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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Nr. 342
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https://doi.org/10.11588/diglit.28506#0033
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

29

Daher.


Schneider: „Sie wollen also den Rock im Rücken vollständig
ausgestopft haben; aber da sehen Sie ja ganz buckelig drin
ausl"

Runde (Radfahrer): „Das thut nichts; ich will auch in Livil
genau so aussehen, wie wenn ich auf der Maschine sitze."

Der A'uhtag.
nterdessen saßen die beiden Putztagssünder, ohne von dem
heranrollenden Unheil eine Ahnung zu haben, „ungeheuer
vergnügt" in dem freundlichen Gebirgsmarkt M., und zwar
in der Laube des Batzenwirtes, der den besten wein im ganzen
Grte führte. Die Herren hatten schon recht wacker gezecht und
Schliffels Brathuhn war dem in der kräftigen Luft schnell er-
wachenden Appetit der beiden Bureaukraten bereits zum Mpfer
gefallen, als der besonders unternehmungslustige Assessor zum
Aufbruch mahnte und die schmucke Kellnerin herbeirief, um sie
nach einer für den Rest des Tages geeigneten Partie auszu-
forschen.
Er besorgte eben dieses Interview auf das Gründlichste
und hatte dabei seine Rechte zutraulich auf den braunen Arm
der Gebirgsschönen gelegt, als Herr Schliffe! in gleichgültigem
Tone sagte: „Ahal wieder ein Zug angekommenl" Dabei musterte
er die wenigen Landleute, welche die Straße vom Bahnhof her-
aufschritten. Aber im nächsten Augenblick sprang er erblassend
auf und deutete, ohne ein Wort reden zu können, durch eine
Lücke des rötlichen Weinlaubs.

Der Assessor folgte seinem Blick, stieß die Kellnerin
wie seinen Todfeind von sich, schnellte vom Sitz auf und
riß den Freund am Arm mit fort ins Haus, wo er
dem Wirt, der ob ihrer Hast sehr erstaunt war, mit heiserer
Stimme zurief: „Lin Zimmer, ein ganz ungestörtes Ziinmerl"
Als sie eine Minute später in diesem saßen, stöhnte Beer:
„Sie sind'sI G Freund, ich kenne meine Altei Jetzt sind wir
verloren I" dabei schob er den Riegel vor die Thüre.
Schliffe! befand sich im Zustande eines zum Tode verur-
teilten. Sein ganzes Eheglück, das ganze schöne und uner-
schütterliche vertrauen seiner guten Anna zu ihm sah er jäh
in einen fürchterlichen Abgrund versinken und eine ungeheure
Schmach und Vergeltung stieg ihn: daraus empor. G wenn die
Reue Flügel hätte, er hätte in der nächsten Minute schon zu
Hause auf dein Sopha gesessen I
Aber vielleicht — diesen Gedanken faßten sie beide zu-
gleich — hatte man sie noch nicht gesehen und erkannt, vielleicht
war es möglich, unbemerkt zu entwischen und später einen so
schlagenden Alibi-Beweis zu führen, daß die Frauen zerknirscht
ihr Unrecht einsehen und sogar noch Abbitte leisten mußten.
Dieser Gedanke gab ihnen neue Thatkraft. Sie schlichen
an die beiden Fenster ihres Zimmers und suchten hinunterzu-
spähen.
Richtig, da saßen die beiden Frauen schon unten an dem-
selben Tisch, an dein vorhin sie gesessen hatten, und frugen die
Kellnerin, ob nicht heute mit dein ersten Zuge zwei Herren ange-
kommen seien. Aber die schlaue Dirne schien den Sachverhalt
bereits begriffen zu haben und leugnete so tapfer, daß die
beiden oben leise jubelten. Doch kaum war das Mädchen ins
Haus gegangen, um den bestellten wein zu bringen, da ertönte
ein leiser Schrei aus Frau Annas Munde. „Mein Brathuhn!"
stöhnte sie und hielt mit schmerzlichem Triumph das bei der
raschen Flucht von den Herren zurückgelassene Papier, in welches
sie selbst gestern den köstlichen Schatz gehüllt hatte, samt dessen
Ueberresten in die Höhe. „Also doch!"
Der Assessor warf dem Sekretär einen wütenden Blick zu
und Schliffe! sank in einen Stuhl.
verlorenl
von dieser Minute ab harrten die beiden Frauen wie zwei
Racheengel an der Pforte mit einer Ausdauer und einem Appe-
tit, der die Herren oben entsetzte. Denn um ihre stete Anwesen-
heit vor dem Wirt zu rechtfertigen, bestellte bald diese, bald
jene Trank oder Speise, und einmal, als Herr Beer seinen
langen Hals besonders hoch reckte, sah er eben, wie seine Ge-
mahlin mit grimmigem Lächeln das volle Glas zum Munde
führte, wozu sie sprach: „Den einen Trost wenigstens haben
wir: unternehmen können sie nichts I wir halten sie den ganzen
Tag gefangen und abends dann —"
Abends dann!
Das Kommende schien den Männern noch fürchterlicher als
die Gegenwart.
Der Wirt, welcher längst schon die ganze Geschichte begriffen
hatte und natürlich in diesen: Rassenkampf auf Seite der Herren
stand, schlich hie und da an die Thüre und rapportierte. Aber
die Aussichten waren trostlos. Die Lxekutionstruppen wichen und
wankten nicht; ja, ihr scharfer Blick hatte sogar den Aufenthalt
der Sünder bereits entdeckt und ließ ihn nicht mehr aus den
Augen.
Ls wurde Nachmittag — es wurde Abend. Die Abfahrts-
stunde des letzten Zuges nahte heran.
plötzlich — die Herbstnacht lag schon finster über dein
Markte — klopfte der Wirt hastig an die Thüre. „Sie sind fort
— jetzt, meine Herren, geschwind I"
Jeder von den beiden drückte ihm ein reiches Douceur in
die Hand; dann sprangen sie über die Treppe hinunter und
 
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