Bieggendorfers Humoristische Blätter.
fadenregen will, wie es scheint, absolut kein Ende nehmen . . .
Herr Premier fuhren Sie sogleich die Kompagnie hieher. Auf
die Höhe dort, welche wir besetzen werden, sobald der Gegner
einen Vorstoß macht, stellen wir einen Avisoposten, dann ist die
Verbindung zwischen Doppelposten Soutien und Feldwache voll-
kommen! Vizefeldwebel setzen Sie den Herrn Lieutenant auf dein
Soutien draußen von der veränderten Lage der Feldwache in
Kenntnis!"
Der Vizefeldwebel trat seinen Marsch an und der Haupt-
mann bestieg den erwähnten Hügel, um sich nochmals dessen
Besetzung zu überlegen. Lr mußte unwillkürlich lachen, als er
den fast überlangen Vizefeldwebel in seinen Röhrenstiefeln da-
hinstelzen sah und wie er sich dabei von Zeit zu Zeit mit einer
Hand den Magen drückte. Der Hauptmann wußte sich diese
Bewegung wohl zu deuten — der arme Mensch litt an perma-
nentem , unstillbarem Hunger. Sein langer Körper verbrauchte
unglaubliche (Quantitäten von Nahrungsmitteln und diese letz-
teren waren in den jüngsten Tagen bei der großen Menschen-
ansammlung in den kleinen Orten sehr knapp geworden, der
zukünftige Reservelieutenant stand Tantalusqualen aus.
Der Premierlieutenant hatte, als der Hauptmann wieder
beim Stadel eintraf, die Kompagnie schon herangebracht; die
Gesichter der Mannschaften glänzten vor Vergnügen, als sie
dieses brillante Unterkommen sahen. Der Premier, ein Lieute-
nant, welcher noch mitgekommen war und der Feldwebel wiesen
den Zügen ihre Plätze an, ließen die Gewehre zusammensetzen
und Tornister abnehmen und dann konnte sich die Mannschaft
der Ruhe hingeben.
Aber da war von Ruhe keine Rede. Ls ist eine Eigen-
tümlichkeit des deutschen Soldaten, daß er sich, ehe er diese findet,
erst „einrichten" muß und man muß über die Fixig- und Findig-
keit staunen, mit der dies geschieht.
So saßen schon einige, kaum daß „Rührt Luch!" komman-
diert war, unter den Dachsparren und schoben verschiedene Ziegel
zurecht, so daß das Dach wieder gänzliche Dichtigkeit bekam,
andere hatten sich mit Tannenwedel versehen und kehrten den
Boden u. s. f. Die Behaglichkeit erreichte ihren Höhepunkt, als
in einem verschlage des Dachfirstes Stroh gefunden wurde —
es schienen da öfters Arbeiter übernachtet zu haben — welches
der Hauptmann zu benutzen erlaubte, nachdem er dem Feld-
webel aufgetragen hatte die Zahl der Bunde zu notieren, um
sie später, wenn der Besitzer des Stadels eruiert wäre, sie diesem
zu vergüten — es herrschte bald eitel Fröhlichkeit.
Auch der vizefeldwebel war schon zurückgekommen und
hatte Meldung erstattet, die Offiziere lachten als sie seine trüb-
selige Miene sahen, die er dazu machte.
„Na, mal wieder Hunger, von Schröder?" meinte der
Premier, der ihn gerne etwas aufzog „sind eben ein bißchen zu
lang ausgefallen, solche lange Rippenstücke, wie Sie haben,
sind schwer auszufüllen, nicht? Na, da denken Sie sich nun
hier auf das Stroh so 'n recht saftiges Beefsteak mit einein
riesengroßen Setzei darüber, frisches knuspriges Brod und eine
Flasche von unserem TlmteLn-llLfitte aus der Speiseanstalt
dazu, den Sie so gern mögen ... Sie hören doch was ich sage,
Bester?"
Die Offiziere unterhielten sich köstlich. Das Mienenspiel
des langen Vizefeldwebels war aber auch zum kranklachen.
Endlich brachte er heraus: „Herr Premier sind furchtbar
grausam. Ja, ich habe Hunger, entsetzlichen Hunger! Nicht
einmal etwas gefrühstückt habe ich heute ... ich ekle mich
nämlich immer gleich so." Mit einem tiefen Seufzer, der selbst-
verständlich neue Heiterkeit hervorrief, fuhr er fort: „In dein
Bauernhause einer Einöde, in dem ich gestern Nacht mit einem
ganzen Zuge lag, machte sich eine ältere, unendlich schmierige
Dame schon des Abends, als wir unser gefaßtes Fleisch mit
Kartoffeln kochten, breit. So oft ich sie vom Herde weisen
ließ, ebenso oft war sie wieder da! Da mußte ich zu
allem Unstern noch von einen: Kameraden angerufen werden
und ich fuhr mit den: Kopfe durchs Fenster — er konnte ja
vielleicht noch Mundvorrat haben, wie wir so beisammen
stehn, höre ich ihn plötzlich „pfui Teufel!" rufen. Mas war's?
