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Ifleggendorfers humoristische ölätter.
mit einem außerordentlich albernen Lächeln auf den Boden vor
sich hin. plötzlich erschrak der letztere. Er hatte gehört, daß
übermäßiger Alkoholgenuß dazu führen könne überall Mäuse
auf dem Boden zu erblicken und dieser Fall war bei ihm ein-
getreten I Oder sollten es doch leibhaftige Mäuse sein, die da
um ihn herumhuschten — Feldmäuse? Das mußte sogleich
untersucht werdenl Er bückte sich etwas mühsam, griff rasch zu
— und hatte in der That eine Feldmaus in der Hand.
Da erschien der Herr Reservevizefeldwebel auf der Bild-
fläche. Seine Nüstern erweiterten sich fast übernatürlich, als
ihm der Luftzug den delikaten Geruch der Erbsensuppe znführle.
Eifrig schnüffelnd besah er sich den brodelnden Inhalt der
Ressel. Als letzter stand, etwas isoliert, derjenige des Ser-
geanten Schulze II; er enthielt das Mahl für ihn und seinen
Putzer. Jedenfalls war da wieder ein außergewöhnlicher Bissen
darinnen — vermutlich von irgend einer zarten Dorfschönheit
gespendet, denn auf dein Felde weiblicher Eroberungen war er
gut. Als der Vizefeldwebel an diesen kam, schien er fast über-
wältigt von dem Dufte zu werden. In höchster Aufregung
nahm er Schulze II bei einem von dessen nassen Rockknöpfen
und zog den blassen Mann zur Seite, um eifrig auf ihn einzu-
sprechen.
Schulze I hatte der viele Alkohol in eine ganz eigentümliche
Stimmung versetzt. schm schwebten alle die Bosheiten, die ihm
sein Namensvetter schon angethan, auf einmal in grellster Be-
leuchtung vor dem „geistigen" Auge. Er schloß seine Hand,
in der er noch immer die Maus hatte, fester, vorsichtig, um
sich lugend, ob er auch nicht beobachtet würde, schlich er, wie der
Indianer auf dem Rriegspfade gegen die Hütte des Ansiedlers,
an den Feldkessel von Schulze II heran. Der Augenblick war
ihm günstig, niemand beobachtete ihn. „warte", murmelten
dabei seine Lippen, „du elender Schürzenjäger, ich werde dir
deinen extrafeinen Bissen versalzen — da, wohl bekommst"
— Mit teuflischem Grinsen hatte er die Maus in den Ressel
gesteckt. — Die Verhandlungen zwischen dem Vizefeldwebel und
Schulze II schienen zu einem, den ersteren befriedigenden Resul-
tate gelangt zu sein. In dem Augenblicke als Schulze I an
ihnen vorüberging, um von dein Schauplatze seiner schwarzen
That zu verschwinden, hörte er den Vorgesetzten sagen: „Also
für Sie zwei Flaschen besten alten Rorn, sobald er zu haben ist
und hier diese Mark für Ihren Putzer, dann ist der Inhalt
Ihres Feldkessels mein!"
Schulze I erschrack. Saperlott, da bekam ja der „Vize" die
Mäusemenagel Das durfte nicht sein, der war immer nobel
gegen ihn gewesen — und dann die Folgen? Sofort machte
er sich an ihn heran und gestand ihm die ganze Geschichte.
Der Vizefeldwebel wollte den Ressel nicht lassen. „Aber das
ist ja eine HeidenschweinereiI" bog er sich vor Jammer, „um-
bringen könnte ich Sie Scheusal . . . aber ich kann's nicht
glauben I"
Mittlerweile hatte sich auch die Mannschaft zum Essen nieder-
gelassen und eben brachte der Putzer den Ressel von Schulze I.
Er nahm ihn und hielt ihm dem Entrüsteten hin: „Bitte
nehmen Sie diesen Ressel als Entschädigung, Herr Vizefeld-
webel und vergeben Sie mir den leichtsinnigen Streich — es
war ja nicht auf Sie abgezielt . . . bitte erlauben Siel" Bei
den letzten Worten nahm er den Ressel aus des Vorgesetzten
Hand und dieser überließ ihm in momentaner Willenlosigkeit,
das Gefäß. Als Schulze I den Ressel nmgestürzt hatte, bestätigte
sich seine Angabe, die Maus war da.
Der Vize schauderte, aber er unterdrückte gewaltsam das
aufsteigende Unbehagen — und machte sich über den Ressel von
Schulze I her. Endlich etwas zu essen! Er war ganz verliest
in seine Beschäftigung, welcher Genuß! Er sah und hörte nicht.
