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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0017
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rNeggendorfers Lf u rn o ri st i s ch e Blätter.

9

Zoologische (Lrklärung.

„Also ineine Lserren, wenn ich das Gesagte zn einoin 5atzo zusaninienziehe,

so ergibt sich solgendes: währcnd
der Uistiti und andere kleine Affen-

arten mcist anf Bäninen vegetieren und
I nachts sich an Aeste anklammern, zieffen

der Nkandriltz Grang-Utang, Schiinpanse
u. s. w. es vor, am Boden zn liegen.

Die Tcinte.

„Ukcin 5ofa?" — schrie der Amtsrichter — „das ist eine
tötliche Belcidignng - "

„Und Tante Ulolty kann ich nicht leidcn — nnd sie schminkt
sich — und —"

„Llse!" Fran Anitsrichters Miene sprach Bände, „sofort hole
das gestickte Bettconvcrt und hilf beiin Ueberziehen — ich koinnie
gleich, die Tnllgardinen anniachen. Rudolf — Du gehst wohl
dann zur Bahn? — in einer Stnnde koinint der Zug."

„Der Tenfel geht zur Bahnl" schnaubte der Anitsrichter.
„Zwei Personen auf vier wochen — das ist genng — das habe
ich mir gefallen lassen — aber drei — das ist für einen
kseiligen zuviel l"

„Zn dein Du ja so bedentende Anlagen hast," höhnte Frau
Lharlotte. —

„Soll ich denn wirklich und wahrhaftig mein Ziininer, inein
süßes, trautestes Ziminer für die ecklige Tante hergeben?"
winselte Llse kläglich.

Frau Lharlottens Finger wies nach der Thüre — diese
Geste von erhabener Unzweideutigkeit war nicht mißzuver-
stehen — die Thüre schloß sich hinter der heulenden Llse.

„Ls ist wirklich eine Frende für mich, ineine einzige Schwe-
ster einnial ein paar wochen bei mir zu haben — das mnß
ich sagen l" bemerkte Lharlotte, nun anch endlich schwer gereizt.
„Rudolf — dcr Sug — habe die Gütel kUollys Geld wirst Du
mal recht gern eutgegcnnohmen. Ich habe jetzt noch eine ganze
Stunde lhetzerei, ehe ich das Zimmer in tvrdnung habe — Du
setzst Dich auf dcn Bahnhof und trinkft xbeliebige Schoppen.
Aber selbst diese Ukühe ist dem liebenden Gatten zu viel l"

„Gehe schonl" knurrte der Amtsrichter und warf die
Thürc hinter sich zu.

Frau Lharlotte stieg seufzend die Treppe hinan —.

„Trinkgeld giebt se ooch nich — nich'n Fennig, die olle,
ecklige Tante" — hörte sie Auguste oben sagen.

LineStunve fieberhafterArbeit. Nun hingen die Tüllgardinen

— der großc Sxiegel xrangte über dem Toilettentisch — die Lhaise-
longue mit dem weißen Fell davor lud zur Ruhe ein. Auf dem
Nachttisch vor dem spitzenbesetzten Bett duftete einStrauß Rosen.

Da fuhr unten der Wagen vor.

Jm nächsten Augenblick lag Frau Lharlotte in den Armen ihrer
Schwester, Llse hing an Vnkels kjals, nur der Amtsrichter stand
abseits und sein Gesicht trug einen sichtlich verblüfften Ausdruck.

Plötzlich besann sich Frau Lharlotte.

„Aber wo steckt denn unsere liebe Tante? — noch im wagen?

— komm doch heraus, meine teure Ukoll'f! Else und mein Ukann
konnten Dich gar nicht erwartenl Romm doch, liebe Tante l — ja,
warum lacht Ihr denn so?"

Lin schallendes Gelächter. Lndlich ermannte sich Mberlehrer
Nküller und stieß, zu Frau Lharlottes höchstem Befremden einen
gellenden pfiff ans.

