu bemerken, daß Sie sich täuschen — wir kennen uns
bereits seit vier Jahren I"
Liddy warf ihrer Schwester einen höchlich erstaunten Blick
zu, aber Aufklärung wurde ihr nicht, denn Lilly senkte das
Köpfchen und grub ihre weißen Zähne in die Unterlippe; was
die Mama betraf, so sah sie ganz ratlos von dem einen zu
dem andern.
„Sie werden mir natürlich die detaillierteste Aufklärung
nicht schuldig bleiben!" entgegnete entrüstet der Vater Lillys.
Was war da hinter seinem Rücken und dem seiner Gemahlin
geschehen — ihm wirbelte!
„So detailliert Sie dieselben wünschen, verehrter Herr Gene-
ralkonsul! wir, Ihre Fräulein Tochter und ich, durchwander-
ten zusammen paradiesische Gegenden sowohl als wüsten, in
denen Tod und verderben droht . . . wir jagten zusammen den
Löwen und den Tiger und lagen des Nachts zusammen am
Lagerfeuer und betrachteten die Sterne . . ."
(Schluß folgt.)

„. . . Dieses Hündchen gefällt mir; kann es sich auf dein Parkett
bewegen?"


Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag I. F. Schreiber, beide in Eßlinaen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München: Schubertstratze 6.
 
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