Deshalb konnte er auch nicht bemerken, daß sich ein ganzer
Zuschauerkreis um ihn gebildet hatte. Der Premier genoß
Wonnen in seinem Anblick. Es ging dem Ressel schon auf den
Grund. Immer rinn mit den: Löffel, denn da schien nun sogar
Fleisch zu kommen. Schwupxdich, da hatte er es schon.
was war das?? Seine Augen wollten aus den Höhlen treten
. . . innerlich und äußerlich drehte sich ihm alles herum — da
war ja ebenfalls eine Maus II Der Vizefeldwebel bekam eine
ganz spitze Nase im kreideweißen Antlitz und dann.
Im nächsten Augenblick machte ein homerisches Gelächter
den alten Stadel in seinen Grundfesten erbeben — und im
übernächsten ertönte lebhaftes Schießen von der vorposten-
chaine her.
„An die Gewehrei" „AngetretenI" „Das Gewehr über!"
„Mit Zügen rechts brecht ab l" „Bataillon soll —ge¬
laden I" „Laufschritt — marsch, marsch I" Trotz des Ernstes
des Momentes wollte das versteckte Lachen der Rompagnie nicht
enden, denn der Vizefeldwebel „schwebte" wie ein Geist vor
seinem Zuge her. — Der Gegner hatte einen Rekognoszierungs-
vorstoß gemacht, er wurde aber prompt heimgeschickt.
Nach dem Rummel in der Vorpostenkette wimmelte es dort
natürlich von Vorgesetzten.
Selbstverständlich war der Oberst der erste gewesen, der er-
schienen war und er brachte eine brillante Nachricht mit: seine
Fürsorge hatte aus den für die Offiziere mitgenommenen Vor-
räten aus der Speiseanstalt ein Mahl — trotz der schwierigen
Umstände — kochen lassen, welches nun schon auf dem Wege
zu den Feldwachen sein müsse. Nun und bei dieser Gelegen-
heit zeigte sich dann auch das gute Herz des Premiers: als der
Vizefeldwebel als abgelöst wieder in den Stadel zurückkehrte
fand er, wenn auch spät, nun wirklich ein GöttermahU — —
Wo die zweite Feldmaus Herkain? Nun, die hatte Schulze II
genau in dein Moment in den Feldkessel von Schulze I gesteckt,
als dieser den letzten Zug aus der Eognakflasche machte!
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstraste 6.
Ifleggendorfers humoristische ölätter.
mit einem außerordentlich albernen Lächeln auf den Boden vor
sich hin. plötzlich erschrak der letztere. Er hatte gehört, daß
übermäßiger Alkoholgenuß dazu führen könne überall Mäuse
auf dem Boden zu erblicken und dieser Fall war bei ihm ein-
getreten I Oder sollten es doch leibhaftige Mäuse sein, die da
um ihn herumhuschten — Feldmäuse? Das mußte sogleich
untersucht werdenl Er bückte sich etwas mühsam, griff rasch zu
— und hatte in der That eine Feldmaus in der Hand.
Da erschien der Herr Reservevizefeldwebel auf der Bild-
fläche. Seine Nüstern erweiterten sich fast übernatürlich, als
ihm der Luftzug den delikaten Geruch der Erbsensuppe znführle.
Eifrig schnüffelnd besah er sich den brodelnden Inhalt der
Ressel. Als letzter stand, etwas isoliert, derjenige des Ser-
geanten Schulze II; er enthielt das Mahl für ihn und seinen
Putzer. Jedenfalls war da wieder ein außergewöhnlicher Bissen
darinnen — vermutlich von irgend einer zarten Dorfschönheit
gespendet, denn auf dein Felde weiblicher Eroberungen war er
gut. Als der Vizefeldwebel an diesen kam, schien er fast über-
wältigt von dem Dufte zu werden. In höchster Aufregung
nahm er Schulze II bei einem von dessen nassen Rockknöpfen
und zog den blassen Mann zur Seite, um eifrig auf ihn einzu-
sprechen.
