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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0037
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Meggendorfers humoristische Blätter.

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Die nnßgtückte Lebensrettung.

humoreske von Maric Schwarz.

err pechmann hat nicht bloß diesen ominösen Namen, sondern auch das unselige
Talent mit in die lViege bekommen, nberall lanter Unheil zu wittern und bei
^ / allem gleich an das Schlimmste zu denken. Bei jeder Theatervorstellung fällt

t ihm eine Panik, bei jeder Trauung die Schwiegermutter und bei jeder Landxartie
sofort die Möglichkeit eines wolkenbruches ein. wird auf dem Marktplatz eine Menagerie
aufgestellt, so gewinnt er alsbald die Ueberzeugung, daß der Löwenkäfig schadhaft und
daher die Lrwiirgung zahlreicher Mitbürger durch das Untier nur eine Frage der Zeit sei.
Bei jedem aufgespannten Sonnenschirm sieht er schon im Geiste ein paar Angen, die derselbe
einrennen miisse, und selbst der Geldbriefträger erfiillt ihn um deswillen mit lebhaftem
Schauder, weil er sich denselben nicht gut anders, als von räuberischen Burschen in einem
ksinterhalt iiberfallen, ausgeplnndert, zerstiickelt und eingepökelt vorstellen kann. vor
kurzem kaufte er einem Unaben, dor mit seinem etwas weit angelegten Munde eine
Zehnxfennigharmonika bearbeitete, dieses Instrument nur aus Besorgnis, daß es dem
Iungen in den Schlund geraten könnte, um fnnfzig Pfennig ab und war mehrere Tage
untröstlich, als er bald darauf außer dem vermeintlich Geretteten auch dessen vier Brüder
mit solchen Unglücksinstrumenten bewaffnet sah.

Bei solchen Lharaktereigeuschaften kann es wohl auch niemand wundern, daß lherr
Pechmann, als er unlängst in den Anlagen am Aanal spazieren ging und hierbei in
ziemlicher Lntfernung vor sich eine Dame dicht an dem steil abfallenden Ufer schreiten
sah, sofort ein unseliges verhängnis ahnte, auf Grund dessen hier im Dunkel des
lvaldes sich ein einzig und allein von ihm noch zu verhinderndes, entsetzliches Lreignis
zutragen sollte. Sein Argwohn wuchs von Sekuude zu Sekunde, je länger er das
Treiben der Unbekannten beobachtete. lvann war überhauxt nur jemals ein Frauen-
zimmer unter normalen Umständen so haarscharf am Rande des schroff absinkenden
Dammes gegangen? Und nicht allein dasl Sie blieb alle Augenblicke stehen und sah

— während Pechmann rasch hinter einem Baume Deckung suchte — bald scheu nach
riickwärts, bald starr mit unverkennbarem verlangen in das kvasser hinab.

ksimmel, wenn sie sich plötzlich hineinstürztel Und er konnte nur mäßig schwimmen;
zudem kein Mensch weit und breit!

Da — da — kein Zweifel mehrl — sie ging wieder ein paar Schritte — dann
hielt sie an und nahm nun unter ihrem Mantel ein dunkles Ltwas hervor, das man
bis jetzt nicht hatte sehen können. Auch jetzt konnte Pechmann nicht unterscheiden, was
es war, aber so viel wußte er gewiß: Lntiveder war's ein Stein, mit dem sie im
entscheidenden Moment ihr Aörxergewicht behufs leichtern Untersinkens erhöhen wollte,
oder es war — ihn schüttelte es ordentlich bei dem Gedanken — ein Geheimnis, das
sie mit sich in die Tiefe nehmen wollte.

ksal Und nun schien sie die geeignete Stelle gefunden zu haben. Noch einmal
spähte sie vorsichtig nach rückwärts, dann stieg sie, das unerkannte Ding vor sich hertragend,
rasch die Stufen hinunter, die dort — Pechmann sah sie nicht, aber er kannte die Stelle

— an das Kanalbett führten.

Nur noch einen Moment zägerte er, dann besann er sich seiner Menschenxflicht und
rannte mit mächtigem „ksa — altl lfa — altI"-Rufen der Unglücksstätte so rasch
entgegen, als es sein schwerer Aorxus und seine kurzen dicken Beine gestatteten.

Und dem lsimmel sei dank, er kam noch nicht zu spät!

Zwar stand sie bereits dicht am wasser und beugte sich über dasselbe, aber er riß
sie, nachdem er auf den ersten Fehlgriff allerdings nur ihren lsut und Lhignon erwischt
und losgelöst hatte, auf den zweiten versuch glücklich zurück und rief nun, während
er sich bemühte, sie das Trepxchen heraufzuzerren, mit siehender Stimme: „Bitt' schönl
Bitt' schönl Das dürfen Sie nicht thunl Ich geb's nicht zu, schon weil ich Mitglied des
Ticrschutzvereins binl Das geht nichtl"

„Aber warum denn nicht?" ächzte jetzt die Dame emxört und suchte sich mit der
einen ksand, die sie scheinbar nur frei hatte, von ihm loszumachen.

„lvarum nicht?" rief er entsetzt und zerrte mit doppelter kseftigkeit an ihr. „lvelch
unmoralische, frevelhafte Fragel Unglückselige, wie konnten Sie so tief sinkenl Ls ist ja
ganz unfaßbarl"

„Lassen Sie mich in Ruhel" schrie die Dame. „Nur ein verrückter kann einen solchen
Skandal auffiihren wegen etwas so Alltäglichem!"

„Alltäglichl" stöhnte Pechmann und packte ste mit beiden ksänden. „Gerechter
lfimmell Das nennen Sie alltäglichl Sie gehören ja ins Irrenhaus oder wenigstens
unter Polizeiaufsicht! Aber ich bedaure Sie zu sehr, um Ihnen ernstlich zu zürnenl
Jedenfalls haben unglückliche Verhältnisse . . ."

„Gehen Sie wegl" schnaubte die Dame, „ich habe keine verhältnisse ."

Nöhallungsgrrmd.

— „Glauben Sie, daß die Lsochschüler-

innen schließlich auch sogenannte
studentische verbindungen grün-
den werden?"

— „Glaube kaum, es wird doch keine

Senior sein wollen."

Die neugierige Giraffe,

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