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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 30.1897 (Nr. 340-353)

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Nr. 353
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https://doi.org/10.11588/diglit.28506#0143
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

„Du hast recht, Freund, ich danke Dir von Herzen" und dein
Freunde die Hand drückend, verschwand Federkiel.
Ja, jetzt mußte es gelingen. Er staunte, daß er nicht schon
früher auf den naheliegenden Gedanken gekommen war. Ls
war ja allgemein bekannt, daß die herrlichsten Werke unserer
Dichter aus jener Epoche stammten, in der sie bis über die Mhren
verliebt waren.
Und so stürzte er sich in das Gewühle der Bälle, Konzerte,
Theater, stellte sich auf die exponiertesten Punkte, passierte die
gefährlichsten Klippen, in der festen Absicht sein Herz zu verlieren,
koste es, was es wolle.
Lange schien es, als ob sein Bemühen vergeblich wäre, lange
irrte er gleich dem Fliegenden Holländer umher, ohne die ge-
wünschte Erlösung durch ein Weib zu finden.
Doch endlich nahte sie heran in Gestalt eines srbönen, blonden
Kindes, welches er auf dein letzten Balle
kennen gelernt hatte. Sein Schicksal voll¬
zog sich schnell. Er kam, sah und —
wurde besiegt.
Nun war sein Dichterruhm besiegelt,
nun mußte es werden.
Noch halb berauscht vom Anblick
seiner Schönen taumelte er in jener ver-
hängnisvollen Ballnacht nach Hause.
wirre Träume umgaukelten ihn im
Schlafe. Er befand sich in festlicher Toi¬
lette auf dem Marktplatze inmitten einer¬
großen Menschenmenge, die ihm laut zu-
jubelte.
vor ihm stand der Bürgermeister, der
ihn in einer Ansprache beglückwünschte
und ihn den Stolz und die Zierde der
Stadt nannte. Dann drückte er ihm einen
Lorbcerkranz auf die Stirne und geleitete
ihn zu einem von zwei Pagen gehaltenen
geflügelten Rosse, auf welches er sich mit
edlem Anstand hinaufschwang. Doch kaum
oben angelangt, erlebte er etwas Entsetz¬
liches. Die Flügel des edlen Tieres wur¬
den immer kleiner, die Ghren dagegen
immer länger, bis sie jene Länge erreicht
hatten, welche dem ehemaligen Flügelrösse
die unstreitige Ähnlichkeit mit einein wegen
seiner geringen Klugheit sprichwörtlich ge¬
wordenen Tiere gaben. Und unter dein
allgemeinen Gelächter der angesammelten
Menge erwachte unser Dichter, mit dein
unbestimmten Gefühle etwas Unangeneh-
mes geträumt zu haben.
Die Bureau-Arbeit wollte nun nicht
recht von statten, doch was lag ihm, dem
Gottbegnadeten, an der Bureau-Arbeit!
Bald mußten seine gesammelten Werke
in anderen als Kopierbüchern erscheinen.
— So vergingen vierzehn Tage. Unser
Poet hatte seinen Freund schon längere
Zeit nicht gesehen.
„Halt! wohin so eilig?" rief ihn
plötzlich jemand auf der Straße an. Ls
war Korb mann.

(Fortsetzung von Seite 13?.)
„Du bist esl" sagte Federkiel aus seinem Nachdenken auf-
geschreckt „ich bin im Begriffe einen Besuch zu machen."
„wie befindest Du Dich sonst, was macht Deine kranke Muse?"
„Ich danke der Nachfrage, sie befindet sich besser."
„Doch Du selbst" forschte Korbinann weiter. „Du machst
ganz den Eindruck eines verliebten."
„Das bin ich auch Freund" erwiderte Federkiel, „ich habe
Dein Recept befolgt. Ich bin unglücklich verliebt, unglücklicher
als Du vielleicht denkst, denn ich habe mich verlobt. Zum
Dichten habe ich natürlich keine Zeit mehr übrig.

Nenßar.


verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Eßlingen bei Stuttgart.
Geschäftsstelle in München, Schubertstraste 6.
 
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