Schulze I hatte der viele Alkohol in eine ganz eigentümliche
Stimmung versetzt. schm schwebten alle die Bosheiten, die ihm
sein Namensvetter schon angethan, auf einmal in grellster Be-
leuchtung vor dem „geistigen" Auge. Er schloß seine Hand,
in der er noch immer die Maus hatte, fester, vorsichtig, um
sich lugend, ob er auch nicht beobachtet würde, schlich er, wie der
Indianer auf dem Rriegspfade gegen die Hütte des Ansiedlers,
an den Feldkessel von Schulze II heran. Der Augenblick war
ihm günstig, niemand beobachtete ihn. „warte", murmelten
dabei seine Lippen, „du elender Schürzenjäger, ich werde dir
deinen extrafeinen Bissen versalzen — da, wohl bekommst"
— Mit teuflischem Grinsen hatte er die Maus in den Ressel
gesteckt. — Die Verhandlungen zwischen dem Vizefeldwebel und
Schulze II schienen zu einem, den ersteren befriedigenden Resul-
tate gelangt zu sein. In dem Augenblicke als Schulze I an
ihnen vorüberging, um von dein Schauplatze seiner schwarzen
That zu verschwinden, hörte er den Vorgesetzten sagen: „Also
für Sie zwei Flaschen besten alten Rorn, sobald er zu haben ist
und hier diese Mark für Ihren Putzer, dann ist der Inhalt
Ihres Feldkessels mein!"
Schulze I erschrack. Saperlott, da bekam ja der „Vize" die
Mäusemenagel Das durfte nicht sein, der war immer nobel
gegen ihn gewesen — und dann die Folgen? Sofort machte
er sich an ihn heran und gestand ihm die ganze Geschichte.
Der Vizefeldwebel wollte den Ressel nicht lassen. „Aber das
ist ja eine HeidenschweinereiI" bog er sich vor Jammer, „um-
bringen könnte ich Sie Scheusal . . . aber ich kann's nicht
glauben I"
Mittlerweile hatte sich auch die Mannschaft zum Essen nieder-
gelassen und eben brachte der Putzer den Ressel von Schulze I.
Er nahm ihn und hielt ihm dem Entrüsteten hin: „Bitte
nehmen Sie diesen Ressel als Entschädigung, Herr Vizefeld-
webel und vergeben Sie mir den leichtsinnigen Streich — es
war ja nicht auf Sie abgezielt . . . bitte erlauben Siel" Bei
den letzten Worten nahm er den Ressel aus des Vorgesetzten
Hand und dieser überließ ihm in momentaner Willenlosigkeit,
das Gefäß. Als Schulze I den Ressel nmgestürzt hatte, bestätigte
sich seine Angabe, die Maus war da.
Der Vize schauderte, aber er unterdrückte gewaltsam das
aufsteigende Unbehagen — und machte sich über den Ressel von
Schulze I her. Endlich etwas zu essen! Er war ganz verliest
in seine Beschäftigung, welcher Genuß! Er sah und hörte nicht.
Deshalb konnte er auch nicht bemerken, daß sich ein ganzer
Zuschauerkreis um ihn gebildet hatte. Der Premier genoß
Wonnen in seinem Anblick. Es ging dem Ressel schon auf den
Grund. Immer rinn mit den: Löffel, denn da schien nun sogar
Fleisch zu kommen. Schwupxdich, da hatte er es schon.
was war das?? Seine Augen wollten aus den Höhlen treten
. . . innerlich und äußerlich drehte sich ihm alles herum — da
war ja ebenfalls eine Maus II Der Vizefeldwebel bekam eine
ganz spitze Nase im kreideweißen Antlitz und dann.
Im nächsten Augenblick machte ein homerisches Gelächter
den alten Stadel in seinen Grundfesten erbeben — und im
übernächsten ertönte lebhaftes Schießen von der vorposten-
chaine her.
„An die Gewehrei" „AngetretenI" „Das Gewehr über!"
„Mit Zügen rechts brecht ab l" „Bataillon soll —ge¬
laden I" „Laufschritt — marsch, marsch I" Trotz des Ernstes
des Momentes wollte das versteckte Lachen der Rompagnie nicht
enden, denn der Vizefeldwebel „schwebte" wie ein Geist vor
seinem Zuge her. — Der Gegner hatte einen Rekognoszierungs-
vorstoß gemacht, er wurde aber prompt heimgeschickt.
Nach dem Rummel in der Vorpostenkette wimmelte es dort
natürlich von Vorgesetzten.
Selbstverständlich war der Oberst der erste gewesen, der er-
schienen war und er brachte eine brillante Nachricht mit: seine
Fürsorge hatte aus den für die Offiziere mitgenommenen Vor-
räten aus der Speiseanstalt ein Mahl — trotz der schwierigen
Umstände — kochen lassen, welches nun schon auf dem Wege
zu den Feldwachen sein müsse. Nun und bei dieser Gelegen-
heit zeigte sich dann auch das gute Herz des Premiers: als der
Vizefeldwebel als abgelöst wieder in den Stadel zurückkehrte
fand er, wenn auch spät, nun wirklich ein GöttermahU — —
Wo die zweite Feldmaus Herkain? Nun, die hatte Schulze II
genau in dein Moment in den Feldkessel von Schulze I gesteckt,
als dieser den letzten Zug aus der Eognakflasche machte!
Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstraste 6.