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Meggendorfers humoristische Blätter.
Der Patent-Feldstuhl.
wieder ein Uebelstand; aber dagegen ließ sich nichts machen.
Einen behaglichen Fauteuil hätte man ja auch in einem Spazier-
stocke nicht unterbringen können. „Praktisch bleibt die Sache
trotzdem", versuchte ich mir einzureden, denn es begannen be-
reits gelinde Zweisel in dieser Pinsicht in mir rege zu werden.
Die Situation gefiel mir nicht ganz, wenn ich mich auf einen
Zaunpfahl niedergelassen hätte, wäre ich ebenso gut gesessen,
jedenfalls sicherer, denn das Ding unter mir schwankte oft in
besorgniserregender weise, und dann hätte ich besagten Pfahl
auch ruhig auf seinem Platze stehen lassen können und nicht
nötig gehabt, ihn wieder mitzuschleppen. — Auf der anderen
Seite des Weges befand sich eine sehr bequeme Bank. Ich
hatte mich anfänglich wie zuin pohne dieser gegenüber gesetzt,
mit dem Gedanken, wie gut ich es doch hätte, vermöge meines
Patentstuhles nicht mehr auf eine solche Sitzgelegenheit reflek-
tieren zu müssen, deren Annehmlichkeit nur von dein guten
willen der zuerst gekommenen abhing. — Jetzt, wo mich be-
reits alle Glieder zu schmerzen begannen, blickte ich sehnsüchtig
auf die leere Bank, welche mir spöttisch zuzulächeln schien.
Ich schloß die Augen, das dumme Ding nicht mehr zu sehen,
und im nächsten Moment lag ich samt meinem Patentstuhl der
Länge nach aus
der Erde. — Ein !
wahres Glück, daß
dieses unange-
nehmeIntermezzo
keinen Zeugen ge¬
habt, man hätte
mich sicher ausge-
lacht und das wäre
mir keineswegs
recht gewesen. —
Ich hatte gerade genug, klappte den Stuhl zusammen
und ging meiner Wege — selbstverständlich war ich vorher aus-
gestanden. —
Ich hatte jetzt keine rechte Freude mehr mit meinem Be-
sitze und nur eine schwache poffnung, daß sich derselbe als
Regenschirmvielleicht besser bewähren würde. —Ich wünschte
sehr ihn in dieser Pinsicht zu erproben und — als ob der
Pimmel mir entgegenkommen
wollte, begannen auch schon
die ersten Tropfen zu fallen. —
Nun, Patent-Feldstuhl, zeige,
was du kannstI — Ich ergriff
ihn am unteren Ende — Donner¬
wetter — auch wieder etwas,
woran der Erfinder nicht gedacht
hatte I Die Spitze war durch
das Einbohren in die Erde
ganz kothig geworden und ich
hatte wacker zugegriffen ....
Mitten in dem bereits ziemlich
heftig gewordenen Regen,
mußte ich nun stehen bleiben,
um mich und den Stock zu rei-
nigen. Nachdem dies geschehen
und ich schon ziemlich naß ge-
worden war, versuchte ich das mißlungene Experiment zu
wiederholen. Ich schwang den Stock einmal — zweimal —
dreimal — immer heftiger, der erwartete Effekt blieb jedoch
aus, kein Regenschirm wollte zum Vorscheine kommen. — Ich
war wieder auf die Straße gelangt und bemerkte, daß meine
mißglückten und für den Nichteingeweihten höchst geheimnis-
vollen Operationen mit dem wuchtigen prügel, sehr erheb-
liches Aufsehen zu machen begannen. Man blieb stehen,
betrachtete mich verwundert und ging mir in möglichst weitem
Bogen aus dem Wege. Auch ein Wächter der öffentlichen
Sicherheit schien sich für mein rätselhaftes Beginnen lebhaft
zu interessieren, denn ich sah, wie er Miene machte, mir in
einiger Entfernung zu folgen. Dem mußte ich ausweichenI
Rasch eilte ich in dem nun strömenden Regen durch mehrere
Gassen. Ich war bereits naß bis aus die Knochen. — Alle
Welt trug schützende Regendächer, nur ich nicht I — War ich
denn ein Paria — ausgestoßen aus der Menschheit Kreisen? —
Nein, auch ich war in Arkadien geboren, auch ich mußte
meinen Schirin haben — da war die Ecke — rasch sah ich um
mich — dann — mit einer wahrhaft verzweifelten Anstrengung
— schwang ich den Stockl . . . Ein dumpfer Schlag, — ein
Schrei — pundegeheul und ein kerniger Fluch — alles, aber
nur kein Schirm, folgte als Resultat meiner Bemühung. — Ich
hatte mit meiner Keule einen perrn auf die Nase getroffen,
dieser war zurückprallend einein hinter ihm gehenden ahnungs-
losen Zeitgenossen, auf die für solche Eventualitäten nicht ein-
gerichteten pühneraugen gesprungen, während dessen Waden
