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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0018
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2IIeggendorfers Hu >no ri sli s ch e Blätter.

Die Tante.

«Na — nal" sagte Molly mit unheimlicher ksellseherei —
„doch — ich holc die Maxpe —

Und Molly hiipfte fort, während Gberlehrer Miiller und
seiue Frau stumme Dankesblicke zum Lsimmel senden.

,,5ol — da bin ich wieder. Nun schreibe — ich schau'
Dir iiber die Achsel — so — „wir kommenl" gib hcr — ich
schrcibe einen Gruß darunter — Tillmanns wissen ja noch gar
nicht, daß ich bei euch war — und trage sclbst den Brief fort. —"
Und ohne dcn Brief nochmals zurückzugeben, schrieb sie
daruuter: „Darf die Taute mitkommen? — Lchreibt ehrlich
Ture Meinung darübcrl" —

Oann klebte sie das Touvert zu und ging fort.

„5o — nun will ich schon den Brief zn lesen kriegen, wenn
die Antwort kommt, —" sagt sie für sich — „da kann man so
nebeubei die Meinung der liebcn vcrwandten übcr mcine Per-
son mal aus ziveiter lsand erfahrenl"

„lvarum Molly nur immer so auf den Briesboten lauert?"
sagte zwei Tage spälcr Gberlehrcr Müllcr zu seiner Frau —
„ich glaube dic techtelmechtelt irgcndwas —"

„Na — zuzutrauen ist es ihrl" meint Frau Amalie, —
„für die Ansicherheit der Lrbschaft müsscn wir uns reichlich viel
von ihr gefallcn lassen — —

Mährenddessen nimmt Molly am Gartenzaun die Post-
sachen entgegen nnd verschwindet damit nach ihrem Zimiuer.
Da ist der Brief. — ,An Frau Gberlehrer Müller^ und Molly
dreht ihn hin nnd her.

„Ts ist zwar verboien, sremde Briefe zu öffncu", sagte sie
sich — „aber ich sage uachher, ich hättc mich geirrt — ich bin
doch zu neugierig" — uud schon hat Molly den Umschlag ge-
öffnet.

„Licbe Schwägerinl"

„5o, sol" — sagt Molly — der Lserr Amtsrichter hat sich
selbst hcrbcigelasscn zu antmorten, da bin ich aber gespannt, also i
„Nicht Lottchen, sondern ich selbst beantworle Deino An-
srage, betreffs der Taute. Denn ob glciches gcwiß keinem von
euch einfallen mird, die Taute unter die zurechnungsfähigen
U)esen zu rechnen, — „ich bin erstarrtl" — sagte Molly,
— „so fürchtete Lottchen dennoch, Du könntest ihr die ehr-
liche Thatsache, daß sie die Tante ebcnso vcrabscheut, wie
ich, iibelnehmenl"

„In dcr That — wirklich zu ,nett"' lachte Molly hystcrisch —
„Du kannst uns wirklich nicht zumuten, die Tante schon
wicder zu ertragen. U)ir haben jetzt einen gro-
ßcn, bissigen Köter auf dem ksof — er ist mir
aber imiuer noch lieber als die Tanto — denn
er ist doch zeitweise ruhig, während die Tante
den ganzen Tag das Manl nicht hielt und Iedcu'i
mit ihrem Gebelfer eine wahre Prüfung mar."

„Lntsinne Dich, wie sie, wenn sie auf dcn
kotigen Aeckern herumgejagt war, abends ihrc
schmutzigen Pfoten auf meiner teuren Thaise-
longue-Decke abwischte — allcs hat sic voll
Schmutz gemacht —."

„Jch glaubc — ich werde wahnsinnig",
kreischte Niolly — „und — zuletzt — ihr schwört
zwar auf ihre Sauberkcit — (ich bin überzeugt,
daß sie nur unter heftigster Gegenwehr überhaupt
gewaschen werden kanu, und ich hatte stets deu
tvunsch — ihr das sleckige Fell mal griindlich
abzuseifen —")

„Ich sterbel" hauchte Nolly — „aber —
die Flöhe sind wir seit ihrem lhiersein noch nicht
losgeworden — obgleich wir die Diclcn mit
Aarbol gescheucrt und überall Zacherlin gc-
streut haben. Denn Flöhe hat sie und wird
iu alle Lwigkeit welche haben."

„Das ist zuviell" — kreischtc Molly — „Das
geht über menschliches Lrtragen — aber, warte
Llender! Du sollst die Rache der Tante spürenl"

Müllers warteten an diesem Tage eine halbe Stunde bci
Tisch auf Molly — endlich giug Frau Amalie sie suchen. Iu
Mollys Zimmer sand sie den offnen Brief nebst einem Zettel
der also lautetci

„Bciliegcndeu Brief habe ich aus versehen geöffnet. Ich
hatte — um cuch eine Freude zu machen uud noch mit
cnch zusammenbleiben zu können an Tillmanus nur unter
Deinen Brief gcschriebcn: „Darf die Taute mitkommen? —
sagt mir ohrlich eure Meinung dariiber." —

Nun — an Lhrlichkeit läßt die Antwort nichls zu
wünschcn übrig — sie klärt mich siir immer iiber die Ge-
sühlo meiner teuren verwandten ans.

Ich verlasse Lner lsaus — ich bin zu empört, um über-
haupt noch irgendjemand sehen zu wollen. Bis auf weiteres

Molly."

„Gütiger thimmell" rief Frau Amalie entsetzt — „Tillmaun
mcint den Lsund, schnell — telegraphiere an Molly — sie ist
zu allem fähig!" —

„tvo ist sic?" fragte Gbcrlchrer Müller trocken.

Ia, wo war sie? Sie ließ nichts von sich hören. Doch
nach eincm viertcljahr saud sich eine goldgerändcrte Karte ein,
auf der zu lesen war:

Adolar Süßmilch,

Molly Süßmilch, geb. Liebig
vermählte.

Amtsrichter Tillmanns erhielten dieselbe Anzeige — nnr
stand auf dieser unten „mein Geld habe ich nnd werde es in
Lwigkeit haben und behalten."

„So" sagte Frau Tharlotte Tillmann majestätisch „da hast
Du die Früchte Deiner Grobheiten. Ivarnm mußtest Du auch
den ihund ,die Tantv nennen!"

S

Der Gerettete (d>- Ang-n öffnend): „N)o ist der Mann, der mich aus dem
wasser gezogen hat?" — Das publikum: „Der hat sich gleich entsernt!"
Der Gerettetc (omxört) „So eine Gemeinheit ... wer bezahlt nun den Rock,
den er mir zerrissen hatl"

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsstelle in Mttnchen, Schnlicrtsteasze 0.
 
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