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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Meggendorfers Humoristische Blätter.

U9


mar sie da und diese schwebte schnüffelnd über unserem Kaffee
— ach! und an deren Spitze balancierte ...... wie gesagt, ich
brüllte gerade hinaus und da geschah das Entsetzliche: sie fuhr
zusammen und . . . im nächsten Augenblicke war der Kaffee
für mich wertlos geworden." Von Schröder hatte außerordent-
lich lebendig geschildert; sein Auditorium war aber auch ganz
hingerissen, die Taschentücher kamen gar nicht mehr von den
Augen — um die Lachthränen zu trocknen natürlich.
„Na", tröstete der sonst so ernste Hauptmann, „nun will
ich Ihnen aber etwas Freudiges verkünden — wir werden jetzt
sofort abkochenl wir haben ja den eisernen Bestand und der
Rauch wird durch den Regen so niedergedrückt, daß er unseren
Standtxunkt dem Gegner nicht verraten kann. Sie haben doch
Ihren eisernen Bestand ebenfalls noch, Vizefeldwebel?"
„Zu Befehl Herr Hauptmann, aber auch der ist für mich
ungenießbar geworden ... er befindet sich in dein schauder-
haften Brotbeutel meines Putzers ... I"
„Dann geschieht Ihnen ganz recht, wenn Sie hungern —
in Ihrem Tornister wäre Platz genug dafür gewesen!" meinte
trocken der Hauptmann, um dann seine Augen über die Mann-
schaft hinschweifen zu lassen. Als er glaubte entdeckt zu haben,
was er suchte, rief er: „He Sergeant Schulze I! Ich denke Sie
werden in der Nähe einen Platz finden, an dem man abkochen
kann; da kommen Sie übrigens näher heran und rauchen Sie
diese Ligarren, das mit dem Stadel hier haben Sie famos
gemacht I"


„Herr Hauptmann entschuldigen, ich ... "
Der Hauptmann winkte Schulze eilig zum abtreten — sollte
er die beiden schon wieder verwechselt haben?"
Ja, es war wieder der Fall!
Der richtige Stadelschulze und leidenschaftliche Raucher stand
hinter einigen Soldaten gedeckt und sah mit Wut im Herzen
wie der falsche Schulze, der für gewöhnlich gar nicht rauchte,
sondern eine ausgesprochene Schwäche für gebrannte Gewässer
hatte, sich mit Vstentation eine von den brillant aussehenden
Ligarren ansteckte und dann mit vielsagenden Blicken an ihm
vorüberdampfte . . , „o daß dich der . . . "
Es war ja richtig, der Kerl hatte sich auch verdient ge-
macht. Wie er den Mffizierswinkel zum Kasino umgestaltet
hatte, das machte ihm so leicht keiner nach — aber zum tot-
ärgern war's doch, daß er die guten Ligarren bekam, wo ein
anderer ehrlicher Lhristenmensch und Sergeant schon den dritten
Tag am Finger lutschte, weil kein Tabak zu bekommen war!
Aus dieser schmerzlichen Betrachtung riß ihn die Stimme seines
Komxagniechefs: „Sergeant Schulze II!" er hätte natürlich, unter
normalen Verhältnissen, dem Rufe nicht zu folgen gebraucht,
denn er war ja Schulze I, aber der Hauptmann hatte ihn an-
gesehen und jetzt winkte er ihm sogar, er trat also heran.

„Schulze III Dem Verdienste seine Kronei Sie haben uns
da ein reizendes Winkelchen zurecht gemacht ... da, nehmen
Sie diese halbe Flasche Lognak, ich weiß, Sie haben eine kleine
Schwäche für das Zeug."
„Herr Hauptmann entschuldigen . . ."
Der Kompagniechef stutzte, dann winkte er, wie vorhin,
eilig ab: „Ach was, da nehmen Sie nur, thut gut bei dem
Wetter!"

Schulze I, der Stadelschulze, nahm also die Flasche. So sehr
ihn vorhin die Verwechslung geärgert hatte, so sehr freute sie
ihn jetzt. Den Kasinoschulze und Schnapsier wollte er jetzt aber
einmal gründlich verulken; die Zunge sollte ihm aus dein Munde

heraushängen vor Gelüsten! Er
schlenderte daher hinaus zu dem
feindlichen Namensbruder, dahin,
wo dieser mit dem Kochkommando
beschäftigt war eine tüchtige Erbs-
wurstsuppe zu kochen — je einen
Feldkessel für zwei Mann. Schulze II
war in der That auf das Äußerste
betroffen, als er die Flasche nut
dem köstlichen Tropfen in Händen
von Schulze I erblickte und das
Wasser lief ihm sofort im Munde
zusammen. In Hellen Zorn geriet
er jedoch, als ihm jener zuraunie,
indem er den Pfropfen abnahm, ein
Auge zukniff und die Stimme des



Hauptmanns sehr geschickt nachahmte: „Schulze II! dein Verdienste
seine Krone! Sie haben uns da ein reizendes Winkelchen zurecht
gemacht ... da, nehmen Sie diese halbe Flasche Lognak, ich weiß
Sie haben eine kleine Schwäche für das Zeug."

während Schulze I mit scheinbar größtem Behagen die
Flasche an den Mund setzte und daran sog, verbiß Schulze II
seine Wut auf seinem Ligarrenstuinmel, dein er kolossale Wolken
entlockte; schließlich zuckte er die Achseln und wandte sich mit
erneutem Eifer dein Kochgeschäfte zu. Inzwischen war der
abgeschickte Meldereiter zurückgekommen und hatte dem Haupt-
mann Bericht erstattet. Demnach herrschten bei dem dritten
Bataillon sowohl — dieses lag zusamt dein Regimentsstabe
auf einem Kartoffelacker — als auch beim Gros der Vorposten
nichts weniger als angenehme Zustände.
„Na sehen Sie," sagte der Premier zum Vizefeldwebel, „und
da machen Sie noch ein Gesicht wegen des bißchen Hungers;
seien Sie froh, daß Sie wenigstens trocken liegen und nehmen
Sie sich ein Beispiel an Ihren Vorgesetzten, welche mit Grazie
zu leiden wissenI"
„Gewiß Herr Premierlieutenant, aber es ist mir vor lauter
Hunger schon furchtbar übel."

„Nun, wenn es gar so arg ist, dann will ich Ihnen etwas
sagen: machen Sie einen Spaziergang an die Kochstelle, sehen
Sie nach, ob alles in Ordnung vor sich geht und bei dieser Ge-
legenheit können Sie dann vorzügliche Erbsensuppe — —
riechen." Der Vizefeldwebel ging.

Schulze I hatte während dessen, um seinem lieben Mit-
bruder in der Kompagnie möglichst viele „Freude" zu bereiten,
den Lognak unter enthusiastischen Ausrufen auf dessen Güte,
langsam ausgepichelt und Schulze II hatte sich dadurch revanchiert,
daß er die geschenkten Ligarren als die besten pries, welche noch
je gedreht worden seien und dazu hatte er geraucht wie noch-
mal ein Fabrikschornstein. Die beiden verspürten auch schon
ganz deutlich die Wirkung der ungewohnten Genüsse. Schulze II
trat der Angstschweiß auf die eiskalte Stirne und Schulze I stierte
 
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