von einem Fleischerhunde, den die rasche Bewegung gereizt
haben mochte, fest gehalten wurden. — Sonst war nichts ge-
schehen! — Der Geschlagene besaß übrigens einen so enormen
Riechapxarat, daß eine große Geschicklichkeit dazu gehört hätte,
ihn wo anders hin zu treffen. —
Mit zwei wütend hervorgestoßenen Worten, konstatierte
er in mir eine Persönlichkeit von sehr wenig hervorragenden
geistigen Fähigkeiten. Meine Erwiderung war ebenfalls ein
wenig naturalistisch angehaucht und so wollten wir eben eine ganz
famose Unterhaltung beginnen, welche nur durch das Fluchen
des pintermannes unterbrochen wurde, der sich von dem knurren-
den Fleischerhund zu befreien suchte, indem er ihn bei seinem
kurzen, zu diesem Zwecke sehr geeigneten Schwänze zog, als sich
der Wachmann näherte, der mir schon früher seine ehrenvolle
Aufmerksamkeit geschenkt hatte. — Mit verständnisinnigem
Lächeln ließ er sich den Pergang der Sache schildern, erkundigte
sich dann teilnehmend um meinen Namen, meine Adresse, Ge-
burtsort, Tag und Jahr, welche
interessanten Daten er, dem
Forschungstriebe der Nachwelt
entgegenkommend, in seinem
Notizbuch verewigte. Dann
konfiszierte er das corpus cke-
licti, den Patent-Feldstuhl, be-
freite in liebenswürdiger Weise
den andern von dem bissigen
Köter, nahm auch dieses Fak-
tum zu Protokoll und die Pro-
zedur war zu Ende. —
Ich durchbrach eilends den
Kreis von Neugierigen, der
sich trotz des Regens, um den
Schauplatz der Ereignisse ge-
sammelt hatte und trabte heim-
wärts. —
Jetzt erwarte ich stündlich eine freundliche Einladung
seitens der hochwohllöblichen Polizei um mich vielleicht wegen
versuchten Todschlages zu verantworten.
Lin zweites Exemplar des Patent-Feldstuhles habe ich mir
aber nicht mehr angeschafft. —
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstraste 6.
Meggendorfers humoristische Blätter.
Der Patent-Feldstuhl.
wieder ein Uebelstand; aber dagegen ließ sich nichts machen.
Einen behaglichen Fauteuil hätte man ja auch in einem Spazier-
stocke nicht unterbringen können. „Praktisch bleibt die Sache
trotzdem", versuchte ich mir einzureden, denn es begannen be-
reits gelinde Zweisel in dieser Pinsicht in mir rege zu werden.
Die Situation gefiel mir nicht ganz, wenn ich mich auf einen
Zaunpfahl niedergelassen hätte, wäre ich ebenso gut gesessen,
jedenfalls sicherer, denn das Ding unter mir schwankte oft in
besorgniserregender weise, und dann hätte ich besagten Pfahl
auch ruhig auf seinem Platze stehen lassen können und nicht
nötig gehabt, ihn wieder mitzuschleppen. — Auf der anderen
Seite des Weges befand sich eine sehr bequeme Bank. Ich
hatte mich anfänglich wie zuin pohne dieser gegenüber gesetzt,
mit dem Gedanken, wie gut ich es doch hätte, vermöge meines
Patentstuhles nicht mehr auf eine solche Sitzgelegenheit reflek-
tieren zu müssen, deren Annehmlichkeit nur von dein guten
willen der zuerst gekommenen abhing. — Jetzt, wo mich be-
reits alle Glieder zu schmerzen begannen, blickte ich sehnsüchtig
auf die leere Bank, welche mir spöttisch zuzulächeln schien.
Ich schloß die Augen, das dumme Ding nicht mehr zu sehen,
und im nächsten Moment lag ich samt meinem Patentstuhl der
Länge nach aus
der Erde. — Ein !
wahres Glück, daß
dieses unange-
nehmeIntermezzo
keinen Zeugen ge¬
habt, man hätte
mich sicher ausge-
lacht und das wäre
mir keineswegs
recht gewesen. —
Ich hatte gerade genug, klappte den Stuhl zusammen
und ging meiner Wege — selbstverständlich war ich vorher aus-
gestanden. —
Ich hatte jetzt keine rechte Freude mehr mit meinem Be-
sitze und nur eine schwache poffnung, daß sich derselbe als
Regenschirmvielleicht besser bewähren würde. —Ich wünschte
sehr ihn in dieser Pinsicht zu erproben und — als ob der
Pimmel mir entgegenkommen
wollte, begannen auch schon
die ersten Tropfen zu fallen. —
Nun, Patent-Feldstuhl, zeige,
was du kannstI — Ich ergriff
ihn am unteren Ende — Donner¬
wetter — auch wieder etwas,
woran der Erfinder nicht gedacht
hatte I Die Spitze war durch
das Einbohren in die Erde
ganz kothig geworden und ich
hatte wacker zugegriffen ....
