Mcggendorfers Humoristische Blätter.
Der Bußtag.
ls eine der freundlichsten Gasen in der ehelichen Wüste
seines Daseins, wie sich Sekretär Schüssel in seiner
blumenreichen Sprache auszudrücken pflegte, war ihm von
jeher der jeden Frühling und perbst eintretende große Bureau-
putztag erschienen; denn so fürchterlich ein putz- und Stöbertag
zu Pause ist, wo man dann seine bequeme Sophaecke von einer
Wasserflut umstarrt, jeden Gegenstand von dem gewohnten Platz
gerückt, kurz das Unterste obenauf gekehrt findet, ebenso hold-
selig und willkommen, seit langem ersehnt und mit Freuden
begrüßt ist der Putztag im Bureau, an welchem sämtliche Lokali-
täten geschlossen find und den Fegegeistern überlassen bleiben,
indessen sich das Personal vom würdigen Chef bis herunter
zum dürrsten Schreiber der Wonne ungezügelter Freiheit ganz
und voll hingibt.
Während der neun Jahre seiner Che war es nun dem
Sekretär Schüssel noch immer gelungen, mit Pilse seiner außer-
ordentlichen Schlauheit und Findigkeit diesen Putztag für sich
zu retten, d. h. ohne seine Gattin, gewissermaßen als Eintags-
witwer verleben zu können. Und wie zu verlebenl Seine süße-
sten Erinnerungen waren mit diesen Tagen verknüpft, an
welchen er jedesmal unter dem Borwand, mittags
wegen einer auswärtigen Kommission nicht heim
kommen zu können, einen kleinen Ausflug da- oder
dorthin unternommen und sich in fremder Gegend
unter fremden Menschen — ein unwillkürliches Lä-
cheln verklärte seine Züge, wenn er daran dachte
— ohne Ehering und Ehehälfte als freier Mann
fühlte und gerierte.
Diese Putztagwoche war denn wieder einmal
näher gerückt und der perr Sekretär ging daran,
in der umsichtigsten weise seine Vorbereitungen zu
dem auch diesmal geplanten heimlichen Ausflug zu
treffen. Und dies fing er ungeheuer schlau anl
In der nächsten Zeit begann nämlich ein ge-
wisser Andreas Meier, Einödbauer in der Nähe des
Gebirgsdorfes L, bei den Nachtisch-Gesprächen der
Familie Schliffe! eine hervorragende Rolle zu spielen.
Es handelte sich da nach der Darlegung des perrn
Sekretärs um die Kostenberechnung in einem abge-
schlossenen Erbschaftsprozeß, welche Berechnung aber
voll kleiner Schwierigkeiten und deshalb so delikater
Natur war, daß sie nicht anders zu einem gedeih-
lichen Ende geführt werden konnte, als wenn man
sich eben in Gottes Namen einmal einen Tag ab-
stahl und zu dem Einödbauern hinausfuhr, um
die Sache mit ihm persönlich durchzugehen und ins
klare zu bringen. Der perr Sekretär stöhnte ver-
drießlich auf, indem er seiner Gemahlin das Un-
angenehme dieses Gegenstandes auseinandersetzte;
aber andererseits, führte er mit gehobenem Tone
aus, sei es Pflicht der Staatsbehörden, auch dem
gewöhnlichen Mann, auch dein Landmann zu zeigen,
daß man auf seine Interessen ein wachsames Auge
habe und, wenn es die Pflicht erfordere, sich sogar
nicht scheue, die unwirtsamste Einöde aufzusuchen,
um den Anforderungen der Gerechtigkeit und Bil-
ligkeit zu genügen. Diese Unwirtsamkeit war es
inbesondere, welche der perr Sekretär nachdrückliä st
betonte, um seiner Gattm, wenn doch etwa in ihrer
anspruchslosen Seele der Wunsch aufsteigen sollte, ihren
Gemahl bei seiner Kommissionsreise zu begleiten,
von vorne herein klar zu machen, daß eine Frau in
ihrer Stellung und von ihren Lebensgewohnheiten
nimmermehr den Strapazen und Entbehrungen gewachsen sei, welche
ihres pflichteifrigen Mannes in jenem entlegenen Lrdenwinkel
warteten und welche er, in treuer Berufserfüllung mannhaft
bestehen würde.
Aber Frau Anna äußerte keinen derartigen Wunsch. Sie
war so voll Vertrauen auf ihren Ehemann, daß sie sich ohne
jeden Einwand in seine Absicht fügte und ihm am Abend vor
seiner eintägigen Reise alles Nötige auf das Sorgsamste bereit
stellte. Auch packte sie ihm in Anbetracht der so oft betonten
Unwirtsamkeit der heimzusuchenden Gegend ein paar Flaschen
wein, ein gebratenes puhn, ein Stück Cervelatwurst, sowie ein
halbes Dutzend hartgesottener Lier in seine pandtasche und
setzte sich dann zu ihm an den Tisch, um ihm verschiedene Ver-
haltungsmaßregeln mit auf den weg zu geben, welche dazu
dienen sollten, sein ihr so teures Leben aus allen Fährnissen
unversehrt wieder in ihre liebende Gbhut zurückzuführen.
Der perr Sekretär ließ sich alle ihre Bemühungen mit einer
stillen Duldermiene gefallen, seufzte nur hin und wieder und
warf seiner Ehehälfte als Vorschuß auf den morgigen rührenden
Abschied einen warmen Blick zu, trank weniger Bier als sonst
und stieg endlich mit der festen Ueberzeugung ins Bett, daß es
I. 'Breis sicher!
Studiosus (in der Ausstellung': ,Ach, wenn man doch den Durst
ausstellen könnte!"
