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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 28.1897 (Nr. 314-326)

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Nr. 324
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https://doi.org/10.11588/diglit.28504#0120
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BI e g g e n d o r fer s Humoristische Blätter.


Der diensteifrige Polack rannte — in der einen pand einen
Stiefel, in der andern eine Wichsbürste — mit dröhnendem Ge-
polter die Treppe hinab, alle Thüren sperrangelweit hinter sich
anstossend, so daß sein perr sich vor der hereinströmenden Winter-
kälte fluchend unter das Deckbett verkriechen mußte, um nicht
zu der Influenza noch Zahnreißen zu kriegen. Glücklicherweise
hatte es Rungert nicht zu eilig gehabt und wurde bald einge-
holt. Als er mit Kupitschka wieder das Krankenzimmmer be-
trat, warf Reitzenstein zunächst dem letzteren des Thürauflassens
wegen einige Koseworts an den Kopf und sagte dann zu dein
Freunde: „Zinken, die Adressei" „Ja sol" Rungert schlug sich
vor den Kopf, „daran hätte ich auch denken können!" „Also an
Fräulein Margarete Radnitzki bei perrn Kommerzienrat
Radnitzki, pirschberg, Schlesien, Bahnhofstraße 2 . . soll ich
es Dir nicht lieber aufschreiben?" —
„Ach, Unsinn, behaltß^mir das schon so,
wäre ja auch kein Unglück wenn ich die
Pausnummer ver¬
gessen sollte, die
Postschweden in
solchem Nest wis¬
sen schon, wo so
ein Fabrikbesitzer
wohnt."
Na denn,
adieu, hoffentlich
haben wir^ nicht
noch was vergessenI"
Lin kurzer pändedruck, dann
rasselte Zinken wieder die kleine
Treppe hinunter. Auf der Straße
kam ihm gerade eine Anzahl Ka-
vallerieoffiziere lachend und sporen-
klirrend entgegen. Liner von
ihnen blieb stehen, als Rungert
grüßend vorüber gehen wollte und
rief: „Zum Peuker, ist das nicht
mein teurer Vetter?"
„Felix, Du hier? WelcheLaune
des Schicksals trieb Dich in unsere Hauptstadt?"
„Bin mit einigen Kameraden auf einen Tag Urlaub hier-
hergckommen. wollen uns wieder mal Breslau besehen, weißt
Du, unsere Garnison ist doch das reinste pundeloch!" sagte der
junge Dragoner. „Deine Litern lassen Dich übrigens grüßen,
hätte Dich nämlich nachher aufgesucht, wenn Du mir nicht in
die Arme gerannt wärest, war vor acht Tagen bei ihnen, hab'
ja nicht weit zu Eurem Gut. pör mal, Deine kleine Schwester
ist aber ein reizender Käser geworden, alle Achtung; dabei frisch,
keck, einfach zum küssen l"
Rungert war lange nicht mehr daheim gewesen, er freute
sich durch den Vetter nähere Nachrichten über die Seinen zu be-
kommen, hatte nach diesem und jenen: zu fragen und forderte
zuletzt denselben auf, sein Gast zu sein. Da die anderen (Offiziere
allein weiter gegangen waren, nahm der junge Kamerad die
Einladung sofort an, Rungert nahm ihn mit sich und vergessen
war Freund und Auftrag.
Als er am anderen Tage frühzeitig sich anschickte in den
Dienst zu gehen, fielen ihn: plötzlich seine Unterlassungssünden
ein. Rasch rief er seinen Burschen, der im Gegensatz zu dein
biederen Kupitschka ein geweckter Kopf war, prägte ihm Adresse,
Preis und Schleife ein und schickte ihn in das Blumengeschäft.
Innerlich faßte er den Entschluß, Reitzenstein die Verzögerung

zu verschweigen, während sein perr in: Dienste seine Pflicht
erfüllte, ging der Bursche in den ihm bezeichneten Laden und
erfüllte prompt den Befehl, den er empfangen. Die Verkäuferin
fragte, ob der perr Lieutenant eine Karte beizulegen wünschten,
„palt, das hat er vergessenI" dachte der dienstbare Geist, welcher
von der eigentlichen Sachlage nichts ahnen konnte. „Ich will
nur rasch zu paus laufen und eine Karte holen!" Gesagt, ge-
than; er holte eine von den Visitenkarten seines perrn, steckte
sie säuberlich in ein Louvert und übergab dies der Verkäuferin.
In der etwas außerhalb der Stadt Pirschberg gelegenen
hübschen Villa des Kommerzienrats Radnitzki, welcher Besitzer
einer größeren Maschinenfabrik war, hatte auch die tückische
Influenza, die weder die blühende Jugend noch
das gebrechliche Alter verschont, ihren Einzug
gehalten. In einem kleinen^, mit origineller
Eleganz ausge-
statteten Zimmer
lag auf einen:
Divan eine junge
Dame, augen-
scheinlich in recht
schlechter Laune.
„Daß nur das
auch noch passie-
ren mußte und
gerade heute an
meinem Ge-
burtstag, es ist
abscheulich I" Sie
zerpflückte zornig
ein paar unschul-
dige Roseublät-
ter, die von dein
daneben stehen-
den Geburts-
tagstische auf ihr Kissen herabgefallen waren.
Line andere junge Dame machte sich unter den:
Stoß von Karten und Briefen zu schaffen. „Aus Breslau ist
ja nichts dabeil" sagte sie dann kopfschüttelnd, „oder hat er
Dir vielleicht Blumen geschickt?"
„Nein, aber ich glaube — ich vermute — es ist wohl nicht
unmöglich, daß er selber kommt I" war die von einen: Erröten
begleitete Antwort und ein poffnungsstrahl blitzte in den dunk-
len Augen auf. Ach, wenn ich nur nicht krank wäre und mich
gar so elend fühlte. GH, mein armer Kopfl" Sie drückte die
pände auf die schmerzenden Schläfen und lehnte den Kopf in
die Kissen zurück.
" (Schluß folgt).

Spruch.
wohl-geboren wiegt nicht schwer,
wohl-erzogen sagt schon mehr,
wohl-verheiratet ist viel,
wohl-gestorben heißt: an: Ziel!
Das schöne Rindvieh.
Stadtfrä ulein: . „paben Sie zu paus auch recht schönes
Rindvieh?"
Bauer: „Des will ich meinen — neidisch würd'« gnä'
Fräulein auf die viecherln werden!"


Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Estlingen bei Muttga:t.
Geschäftsstelle in München: Schnbertstrnste 6.
 
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