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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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Nr. 321
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https://doi.org/10.11588/diglit.28504#0089
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Bleggen-orfers Humoristische Blätter.

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Auch em Sportsnrann.

„Herr Rentier Müffel, Sie sollten sich Bewegung machen! Treiben
Sie doch Wassersporti"
„Danke, treibe schon weinsxortl"


Me Älly M ihrem VräuLigam kam.
lies ist schon dagewesen; aber wie Llly zu ihren: Bräu-
tigam kam, das steht in den Annalen sämtlicher heirats-
und Liebesgeschichten einzig dal
Lieutenant Heinz von Lenbach kam eines Morgens zu seinem
Obersten und bat gehorsamst um vierzehntägigen Urlaub, da sich
seine Cousine verheirate, „hoffentlich sind nun Ihre sämtlichen
Cousinen und Tanten glücklich unter der Haube," antwortete
der Gberst ironisch, gewährte aber den Urlaub doch. —
„Servus, altes Häusl Bist Du's wirklich?" Und in den
Armen liegen sich beide und weinen vor Schmerz und vor
Freudei Diese warme Begrüßung fand an einen: schönen !
Sommerabend vor dem „goldenen Hirschen" des Städtchens h.
zwischen unsrem Lieutenant und den: Studenten Fritz F. statt.
Auch das unerfahrenste Menschenkind, das von den Sitten und
Gebräuchen dieser beiden Species keine blasse Ahnung hat,
wird nicht einen Augenblick im Zweifel sein, was dieser Be-
grüßung, die noch dazu vor einem Wirtshaus vor sich ging,
folgte, kurz, sie verschwanden und die untergehende Sonne
mußte hinter die, zu einem ordentlichen Sonnenuntergang seit
Dichtern gleich Seraphin Meiderle notwendig gewordenen Berge
versinken, ohne die glückstrahlenden Gesichter der beiden Freunde
wiederzusehen.
Dafür ging's in der Wirtsstube hoch Herl Getrunken
wurde, getrunken, nun, wie eben nur ein Lieutenant und ein
Student, die ein Wiedersehen feiern, trinken können.
Doch kurz ist die Freude und nichts währt ewig in jenem
traurigen Jammerthale, das da „unsre Erde" benamset ist. Der
Student mußte morgen weiter, Lieutenant Lenbach wollte noch
eine Ruine besichtigen und sich dann dem väterlichen Hause

zuwenden. Und so geschah es auch! Früh morgens
gondelte Heinz von Lenbach, vom Himmel mit einem
soliden Katzenjammer bedacht, den Berg hinan, hoch
oben, wie es sich für eine anständige Ruine, die das
Dekorum wahrt, geziemt, lag die alte Burg, so hoch und
imposant, daß es selbst einen: Fähnrich schwer gefallen wäre,
besagter Ruine zu imponieren. Heinz versenkte sich in Be-
trachtungen über das unnütze Bergsteigen und — man
weiß wie rasch Lieutenants in Entschlüssen sind — bald lag
er auch schon im Grase und träumte und schlief. Und
nun kam „siel" wer? Lllyl Elly, die schwärmerische
Tochter des pensionierten Obersten Hohenems, Elly, die
in einer Villa bei h. wohnte, wo ihr Vater über die neuen
heereseinrichtungen fluchte, die gute alte Zeit lobte und
medizinische Studien trieb. Also, Elly kam, erblickte den
schlafenden Heinz, schrak zurück und erbleichte!
Sie sah sein blasses Gesicht und daß er knapp an einen:
steilen Abhang lag. Abgestürzt l wie der Blitz war sie
an seiner Seite. Um ihn aus seiner vermeintlichen Ohn-
macht zu wecken, rüttelte sie ihn verzweifelt an den
Schultern. Die Wirkung war unbeschreiblich! Statt, wie
es in jeden: besseren Roman der Fall ist, zu stöhnen,
langsam die Augen aufzuschlagen, „meine Retterin" und
„Wasser" zu hauchen, fuhr Heinz mit jäher Plötzlichkeit
und mit einem unverkennbaren Donnerwetter empor und
dumpf dröhnten die Köpfe aneinander, „wie befinden Sie
sich? haben Sie sich schon von dem Absturz erholt?" stam-
melte Elly verwirrt und hielt sich die schmerzende Stirn.
Heinz öffnete zuerst vor Erstaunen weit seine Augen,
dann, nach kurzem Besinnen, auch den Mund. Er betrach-
tete Elly, den Abhang. Abgestürztl Sollte er wirklich?
Dann die Situation erfassend, ging er darauf ein. Kläg-
liche Jammermienel „Können Sie aufstehenl Nun also!
Stützen Sie sich nur auf mich!" Und das Folgende entwickelte sich
vollständig nach „berühmten Mustern" der modernen Roman-
litteratur. Die beiden, Heinz noch immer matt und leidend,
wandelten den Feldweg hinab. So eine gute weile! „Gleich
sind wir daheim!" tröstete Elly.
„heiliger Sebastian!" Schon wollte Heinz Elly alles er-
klären, da machte der weg eine jähe Wendung und sie standen
vor der Thüre eines kleinen Landhauses. Ein großer, alter
Herr starrte ihnen befremdet entgegen. „Papa," stammelte
Llly verwirrt, „dieser Herr — abgestürzt — Hilfe — verzeih I"
Heinz sagte ihr getrost alles nach, dann aber faßte er sich und
stellte sich als Lieutenant von Lenbach ganz gehorsamst vor.
„Kommen Sie, ich werde Sie untersuchen," erwiderte der Gbeist,
„ich habe mich viel mit Medizin beschäftigt." Auch das noch!
Ohl Und mit einem verzweifelten Blick auf Elly folgte Heinz
dem alten Herrn. Der Gberst klopfte ihn zuerst mit seiner
gewichtigen Soldatenfaust energisch ab, ein genaues verhör über
den Absturz begann. Sehr ausführlich und anschaulich schilderte
Heinz den Fall und fügte hinzu, daß ihm dein: Erwachen genau
so zu Mute war, als hätte er tags zuvor zu viel getrunken,
was doch gewiß eine befremdliche Erscheinung war. Aber jetzt
sei der Kopf schon wieder frei und er bitte un: die Erlaubnis
— „Nein," unterbrach ihn Hohenems, „ich bin halber Arzt und
befehle. Sofort ins Bettl" Und damit ging er hinaus.
GH du mein Gottl Wehmütig trank Heinz den heißen
Thee, der ihm in ungeheuren Mengen gereicht wurde und
dachte dabei an das kühle Bier beim „goldenen Hirschen."
Und diese Diagnose I Innere Erschütterung vom Absturz. Be-
handlung: Ruhe und Diät elf bis vierzehn Tage bis zu völliger
Herstellung. Heinz erbleichte! Der Gberst versicherte mit voller
Aufrichtigkeit, daß er einem jungen Kameraden gerne Gast-
freundschaft erweise. Heinzens Schicksal war entschieden.
 
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