Der Bußtag.
ls eine der freundlichsten Gasen in der ehelichen Wüste
seines Daseins, wie sich Sekretär Schüssel in seiner
blumenreichen Sprache auszudrücken pflegte, war ihm von
jeher der jeden Frühling und perbst eintretende große Bureau-
putztag erschienen; denn so fürchterlich ein putz- und Stöbertag
zu Pause ist, wo man dann seine bequeme Sophaecke von einer
Wasserflut umstarrt, jeden Gegenstand von dem gewohnten Platz
gerückt, kurz das Unterste obenauf gekehrt findet, ebenso hold-
selig und willkommen, seit langem ersehnt und mit Freuden
begrüßt ist der Putztag im Bureau, an welchem sämtliche Lokali-
täten geschlossen find und den Fegegeistern überlassen bleiben,
indessen sich das Personal vom würdigen Chef bis herunter
zum dürrsten Schreiber der Wonne ungezügelter Freiheit ganz
und voll hingibt.
Während der neun Jahre seiner Che war es nun dem
Sekretär Schüssel noch immer gelungen, mit Pilse seiner außer-
ordentlichen Schlauheit und Findigkeit diesen Putztag für sich
zu retten, d. h. ohne seine Gattin, gewissermaßen als Eintags-
witwer verleben zu können. Und wie zu verlebenl Seine süße-
sten Erinnerungen waren mit diesen Tagen verknüpft, an
welchen er jedesmal unter dem Borwand, mittags
wegen einer auswärtigen Kommission nicht heim
kommen zu können, einen kleinen Ausflug da- oder
dorthin unternommen und sich in fremder Gegend
unter fremden Menschen — ein unwillkürliches Lä-
cheln verklärte seine Züge, wenn er daran dachte
— ohne Ehering und Ehehälfte als freier Mann
fühlte und gerierte.
Diese Putztagwoche war denn wieder einmal
näher gerückt und der perr Sekretär ging daran,
in der umsichtigsten weise seine Vorbereitungen zu
dem auch diesmal geplanten heimlichen Ausflug zu
treffen. Und dies fing er ungeheuer schlau anl
In der nächsten Zeit begann nämlich ein ge-
wisser Andreas Meier, Einödbauer in der Nähe des
Gebirgsdorfes L, bei den Nachtisch-Gesprächen der
Familie Schliffe! eine hervorragende Rolle zu spielen.
Es handelte sich da nach der Darlegung des perrn
Sekretärs um die Kostenberechnung in einem abge-
schlossenen Erbschaftsprozeß, welche Berechnung aber
voll kleiner Schwierigkeiten und deshalb so delikater
Natur war, daß sie nicht anders zu einem gedeih-
lichen Ende geführt werden konnte, als wenn man
sich eben in Gottes Namen einmal einen Tag ab-
stahl und zu dem Einödbauern hinausfuhr, um
die Sache mit ihm persönlich durchzugehen und ins
klare zu bringen. Der perr Sekretär stöhnte ver-
drießlich auf, indem er seiner Gemahlin das Un-
angenehme dieses Gegenstandes auseinandersetzte;
aber andererseits, führte er mit gehobenem Tone
aus, sei es Pflicht der Staatsbehörden, auch dem
gewöhnlichen Mann, auch dein Landmann zu zeigen,
daß man auf seine Interessen ein wachsames Auge
habe und, wenn es die Pflicht erfordere, sich sogar
nicht scheue, die unwirtsamste Einöde aufzusuchen,
um den Anforderungen der Gerechtigkeit und Bil-
ligkeit zu genügen. Diese Unwirtsamkeit war es
inbesondere, welche der perr Sekretär nachdrückliä st
betonte, um seiner Gattm, wenn doch etwa in ihrer
anspruchslosen Seele der Wunsch aufsteigen sollte, ihren
Gemahl bei seiner Kommissionsreise zu begleiten,
von vorne herein klar zu machen, daß eine Frau in
ihrer Stellung und von ihren Lebensgewohnheiten
nimmermehr den Strapazen und Entbehrungen gewachsen sei, welche
ihres pflichteifrigen Mannes in jenem entlegenen Lrdenwinkel
warteten und welche er, in treuer Berufserfüllung mannhaft
bestehen würde.
Aber Frau Anna äußerte keinen derartigen Wunsch. Sie
war so voll Vertrauen auf ihren Ehemann, daß sie sich ohne
jeden Einwand in seine Absicht fügte und ihm am Abend vor
seiner eintägigen Reise alles Nötige auf das Sorgsamste bereit
stellte. Auch packte sie ihm in Anbetracht der so oft betonten
Unwirtsamkeit der heimzusuchenden Gegend ein paar Flaschen
wein, ein gebratenes puhn, ein Stück Cervelatwurst, sowie ein
halbes Dutzend hartgesottener Lier in seine pandtasche und
setzte sich dann zu ihm an den Tisch, um ihm verschiedene Ver-
haltungsmaßregeln mit auf den weg zu geben, welche dazu
dienen sollten, sein ihr so teures Leben aus allen Fährnissen
unversehrt wieder in ihre liebende Gbhut zurückzuführen.
Der perr Sekretär ließ sich alle ihre Bemühungen mit einer
stillen Duldermiene gefallen, seufzte nur hin und wieder und
warf seiner Ehehälfte als Vorschuß auf den morgigen rührenden
Abschied einen warmen Blick zu, trank weniger Bier als sonst
und stieg endlich mit der festen Ueberzeugung ins Bett, daß es
I. 'Breis sicher!
Studiosus (in der Ausstellung': ,Ach, wenn man doch den Durst
ausstellen könnte!"