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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0128
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j20

Neggendorfers ^umoristische Blätter.


„Sxaßvogell willst Du wirklich die Schuld streichen?"
„Unser Schuldbuch sei vernichtet."

„Nun dann nehme ich es mit Dank an, brave Seele, leb
wolst!"

Schmadder fuhr unbeirrt in seiner Rede fort:

„Rein Störenfried soll unser schöues — ich darf wohl sagen

— Familienleben vernichten. Einen solchen verbannen wir mit
aller Energie. Hinaus mit ihml"

Lin schüchternes Alopfen ertönte an der Tlstire, und als
nach mehrmaliger Uliederholung desselben keine Antwort er-
folgte, trat leise ein junger Ukann ein und blieb, sich verbeug-
end, an der Thüre stehen.

„Guten Nkorgen, kserr Schmadder", sagte der junge Uiann,
der übrigens Rurz hieß und Provisor in der Apotheke war.
Daß kjerr Schmadder ihm den Rücken zuwandte, war ihm einer-
seits unheimlich, anderseits erfüllte es
ihn mit Genugthuung, da er nun
freier sprechen konnte.

„verzeihen Sie, wenn ich störe;
aber ich halte den gegenwärtigen
Augenblick gerade für geeignet, — da
Ihre Fräulein Tochter zum Besuch in
der Nachbarstadt ist, — ich erlaubte
mir, mich an das Fräulein schriftlich
zu wenden und erhielt die beglückende
Iusage. Nun eilte ich hierher —
auf den Flügeln der Liebe — darf
ich hoffen, daß Sie inir die kjand

Ihrer werten Lräulein-"

„Ljinaus mit ihml"

Der arme Provisor fuhr erschrocken
zurück.

„Rein Störenfried soll unser
schönes — ich darf wohl sagen —

Familienleben vernichten wollen-"

„Allerdings, Ljerr Schmadder, aber

ich hatte nicht die Absicht-."

„Linen solchen verbannen wir

mit aller Lnergie-"

„Sie weisen mich also zurück?"

„ksinaus mit ihml — Ljinaus mit
ihml" deklamierte ^err Schmadder mit
echtem Leuer, so daß der Provisor so-
sort den Rückzug antrat.

„Ganz von Festesfreude beseelt —"
suhr Schmadder in seiner Recitation
fort, als seine Gattin zurückkehrte.

„lvas hast T>u nur wieder ange-
richtetl" waren ihre ersten worte.

„Ganz von Festesfreude beseelt,

— ganz — ganz —"

„Mas? Jch eine Gans?" schrie
Frau Schmadder, ihren Gatten am
Aragen xackend und ihn schüttelnd.

Dadurch kehrte der Redner wieder in
das gewöhnliche Leben zurück.

„Ah, Du bist es . . . Daruml
Mir war es immer, als hörte ich
jemand sprechen."

„Abscheulicher Ntensch I — Mer weiß
wie lange warten wir schon darauf, daß
der kjerr Provisor Aurz um unsere Toch-

ter anhalten soll und jetzt treffe ich den armen Menschen auf
der Straße und höre, daß Du ihn einfach hinausgeworfen hast."
„Das hat er geträumt — keine Idee, ich versichere Dir —."
„Und der ksuhlke sagte mir, Du hättest ihm die hundert
Mark geschenkt, die er Dir so lange schuldig war."

„Aeine Ahnungl Sind denn die Menschen alle — —"
Und als Frau Schmadder weiterhin die Lntdeckung machte,
daß der neue Rock ihres Gatten gestohlen, sowie daß das
Schmorfleisch zum Teil aufgegessen, zum Teil angebrannt war,
schwor sie hoch und teuer, ihren Mann niemals mehr allein in
der Wohnung zn lassen, besonders nicht, wenn er Iubiläums-
Reden einstudierte.

Rache.

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäfisstellq in München, Schubertstrsste 6.
 
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