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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Nr. 346
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https://doi.org/10.11588/diglit.28506#0074
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70

Meggendorsers Humoristische Blätter.


„warum so echauffiert, kleiner Schatz?" —
„Ach, vom Herdfeuer, Arthur, die dumme Kocherei macht
einem so entsetzlich warm."
Arthur reibt sich unter dein Tisch die Hände. wenn sie
geahnt hätte, seine kleine Unschuldige, wo er diesen vormittag
vergnügt verbracht hat! Hoch droben auf dem Stahlroß, Erst-
lingsversuche machend, Schwierigkeiten aller Art bekämpfend,
aber doch innerlich fest entschlossen, seine kleine Hausgenossin
zu hintergehen und heimlich den edlen Sport zu erlernen.
Llly macht inzwischen in der andern Fahrschule auch ganz
niedliche Fortschritte. — Nach vierzehn Tagen ist sie so weit
gekommen, daß sie es kühn wagen darf, auf einem vorläu-
fig allerdings nur entlehnten Rad unter Greti Arnolds sicherem
Schutz einen Sonntagsausflug zu unternehmen. Aber nun gilt
es, Arthur zu beseitigen, Arthur, der auf die wöchentlichen
Sonntagsspaziergänge mit ihr so erpicht ist, wie dies eben nur
ein noch ganz frischgebackener
Ehemann sein kann.
In peinlicher Verlegenheit
sitzt sie ihm am Nittagstisch
gegenüber. Er dagegen sieht
erhitzt, blühend aus. „Lieber
Schatz" beginnt sie und blickt
mit der scheuen Unbeholfenheit
der Erstlingslüge zu Boden, „ich
kann heute Nachmittag unmög¬
lich mit Dir in den englischen
Garten gehen, ich habe eine
ganz entsetzliche MigräneI"
Da zuckt ein triumphfrohes
Lächeln, das sie mit ihren schuld¬
gesenkten Augen nicht sieht, um
seine Lippen, „wenn mein
liebes Weibchen nicht böse ist,
gehe ich dann heute mal in den
Schachklub", srägt er. —
Sie, böse? — Nein, sie ist
ihn: so dankbar, daß sie fast
darüber aus der Rolle gefallen
wäre
Adieu Schatz, gute Unter¬
haltung im SchachklubI"
Adieu, mein Rind, gute,
gute Besserung."
Beim „Flaucher" geht es
lustig zu. — Rad an Rad. —
Da naht in der strahlenden Freude
des Erstlingsausflugs ein junger
Sportsbruder. Mit leuchtenden
Augen jagt er in der Schar
seiner Freunde dahin.
Ellys Gatte ist es.
Gerade als die Kavalkade
der Herrn einfahren will, radeln
von der andern Seite zwei nied¬
liche velocipedistinnen heran.
Die eine in raschem Tempo
voraus, die andere etwas ver¬
schüchtert hinten nach. Bei der
Einfahrt blickt das noch etwas
scheue Dämchen von ihrem
Sitz auf.

„Arthuri" — „Ellyl"
Lin Schrei des Entsetzens aus beider Mund.
Und gnädig verhüllt der Himmel der beiden betrogenen
Betrüger Verlegenheit, indem das junge unroutinierte Haar wie
auf Verabredung in tätlichem Schreck vom Rad purzelt.
war ein ganz nettes Genrebildchen, damals.
So sind Elly und Arthur unter die velocipedisten gegangen.
Bei Flaucher und in der Umgegend könnt ihr sie jetzt an
jedem schönen Tag in friedlicher Vereinigung anfahren sehen.

Das Schicksal.
Das Schicksal ist bald gut, bald schlecht,
Bald sehend und bald blind,
Bald ungerecht und bald gerecht,
Just wie — die Menschen sind.

F. D.


Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in Münch eit, Schuberlstraste 6.
 
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