Mitten in dem bereits ziemlich
heftig gewordenen Regen,
mußte ich nun stehen bleiben,
um mich und den Stock zu rei-
nigen. Nachdem dies geschehen
und ich schon ziemlich naß ge-
worden war, versuchte ich das mißlungene Experiment zu
wiederholen. Ich schwang den Stock einmal — zweimal —
dreimal — immer heftiger, der erwartete Effekt blieb jedoch
aus, kein Regenschirm wollte zum Vorscheine kommen. — Ich
war wieder auf die Straße gelangt und bemerkte, daß meine
mißglückten und für den Nichteingeweihten höchst geheimnis-
vollen Operationen mit dem wuchtigen prügel, sehr erheb-
liches Aufsehen zu machen begannen. Man blieb stehen,
betrachtete mich verwundert und ging mir in möglichst weitem
Bogen aus dem Wege. Auch ein Wächter der öffentlichen
Sicherheit schien sich für mein rätselhaftes Beginnen lebhaft
zu interessieren, denn ich sah, wie er Miene machte, mir in
einiger Entfernung zu folgen. Dem mußte ich ausweichenI
Rasch eilte ich in dem nun strömenden Regen durch mehrere
Gassen. Ich war bereits naß bis aus die Knochen. — Alle
Welt trug schützende Regendächer, nur ich nicht I — War ich
denn ein Paria — ausgestoßen aus der Menschheit Kreisen? —
Nein, auch ich war in Arkadien geboren, auch ich mußte
meinen Schirin haben — da war die Ecke — rasch sah ich um
mich — dann — mit einer wahrhaft verzweifelten Anstrengung
— schwang ich den Stockl . . . Ein dumpfer Schlag, — ein
Schrei — pundegeheul und ein kerniger Fluch — alles, aber
nur kein Schirm, folgte als Resultat meiner Bemühung. — Ich
hatte mit meiner Keule einen perrn auf die Nase getroffen,
dieser war zurückprallend einein hinter ihm gehenden ahnungs-
losen Zeitgenossen, auf die für solche Eventualitäten nicht ein-
gerichteten pühneraugen gesprungen, während dessen Waden
von einem Fleischerhunde, den die rasche Bewegung gereizt
haben mochte, fest gehalten wurden. — Sonst war nichts ge-
schehen! — Der Geschlagene besaß übrigens einen so enormen
Riechapxarat, daß eine große Geschicklichkeit dazu gehört hätte,
ihn wo anders hin zu treffen. —
Mit zwei wütend hervorgestoßenen Worten, konstatierte
er in mir eine Persönlichkeit von sehr wenig hervorragenden
geistigen Fähigkeiten. Meine Erwiderung war ebenfalls ein
wenig naturalistisch angehaucht und so wollten wir eben eine ganz
famose Unterhaltung beginnen, welche nur durch das Fluchen
des pintermannes unterbrochen wurde, der sich von dem knurren-
den Fleischerhund zu befreien suchte, indem er ihn bei seinem
kurzen, zu diesem Zwecke sehr geeigneten Schwänze zog, als sich
der Wachmann näherte, der mir schon früher seine ehrenvolle
Aufmerksamkeit geschenkt hatte. — Mit verständnisinnigem
Lächeln ließ er sich den Pergang der Sache schildern, erkundigte
sich dann teilnehmend um meinen Namen, meine Adresse, Ge-
burtsort, Tag und Jahr, welche
interessanten Daten er, dem
Forschungstriebe der Nachwelt
entgegenkommend, in seinem
Notizbuch verewigte. Dann
konfiszierte er das corpus cke-
licti, den Patent-Feldstuhl, be-
freite in liebenswürdiger Weise
den andern von dem bissigen
Köter, nahm auch dieses Fak-
tum zu Protokoll und die Pro-
zedur war zu Ende. —
Ich durchbrach eilends den
Kreis von Neugierigen, der
sich trotz des Regens, um den
Schauplatz der Ereignisse ge-
sammelt hatte und trabte heim-
wärts. —
Jetzt erwarte ich stündlich eine freundliche Einladung
seitens der hochwohllöblichen Polizei um mich vielleicht wegen
versuchten Todschlages zu verantworten.
Lin zweites Exemplar des Patent-Feldstuhles habe ich mir
aber nicht mehr angeschafft. —
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstraste 6.