Dieses fürchterliche Weib stand da mit einem Stück Brot und
tunkte abwechselnd damit in die verschiedenen Töpfe! Und da-
bei biß sie natürlich Stück um Stück abl Nicht einen einzigen
Topf hatte sie verschont. Ich kann nicht sagen, wie entsetzlich
übel nur wurde, aus diesen Töpfen hätte ich keinen Bissen
hinnntergebracht! Mein Freund hatte Mitleid mit mir — der
Einjährige Lrmler war's — er sagte mir, ich solle ihn: meinen
Putzer in sein eine halbe Stunde entferntes Ouartier schicken,
er habe noch ein Stück Salami, das wolle er mir gerne über-
lassen, mit weiteren: könne er mir nicht dienen, denn menagiert
hätten sie schon und zu bekommen sei weit und breit nichts.
Nach langen: Harren kam mein Putzer endlich zurück. Er
schien irgendwo eine Fuselquelle entdeckt zu haben, denn sein
Gang war sehr unsicher und sein Gedächtnis hatte sehr ge-
litten. Auf meine Frage nach der Salami grinste er nur immer
und erst als ihn derbes Schütteln wieder etwas mehr der Wirk-
lichkeit näherte, griff er in seinen Brotbeutel. Er fand nicht
gleich was er suchte, daher stülpte er ihn einfach um. Ich ge-
traue mir nicht zu beschreiben, was da alles zum Vorschein kau:.
Tabaksmulle und Käserinde waren noch die edleren Bestand-
teile ... er hatte aber auch sein Toilettezeug hier unterge-
bracht. Den ganzen Wust durchfurchten und durchkneteten seine
Hände so lange, bis er nur mit einen: Blicke des Triumphes
ein kleines, schmieriges Etwas entgegenhielt — die Salami.
Lrmler hatte von „ca. dreißig Lentimeter" gesprochen und hier-
sah ich „ca. fünf" und in welchem Zustandei Ich warf ihn:
das Ding an seinen dicken Kopf, lief einigemale um die trost-
lose Einöde, trank was ich noch an Lognak hatte, aß eine
Brotrinde dazu und legte mich daun in meinen: Winkel aus
das Stroh, meine einzige Hoffnung auf den Kaffee richtend,
den wir morgens trinken würden und zu dein wir ganz vor-
treffliche Bohnen gefaßt hatten." (Schluß folgt).
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstratze 6.
fadenregen will, wie es scheint, absolut kein Ende nehmen . . .
Herr Premier fuhren Sie sogleich die Kompagnie hieher. Auf
die Höhe dort, welche wir besetzen werden, sobald der Gegner
einen Vorstoß macht, stellen wir einen Avisoposten, dann ist die
Verbindung zwischen Doppelposten Soutien und Feldwache voll-
kommen! Vizefeldwebel setzen Sie den Herrn Lieutenant auf dein
Soutien draußen von der veränderten Lage der Feldwache in
Kenntnis!"
Der Vizefeldwebel trat seinen Marsch an und der Haupt-
mann bestieg den erwähnten Hügel, um sich nochmals dessen
Besetzung zu überlegen. Lr mußte unwillkürlich lachen, als er
den fast überlangen Vizefeldwebel in seinen Röhrenstiefeln da-
hinstelzen sah und wie er sich dabei von Zeit zu Zeit mit einer
Hand den Magen drückte. Der Hauptmann wußte sich diese
Bewegung wohl zu deuten — der arme Mensch litt an perma-
nentem , unstillbarem Hunger. Sein langer Körper verbrauchte
unglaubliche (Quantitäten von Nahrungsmitteln und diese letz-
teren waren in den jüngsten Tagen bei der großen Menschen-
ansammlung in den kleinen Orten sehr knapp geworden, der
zukünftige Reservelieutenant stand Tantalusqualen aus.
Der Premierlieutenant hatte, als der Hauptmann wieder
beim Stadel eintraf, die Kompagnie schon herangebracht; die
Gesichter der Mannschaften glänzten vor Vergnügen, als sie
dieses brillante Unterkommen sahen. Der Premier, ein Lieute-
nant, welcher noch mitgekommen war und der Feldwebel wiesen
den Zügen ihre Plätze an, ließen die Gewehre zusammensetzen
und Tornister abnehmen und dann konnte sich die Mannschaft
der Ruhe hingeben.
Aber da war von Ruhe keine Rede. Ls ist eine Eigen-
tümlichkeit des deutschen Soldaten, daß er sich, ehe er diese findet,
erst „einrichten" muß und man muß über die Fixig- und Findig-
keit staunen, mit der dies geschieht.