„Tante! — xal cal — rühr dich — komm schönl So da ist
die Tante." Und ein braun und weiß gefleckter Anäucl, der
bis dahin süß auf dem vordersitz der vroschke geschlummert hatte,

wickcltesich auf,gähnteherzhaft nnd sxrangdannschmänzelndherab.

„!sa—ha—hal" schrie der Bberlehrer — „hat doch Rudols
selbst den ksnnd ,die Tante^ genannt — voriges Iahr — wie
er bci nns war — ha ha hal — ich ersticke noch —."

„weil sie gerade so unausstehlich ist, die eine wie die anderel"
briimmte der Amtsrichter — „und gerade so fleckig."

„Line schöne wirtschaft haben wir von diesem ,Späßcheick
gehabt," sagte Frau Lharlotte mit einem niederschmettcrndcn
Blick auf den schuldbewußten Gatten, „das kommt von Deinen
witzen, wie kann man auch einen lhund ,die Tante' nennenl"
„Na — Gott sei Dank, Ainder — ein Lnde mit Schrecken
ist besser als ein Schrecken ohne Lnde — kommt zum Frühstückl"
seufzte erleichtert der Amtsrichter. — — — — — —
Es ist ein Iahr sxäter und diesmal in Gberlehrer Uküllers
kjaus. Auch hier ist der Aaffeetisch gedeckt und drei Ukenschen
sitzen um ihn herum.

Der braunweiße kjiihnerhund ,die Tante' ist vor knrzem
eines xlötzlichen Todes durch eine Angel gestorben, als sie auf
unberechtigten Iagdgründen einem kjasen nachjagte — dafür
ist die dritte im Bunde heute die richtige ,Tante° — Ukolly
Liebig mit Namen — nnd sie ist wirklich eine außergewähnlich
unangenehme Iungfer. Sie hat salsche Zähne, die ihr zn aller
Schrecken, zuweilen xlötzlich herunterklaxxen, weswegen sie sich
ein süßliches Grinsen angewöhnt hat — anch schminkt sie sich
und schwitzt dann, was ihr ein beängstigend sleckiges Aussehen
verleiht. Außerdem ist sie von einem zwar berechtigten, aber be-
trübenden Nkißtrauen in Beziehung auf die Gefiihle, die andere
für sie hegen — und traut niemand.

Nküllers seufzen bereits sechs wochen unter der Last ihrer
holden Gegenwart und sind an der Grenze menschlicher Lr-
tragenssähigkeit angelangt — da fällt ein rettender Strahl in
die Nacht ihrer verzweiflung. Lin Bries von Amtsrichter
Tillmann ist eingetroffen, der das Lhepaar Uküller dringend
und herzlich zu dem alljährlichen Besuche einladet.

Tillmanns wissen nämlich nicht, daß Tante Ukolly bei
Nküllers weilt.

Dieser Bries ist der Gegenstand lebhafter Besprechung. —
„Wie gesagt", flötete die Tante — „geniert euch meinet-
wegen nicht im mindesten — ich komme ein andermal wieder
zu euch — und bleibe dann recht, recht langel" — Bberlehrer
Uküller schaudert.

„Aber das geht doch wirklich nicht, liebste Nkolly?" weigert
sich Frau Amalie heuchlerisch —„Vu bleibst bei uns, und wir fahren
nächstes Iahr, — denn freilich — außer den Ferien kann
mein Nkann nicht abkommen. Lr erholt sich bei Tillmanns immer
sehr — aber Dir zuliebe, liebste Ukolly —"

„Um keinen Preis teure Amalie — gleich hole ich die
Ukapxe und Du antwortest umgehend — ich weiß ja, wie nett
Tillmanns es ihren Gästen machenl Ich möchte nur wissen,
ob sie es auch anfrichtig meinen —"

„Aber ich bitte Dich, tenre Ukolly — es sind die aufrichtig-
sten Ukenschen — und wer sollte Dich nicht lieben?"
 
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