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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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https://doi.org/10.11588/diglit.28504#0069
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

59

In schuh genommen.

von g.
idonie," fache der Kommerzienrat Mayer zu seiner dunkel-
haarigen Schwester, welche allmählich das Alter erreicht
hatte, welches beim Manne als die „Blüte der Jahre"
bezeichnet wird, bei den Frauen, resp. den Jungfrauen dagegen
mit dem kurzen Marte „passee", — „Sidonie," sagte er also,
„mach' Dich schön, zieh das Malvensarbene an, der Baron Klee-
has wird geruhen, das Nachtessen heute bei uns einzunehmen l"
„Mas Du sagst!" schrie Sidonie, schnellte vom Stuhle empor
und lieh Zolas Nana unsanft zu Boden gleiten. „welche Ehre!
und er ist solch ein schöner Mann!"
„Und ein reicher Mann und ein vorsichtiger Mann!"
schaltete der Kommerzienrat mit Nachdruck ein. „Ich sage nur,
zieh das Malvensarbene an. Und dann überlege mit der Luise
das Menu, der Baron ist ein Gourmand und allgemein um der
feinen Essen willen bekannt, welche er seinen Freunden giebt."
„Und spare nicht,
Sidonie", mahnte er
noch zum Schluß,
„es kommt gar nicht
darauf an, — wir
haben's ja!"
Und der Abend
kam und brachte
den Baron und
Sidonie saß im Mal-
venfarbenen neben
ihm am silberfun-
kelnden Tisch und
freute sich wie 's
dein Gaste schmeckte.
Die Windsor-
Suppe hatte er
schweigend, doch
mit Andacht ge-
gessen; nach dein
Fische sagte er stöh-

Magd: „Schrei doch nicht so mörderlich, Junge!"
Vater: „Lassen Sie ihn doch; denken Sie vielleicht, es ist was An-
genehmes, gebadet zu werden!"

Der Bewerber.

„Eigentlich wollte ich mich an Fräulein Sidonie
selbst wenden in dieser Angelegenheit" begann der
Baron.
„Ich glaube es ist besser, wir Männer besprechen
das erst untereinander", meinte der Kommerzienrat
lächelnd, „Sie verstehen, — ein jungfräuliches Gemüt
wird so leicht von solchen Dingen verletzt — also bitte!"
„Fräulein Sidonie wird Ihnen gesagt haben", be-
gann Baron Kleehas, „daß ich heute mit einer großen
Bitte nahe, und wenn ich nicht irre, hat sie den Wunsch,
wenn auch noch unausgesprochen, erraten, — sie weiß
ja, wie öde und schlecht versehen mein Hans ist und
mitleidig hat sie mir die Gewährung meines Wunsches
gestern schon zugesagt — —"
„Aber mit Freuden, mit lausend Freuden sei er
Ihnen gewährt, mein lieber Baron!" rief der Kom-
merzienrat — „nehmen Sie sie, nehmen Sie sie!"
„Ach, Sie edler Mensch!" schrie der Baron entzückt,
„Sie wohlthäter der Menschheit! — ich muß Sie um-
armen!" und er drückte ihn an sein bewegtes Herz.
„Ich weiß, Sie werden gut mit ihr sein!" mur-
melte der Umschlungene und zerdrückte einige Thränen
im Auge.
„Sie wird sich nicht über mich beklagen können!"
rief Baron Kleehas, „bei mir kann sie in ihrem Reiche
nach Belieben schalten und walten; ich werde ihr auch

nend: „Solche Forellen habe ich in meinem Leben noch nicht ge-
gessen!" Zwischen dem Filet und der Gansleber in Aspik richtete
er an seine Gastgeber eine warme Ansprache und ließ das Haus
leben, „in welchem so der edlen Kochkunst gewaltet würde,"
nach den Birkhühnern aber seufzte er nur noch und fand erst
beim Käse seine Sprache wieder.
„wenn Sie wüßten, Fräulein Sidonie, wie wohl mir das
gethan hat!" raunte er ihr zu und zog seinen Stuhl näher
herbei, was Sidonie verschämt lächelnd geschehen ließ, „wenn ich
dagegen an mein ödes Haus denke, wo ich mich, seitdem die
Mutter tot ist, um alles kümmern muß, — und will ich meinen
Gästen etwas Ordentliches vorsetzen, so ich bin genötigt, einen
Koch ins Haus zu nehmen, — Ihre Köchin dagegen-ach,
wie ich Sie beneide!" „Die Sache macht sich!" dachte der
Kommerzienrat und rieb sich schmunzelnd die Hände. „Darf ich
wiederkommen?" frng Baron Kleehas beim Abschied und sah
Sidonie tief in die Augen, welche diese züchtig errötend nieder-
schlug und mit dem Gürtelbande zu spielen begann.
„So oft Sie wollen!" rief statt ihrer der Bruder und ge-
leitete den Gast selbst die Treppe hinunter.
Das nächste Mal hatte Sidonie ein Resedafarbenes an,
der Baron war noch begeisterter, als das erste Mal und aber-
mals frug er beim Abschied „darf ich wiederkommen?" und
errötend erlaubte es ihm Sidonie.
Beim dritten Male aber zog sie ein schneeweißes Gewand
an. Die Köchin hatte sich diesmal selbst übertroffen, Baron
Kleehas ließ es sich nicht nehmen, ihr in der Küche selbst seine
Anerkennung auszusprechen. Und dann erzählte er Sidonie
wieder ganz melancholisch von seinem öden Hause und beim
Abschied fragte er sie leise, „ob er ihr am nächsten Tage eine
große, große Bitte vortragen und auf Erfüllung derselben
hoffen dürfte?"
Und Sidonie wurde dunkelrot, denn zum ersten Male in
ihrem Leben hörte sie solche Worte und leise flüsterte sie „ja!"
Am anderen Morgen Punkt t? Uhr erschien Baron Klee-
und wurde vom Kommerzienrat empfangen.
 
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