So saßen schon einige, kaum daß „Rührt Luch!" komman-
diert war, unter den Dachsparren und schoben verschiedene Ziegel
zurecht, so daß das Dach wieder gänzliche Dichtigkeit bekam,
andere hatten sich mit Tannenwedel versehen und kehrten den
Boden u. s. f. Die Behaglichkeit erreichte ihren Höhepunkt, als
in einem verschlage des Dachfirstes Stroh gefunden wurde —
es schienen da öfters Arbeiter übernachtet zu haben — welches
der Hauptmann zu benutzen erlaubte, nachdem er dem Feld-
webel aufgetragen hatte die Zahl der Bunde zu notieren, um
sie später, wenn der Besitzer des Stadels eruiert wäre, sie diesem
zu vergüten — es herrschte bald eitel Fröhlichkeit.
Auch der vizefeldwebel war schon zurückgekommen und
hatte Meldung erstattet, die Offiziere lachten als sie seine trüb-
selige Miene sahen, die er dazu machte.
„Na, mal wieder Hunger, von Schröder?" meinte der
Premier, der ihn gerne etwas aufzog „sind eben ein bißchen zu
lang ausgefallen, solche lange Rippenstücke, wie Sie haben,
sind schwer auszufüllen, nicht? Na, da denken Sie sich nun
hier auf das Stroh so 'n recht saftiges Beefsteak mit einein
riesengroßen Setzei darüber, frisches knuspriges Brod und eine
Flasche von unserem TlmteLn-llLfitte aus der Speiseanstalt
dazu, den Sie so gern mögen ... Sie hören doch was ich sage,
Bester?"
Die Offiziere unterhielten sich köstlich. Das Mienenspiel
des langen Vizefeldwebels war aber auch zum kranklachen.
Endlich brachte er heraus: „Herr Premier sind furchtbar
grausam. Ja, ich habe Hunger, entsetzlichen Hunger! Nicht
einmal etwas gefrühstückt habe ich heute ... ich ekle mich
nämlich immer gleich so." Mit einem tiefen Seufzer, der selbst-
verständlich neue Heiterkeit hervorrief, fuhr er fort: „In dein
Bauernhause einer Einöde, in dem ich gestern Nacht mit einem
ganzen Zuge lag, machte sich eine ältere, unendlich schmierige
Dame schon des Abends, als wir unser gefaßtes Fleisch mit
Kartoffeln kochten, breit. So oft ich sie vom Herde weisen
ließ, ebenso oft war sie wieder da! Da mußte ich zu
allem Unstern noch von einen: Kameraden angerufen werden
und ich fuhr mit den: Kopfe durchs Fenster — er konnte ja
vielleicht noch Mundvorrat haben, wie wir so beisammen
stehn, höre ich ihn plötzlich „pfui Teufel!" rufen. Mas war's?
Dieses fürchterliche Weib stand da mit einem Stück Brot und
tunkte abwechselnd damit in die verschiedenen Töpfe! Und da-
bei biß sie natürlich Stück um Stück abl Nicht einen einzigen
Topf hatte sie verschont. Ich kann nicht sagen, wie entsetzlich
übel nur wurde, aus diesen Töpfen hätte ich keinen Bissen
hinnntergebracht! Mein Freund hatte Mitleid mit mir — der
Einjährige Lrmler war's — er sagte mir, ich solle ihn: meinen
Putzer in sein eine halbe Stunde entferntes Ouartier schicken,
er habe noch ein Stück Salami, das wolle er mir gerne über-
lassen, mit weiteren: könne er mir nicht dienen, denn menagiert
hätten sie schon und zu bekommen sei weit und breit nichts.
Nach langen: Harren kam mein Putzer endlich zurück. Er
schien irgendwo eine Fuselquelle entdeckt zu haben, denn sein
Gang war sehr unsicher und sein Gedächtnis hatte sehr ge-
litten. Auf meine Frage nach der Salami grinste er nur immer
und erst als ihn derbes Schütteln wieder etwas mehr der Wirk-
lichkeit näherte, griff er in seinen Brotbeutel. Er fand nicht
gleich was er suchte, daher stülpte er ihn einfach um. Ich ge-
traue mir nicht zu beschreiben, was da alles zum Vorschein kau:.
Tabaksmulle und Käserinde waren noch die edleren Bestand-
teile ... er hatte aber auch sein Toilettezeug hier unterge-
bracht. Den ganzen Wust durchfurchten und durchkneteten seine
Hände so lange, bis er nur mit einen: Blicke des Triumphes
ein kleines, schmieriges Etwas entgegenhielt — die Salami.
Lrmler hatte von „ca. dreißig Lentimeter" gesprochen und hier-
sah ich „ca. fünf" und in welchem Zustandei Ich warf ihn:
das Ding an seinen dicken Kopf, lief einigemale um die trost-
lose Einöde, trank was ich noch an Lognak hatte, aß eine
Brotrinde dazu und legte mich daun in meinen: Winkel aus
das Stroh, meine einzige Hoffnung auf den Kaffee richtend,
den wir morgens trinken würden und zu dein wir ganz vor-
treffliche Bohnen gefaßt hatten." (Schluß folgt).
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstratze 6.