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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0057
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INeggendorfers Humoristische Blätter.

^9

LuchhLndler: „ . . > tsier der Göthe koftet s, der Schiller 5 Mcirk.
protz: „ksaben Sie nich 'n Dichter in 'ner höhern jdreislage?

Zur Zeii.

A. : „Sind Sie auch Sammler von RaritLten?"

B. : „Iawohl, ich sammle Zeitungen cchne Lisenbahniinglücksfällc."

Der -Lebenslauf eines Äylinöers.

humoreske von vr. Grnnarius.

ch habe einen alten Freund, einen Schulkameradon noch
aus der Gymnasialzeit her. Dieser besitzt eine Merk-
würdigkeit, wie sie nicht viele Leute aufzuweisen haben.
Die Merkwürdigkeit ist sein alter Lylinder.

Gekauft wurde dieses nützliche Uleidungsstück vor ungefähr
zwanzig Iahren. lvir beide waren damals hoffnungsvolle Na-
turanten und kauften uns nach glücklich überstandenem prüfungs-
schreckcn jeder den ersten Lvlinder bei einem obskuren ksutmacher
in einer der Dorstädte Miens — das Stück zu drei Gulden. —
Faßte man neben diescm geringen jdreise die kolossalen Dimen-
sionen der lhiito ins Auge, so mußte man es begreiflich finden, daß
eben nicht der edelfte bsase sein Fell zu ihnen geliefert haben mochte.

Lür uns Abiturienten bedeuteten aber die Lylinder den Lin-
tritt in die Welt des akademischen Bürgertums und deshalb tru-
gen wir sie — trotz des mutmaßlichen Aaterfells, — just mit
derselben Grandezza, wie der chinesische Mandarin seinen Lsut
mit den Knöpfen und der Pfauenfeder.

Mein ksut ging nur zu bald den lveg alles Irdischen, in-
dem er nach zweijähriger, treuer Dienstleistung an einer niederen

Thür schnöde eingedrückt wurde, was ihm einen Rrach
entlockte, — einen dnmpfen Schall, — wie ihn die Mem-
nonssäule oder die Baßposannen vor Jericho von sich
geben mochtcn. Dieser Schall war sein Schwauengesang.
Seine zottigen Aaterhaaro sträubten sich borstig im Todes-
kampfe — die Zierde meines lsauptes war nicht mehr.—
Um so widerstandsfähiger und ausdauernder war der
Tylinder meines Freundes. Er geleitete seinen kserrn
dnrch alle Fährlichkeiten des Universitätslebens, machte
die Staatsprüfnng und die Rigorosen mit und glänzte
auch anf dem lsaupte des neu promovierten Doktors der
Rechte, — wenngleich nicht mchr im natürlichen Glanze,

— sondern vor Fett. Der Lintritt meines Freundes
in den Livil-Staatsdisnst, seine Lrnennungen und Be-
förderungen, sie alle ereigneten sich im Zeichen des alten
Lylinders.

So abgöttisch die Liebe war, mit der mein Freund
an seiner Uopfbedeckung hing, so fehlte es andererseits
nicht an wohlgemeinten versuchen der Menschen, ihm
sein Aleinod zu cntreißen nnd — an tückischen Schicksals-
fällen.

So erinnere ich mich, daß wir — ich und andere alte
Schulkameraden — anläßlich einer Festkneipe, bei der
wir uns mit dem Lylinderbesitzer zusammen befanden,
den ksut listig bei Seite räumten, Lisstücke darein legten
und in diesen eine Llasche Lhampagner einkühlten, aus
welcher auf das wohl unseres Freundes und des Lylin-
ders getrunken wurde. Ahnungslos erhob der gute
Bursche sein Glas, um mit uns anzustoßen, da fiel
sein Blick, von ungefähr anf die improvisierte Aühlwanne

— die Augen gingen ihm iiber, — er trank keinen
Tropfen mehr. Er faßte seinen Liebling mit starkem
Arm, schüttete das Lis aus der ksöhlung und stürmto
fort. — — Weil sich aber alles zum guten wendet,
hatte das kalte Bad dem Lylinder nicht nur nichts ge-
schadet, sondern sogar seine Wasser- und Wetterfestigkeit
glänzend bewiesen.

Lin andermal sperrte ich den Lylinder meines
Freundes hinter eine Glaswand unseres gemeinschaftii-
chen Biireau-Zimmers, zog den Schlüssel ab und wartete
an der THUre des Nebenzimmers. Mein Freund hatte für zwei
Uhr eine kleine Reise vor, er mußte jeden Moment seinen gefange-
nen Liebling holen kommen. Um nicht Ursache von Gräßlichem
zu werden, hängte ich an die Rlinge der versperrten Glasthüre
einen leichten runden Sommerhut mit einem Zettel darauf:
„Lrsatz für den Lylinder". Ich mußte nicht lange warten,
bald erschien mein Freund, wolltc die Glasthür öffnen, fand den
Sommerhut und Zettel und erkannte in diesem Augenblicke auch
schon die ganze Furchtbarkeit seiner Lage. vor ihm die Glaswand
zwei Meter hoch, hintcr der Glaswand sein Liebling. vom Turm
schlug es zwei — höchste Zeitll

lvie ksarras der kühne Springer am Abgrund, so stand mein
unglücklicher Freund:

Ihm war, als ob's ihn hinüberrief',

Doch fehlen ihm Schwingen und Flügel!

Den Lrsah-lfut beachtete er gar nicht, nur auf den ge-
fangenen Liebling war sein Auge gerichtet. So blickt die Löwin
auf ihr Iunges und rüttelt an dem Gitter des Uäfigs, bis es
bricht. Auch mein Freund rüttelte an der Thüre mit Riesen-
kraft; anfangs widerstand das Schloß, aber dann gab es nach,
— ein Arach, die Thüre war offen, bserr und Lylinder vereint
-- „Liebe bricht Lisen."

Aber nicht nur Menschentücke, auch Naturgewalten be-
drohten das innige verhältnis zwischen dem Lylinder und
seinem bserrn. Lin lvindstoß schleuderte den ksut meines
 
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