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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Nr. 350
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https://doi.org/10.11588/diglit.28506#0112
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W9

Schuhe I unö II.


ntcn auf dein Manöverfelde grollten die letzten Geschiitz-
I salven, oben ans der Molkenhöhe die ersten Donner des
heranfziehenden Gewitters.


Hier unten blies es „das Ganze.- halt!" und daraufhin
schwieg der irdische Spektakel. Dort oben war der Kampf erst
im Beginne. Blitz auf Blitz zuckte über das Schlachtfeld, Krach
auf Krach erschütterte die Luft und machte den Boden erzittern.
Und diesem Kampfe konnte kein irdischer Befehl Einhalt thun.
Ls war die Frage: Miirde die Sonne siegen oder diese finsteren
Nebelgestalten, welche da oben wie toll dahinjagten und eine
wahre Sintflut herabsandten? Die Lösung dieser Frage war
für die irdischen Streiter keine Kleinigkeit, Hier hatten heute
zwei Armeekorps gegen einen markierten Gegner gestritten und
morgen sollte der Hauptschlag geschehen und um nur jede Ver-
zögerung zu vermeiden und das Bild so kriegswahr als irgend
möglich zu gestalten, sollte biwakiert werden.
Das mußte natürlich unter sotanen Umständen von hohem
Genüsse sein; die Ackerfurchen waren schon jetzt die reinsten
Marskanälel Oder würde man doch wieder kantonieren?
Angenehmer wäre es jedenfalls; lag man auch zusammenge-
preßt wie Häringe, man hatte doch ein Dach über sich —- denn
mit diesem Gewitter, das merkte jeder, war ein Mitterungs-
umschwung eingetreten, das konnte nun drei Wochen so fort-
regnen. Endlich kamen die Adjutanten von der, nach stattge-
habter Kritik, erfolgten Befehlsausgabe: Es wurde kanto-
niert — nur eine Brigade blieb auf Vorposten, diese mußte
natürlich biwakieren — sie benützt zu ihrer Verköstigung den
„eisernen Bestand", hieß es im Korpsbefehl.
Die Truppen zogen sich zusammen und marschierten ab,
die auf Vorposten befohlene Brigade jedoch setzte sich nach vor-
wärts wieder in Bewegung und trieb die Nachhut des Gegners
vor sich her, um den befohlenen Terrainabschnitt zu erreichen,
dort Stellung zu nehmen und den vorschriftsmäßigen Siche-
rungsdienst durchzuführen. —
Das )fte Infanterieregiment hatte die Ehre in erster Linie
zu stehen. Dessen erstes und zweites Bataillon gaben die Feld-
wachen zu je einer Kompagnie, das dritte Bataillon bezog rück-
wärts Ausnahmestellung. Die erste Kompagnie hatte Feldwache
Nr. z, demnach die rechte Flügelwache bezogen, es galt sür sie
also sich auch nach der Flanke zu schützen, trotz des Kavallerie-
regiments, das da draußen schon zu diesem Zwecke herum-

streifte. Es hieß, besonders bei diesem Wetter, scharf aufpasseu,
denn der Kommandeur der „Markierten" war als außerordent
lich schneidiger Herr bekannt. Bei dem zähen Lehmboden, wie
er sich hier in dein Abschnitte der Kompagnie fand, war der
Dienst also ein ziemlich beschwerlicher.
Hauptmann von Bronnen hatte eben die in unmittelbarer
Fühlung mit dein Gegner stehenden Doppelposten abgeschritten
und sich mit den Anordnungen seines Premiers der sie ausge-
stellt hatte einverstanden erklärt; er hatte Fühlung mit Feld
wache zwei, in der rechten Flanke fand ein ununterbrochener
Patrouillengang statt, einer der beiden Meldereiter, welche zu
seiner Verfügung waren, war mit den vorschriftsmäßigen Mel-
dungen abgegangen, es war alles gethan was für den Augen-
blick zu thun war. Er kehrte also in Begleitung des erwähnten
Premiers, eines Vizefeldwebels der Reserve, den er häufig als
intelligente Ordonnanz gebrauchte, eines Signalisier«, sowie des,
sein Pferd führenden, zweiten Meldereiters wieder nach dein
ehemaligen Steinbruche zurück, in dein er die Feldwache placiert
hatte. Er hatte diesen aber noch nicht erreicht, als ein Ser-
geant auf ihn zutrat und meldete, daß er in unmittelbarer Nähe
einen Ziegeltrockenstadel entdeckt habe, der wohl dazu geeignet
sei, der Kompagnie Unterkunft zu geben.
„Gut, gutl" sagte der Hauptmann, "den wollen wir uns
gleich einmal ansehen, kommen Sie mit Schulze II."
„Eutschuldigen Herr Hauptmann, ich . . ."
„Ach so! Die leidige Geschichte! Sie sind ja Schulze II"
„Herr Hauptmann ..."
„Hab's schon wieder genug; der Kuckuck könnte einen holen
mit Euch zweien!"
Ls war in der That eine „leidige" Geschichte mit diesen
Schulze's I und II. Sie waren einander zum verwechseln ähn-
lich und der Hauptmann, der ohnehin kein besonderes physiognc-
miengedächtnis hatte, besorgte das natürlich tagtäglich, fast stünd-
lich. So tüchtige Soldaten die beiden waren und so ungerne
er deren Dienste vermißt hätte, er war doch schon einigemale
auf dein Sprunge gewesen, einen davon gegen einen Sergeanten
einer anderen Kompagnie einzutauschen — da kam er jedoch
auf den wunderbaren Gedanken, daß Schulze I nur einen Schnurr-,
Schulze II jedoch zu diesem auch noch einen Backenbart tragen
solle. Nun mar aber das Malheur das, daß er gleich darauf
wieder vergaß wer nun nur Schuurr- und wer auch noch Backen-
bart trüge, ob Schulze I, oder Schulze II. Fragen mochte er
selbstverständlich nicht um die Welt mehr und so bestund die
alte Misere fort. Bei einschneidenden Dingen, als da war
die Erteilung eines Arrestes u. s. w. brachte die fürsorgliche
Mutter der Kompagnie die Sache schon ins richtige Geleise, im
übrigen aber hatten Feldwebel, Offiziere und auch die beiden
Schulzes selbst es längst aufgegeben den Komxagniechef darauf
aufmerksam zu machen, welchen Schulze er gerade vor sich habe,
denn da konnte der Vater der Kompagnie — verzeihliche mensch-
liche Schwäche — gleich fuchsteufelswild werden.
Was die Schulzes I und II in ihrem gegenseitigen Ver-
hältnis zu einander betraf, so waren sie sich spinnefeind. Es
war auch ganz erklärlich. Direktes Lob oder direkter Tadel aus
dem Munde des Hauptmanns traf ja fast nie die richtige
Adresse — dann aber ganz sicher nicht, wenn es sich um etwas
ganz besonders handelte — was der freundliche Leser sofort
an einen: Beispiele sehen wird.
„Das ist ganz ausgezeichnet, Schulze II", sagte der Haupt-
mann, der schon längst wieder vergessen hatte, daß Schulze I
vor ihm stund, als sie im erwähnten Stadel angekommen waren.
„Da sind wir wenigstens von oben sicher, denn dieser Bind-
 
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