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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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30


Blätter.


Doch all den Jubel übertönte wieder der Helle Rlang und
inan hörte perrn Brinkmann weiter sprechen.
„Aber nicht allein dieses paar möchte sich das alte Jahr
noch zu Nutze machen, sondern noch ein weiteres . .
Pier hielt der Generalkonsul inne, denn es geschah etwas
höchst wunderbares, die Gesellschaft geradezu Aeberwältigendes.
Der gute, benebelte Baron hielt seinen Moment für ge-
kommen — oh, er hatte trotz dem Durcheinanderwirbeln der
Gäste Fräulein Lilly fest im Auge behalten. Da stand sie ja
auch und sogar auf den Fußspitzen und ihm den Rücken zu-
drehend; sie schien kein Wort verlieren zu wollen, und wie
schmiegte sie sich an den perrn an, der neben ihr stand I
Und gerade jetzt schlug's Zwölf! Er stürzte also hinein
in den Saal und direkt auf sie zu. Die von dein Generalkonsul
gesprochenen Worte hatte er wohl behalten, und, indem er sein
Opfer von rückwärts umfing, sich zudrehte und küßte, rief er
dieselben ergänzend:
„Ja, ein weiteres Brautpaar, das man hier sieht I"
Lin schriller Schrei. Entsetzlicher Tumult, plötzliche Todes-
stille.
Dann hörte man eine scharfe, hohe Stimme.
„Ich bin geküßt worden! von einein Manne mit einem
Schnurrbart geküßt worden ... oh, ich habe ihn nicht ent-
weichen lassen und hier ist erl Er hat es selbst gesagt, wir seien
ein Brautpaar.ach Sie I Sie, perr von Meinen ? Aber
war denn der Lclat . . . ? Gerade Sie sind es ja der . . .
der ... ach Gott, ich schäme mich so!"
Natürlich hatte der Arme durch die Toilette und den Sekt
verführt, Büschen Petronella geküßt!
Daß sein ,zu vieler Mull unter solchen Umständen sofort
verflogen war, läßt sich denken, er that das beste was er thun
konnte, er fiel in Ohnmacht. „Aus übermäßiger Freude", wie
Petronella laut behauptete. Man brachte ihn hinweg.
Daß es Helle Köpfe genug in der Gesellschaft gab, die das
Ereignis auf seinen eigentlichen wert taxierten ist selbstver-
ständlich; es wurden an allen Tischen Thränen gelacht, während
„Büschen" ab und zu ging um Bulletins über das Befinden des
ihr so plötzlich gewordenen Bräutigams einzuholen und zu ver-
künden.
Dieser selbst saß, erbarmungswürdig anzusehen, und, über-
nüchtert, in einem entfernten Zimmer in einem Fauteuil unter
dem scharfen Verhör des Generalkonsuls, der durch diesen hoch-
ereignisreichen Abend bereits anfing auf das pöchste nervös zu
werden.
Lin solcher Skandal und in seinen: Pause!
Lr griff denn auch schließlich energisch ein. Baldigste ernst-
liche Proklamierung der Verlobung mit Base Petronella — deren
Vermögen, wie er als praktischer Geschäftsmann nicht vergaß
zu bemerken, es ihr ganz gut erlaube, Frau Baronin zu werden
— oder künftige gesellschaftliche Unmöglichkeit!
Und der perr Baron griff zu.
Das alte Jahr war verrauscht, aber im ersten Beginn des
neuen wurden in: Brinkmannschen Pause die zwei beinahe zu-
stande gekommenen Verlobungen nachgeholt.
Der Frau Generalkonsul hauptsächlich war die so stürmisch
unterbrochene Publizierung des perzensbundes ihrer Tochter-
Lilly mit Doktor Feldau nach längerer Ueberlegung als gar
nicht so ungelegen gekommen erschienen; es war doch besser,
wenn sich die zwei noch näher kennen lernten. Doch deren Zu-
neigung und geistige Verwandtschaft vertiefte sich mehr und

mehr, ihr Entschluß blieb derselbe — und daß Base Petronella
nie und nimmer gewichen wäre ist selbstverständlich.
Doktor Feldau hatte seinen Vetter und Doppelgänger, trotz
der verunglückten verlobungsproklaination, beim Nachhausegehen
durch den tiefen Schnee an einer Straßenecke bei beiden Ohr-
läppchen genommen und abgeküßt. Lr sagte ihn: einfach: „Du
hättest ein verbrechen begangen, wenn Du mich nicht gerufen
hättest . . . Donnerwetter ist's nur heiß!"
Mas aber den Baron Meinen anbetras, so sollte inan es
kann: glauben können, daß er als er nach kurzem Brautstande
— an demselben Tage wie Doktor Feldau — in die Ehe trat,
in dieser fich außerordentlich wohl sühlte — aber es war einfach:
Seine Gattin hätschelte ihn wie ein Rind — dagegen hatte sie
den Verwalter der Güter, die nie Rente brachten, in kurzer Zett
zur Verzweiflung und zum Abzüge gebracht.
In all das vernachlässigte Zeug kam Ordnung, Gläubiger
kannte der junge Gatte bald nur noch der Sage nach.
And so kau: es, daß der erste Meinen, der eine Mesalliance
eingegangen war, und der beinahe der letzte seines Stammes
geworden wäre, den uralten Baum desselben durch seine mutige
That wieder frisch ergrünen sah, denn die Freifrau Petronella
nahm es nach allen Richtungen hin ernst mit ihrer Pflicht —
mit imponierender Promptheit beschenkte sie den Gatten gleich
das ersiemal mit Zwillingsprinzen.

Aus der AiikerM.


Ritter: „Ja um Gotteswilleu, wo ist denn meine stolze
pelmzier, der Pfauen sch weif hingekommen?"
Seine Frau: „Den kannst Du jetzt nicht haben, den brauche
ich zum abstauben!"

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlnigen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München: Schubertstrafze 6.
 
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