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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0137
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INeggendorfers Humoristische Blätter.

s29

Die erfte

c verdammte Aerll" schalt der dicke Geestbauer, Ooll-
macht lsein Boje, indein cr seine hörnerne Brille ont-
riistot auf den Tisch warf und mit der Faust auf die
vor ihm liegende Zeitung schlug; „de verdammte Aerl — is
ook doch to niederträchti'l"

Sein Iorn war gerechtfcrtigt: binnen vierzehn Tagen las cr
l,eute znm dritten Mal: „IVat de Buer ni kennt, dat fritt') he ni l"
Und gerade die Bauern waren nach seiner Meinung in
den letzten Iahren am meisten fortgeschritten; hatte er doch
selbst vor einem Iahr einen ,nationalliberal-freisinnigen Verein'
in seiuem Dorfe gegriindet nnd, wenn dieser auch einstweilen
nnr aus zwei Mitgliedern bcstand, aus ihm als vorstand und
seinem Nachbar als Aassierer, so war doch ein sicherer Grund
gclegt, denn sie waren die reichsten im Dorfe, und die anderen
Leute, meinte er, würden sich mit der Zeit schon anschließen.

Und trotzdem mußte er die Verunglimpfung seines Standes
iinmer wieder lesen — das empörte ihnl Lr ärgerte sich uin
somehr, als er jene worte buchstäblich nahm. wie Unrecht
that man ihml N)enn er scine fetten Dchsen zum Verkauf
nach ksamburg brachte, aß er in den Restaurationen nur das,
was er nicht kannte. Beim ersten Male war es ihm passiert,
daß er in Unkenntnis der Speisezettelsprache, von oben an-
fangend, drei verschicdcne Suppen hintereinander gegessen hatte,
nnd als er darauf von unten beginnend das letzte Gericht be-
stellt hatte, war ihm Butter und Räse gebracht worden; aber
ein Lehrgeld mnß ja jeder bezahlen, bald hatte er sich durch
die Speisekarte, wie er sagte, chörfräten'°> nnd so allmählich
alles probiert, sogar Gchsensteertsuxpe, was seine Frau, als er
es erzählte, in der ersten Aufregung geradezu fiir ,Schwcinerei'
erklärte.

Und trotzdem mußte er immer wieder lese»: „wat de Buer
ni kennt, dat fritt he ni I" War es da zu verwundern, daß er
in heftigen Zorn geriet und noch einmal auf den Tisch schlug
und rief: „De nie—der—trächtige Aerll"

Plötzlich kratzte er sich am Aopf und murmelte: „Austernl"
Ia, die hatte er noch nicht gegessen, obschon er so oft gehört
hatte, daß sie eine große Delikatesse wären; aber er hatte auch
gehört, daß die Anster ein Tier sei, das erst sterbe, wenn man die
Schalen öffne; deshalb ekelte ihm vor solchem ,Gefreß', wie er
sagte. Aber ksein hatte Lharakter, was er einmal wollte, that er
auch, und gereizt durch jene worte in der Zeitung, nahm er sich
fest vor, sobald er wieder nach bfamburg käme, Austern zu essen,
wie schwer es ihm auch werden möchte, seinen Lkel zu nberwinden.

Die Zeit kam bald. Als er seine Gchsen verkanft hatte,
setzte er sich sogleich auf die jdferdebahn und fnhr nach einer

') frißt, ißt. ^) durchgefreffen. eimnal. *) soll. ^) weiß. 6) verstehst l

Äuster.

Restauration, wo die besten Austern sein sollten.

„kför' mal Uluschü," sagte er hier zu dem Aellner, der ihm
ein Glas Grog brachte, „ik hadd wull noch Lust, de Austern
ins°) to probeern, bring mi mal een, wat I"

„Danke schön, ein Dutz?" fragte der Kellner.

„Ninsch, büst ni klook, wat schall'') ik mit so vääl, ik weet°)
ja gar ni, ob ik se mag l Nä, min Beste, bloot een, man een
eenzige, awers en rechte schöne, verstein°) Du?I"

„Bitte schön, das thut mir leid, mein kjerr, eine allein
wird nicht verkauft, danke schönl"

„I wat, dat weer doch knrjos! — Ach wat, Nuschü, do
mi dat to Gefallen, hörst Du, ik verlang dat ja ni vör um-
sunst, schost') ook en ganze Mark davör hebben!"

„Danke serrrl Ia wenn Sie das daran wenden wollen,"
rief der Uellner voll Rcspekt, „so sollen Sie eine haben, warten
Sie nur einen Augenblick, bitte schönl"

„Awers ook en rechte schöne, Muschü l"

„Bitte sehr, daranf können Sie sich verlassen, mein bserr,
ich suche Ihnen die beste ausl"

„Ach, bring mi ook noch en Glas Grog, Muschül"

„Dat girt noch een bäten°) Uuraasch l" murmelte ksein, als
er allein war. Nach einer lveile sügte er hinzu: „Na, de
Aopp is ja ni dabi af, äten") wlll ik se op jeden Fall, de
verdammte Zeitungskerl schall ni recht beholen'")!"

Ls dauerte nicht lange, da kam der Aellner mit einer
Anster zurück, die wirklich sehr schön war.

„Also dat is een Anster?" sagte ksein, sie neugierig betrach-
tend; „na, hier is die Mark, Muschül"

„Danke serrrl" rief der Aellner und wollte sich entfernen.
„lfolt toxp, een Ggenblick, Muschü," schrie lfein, „erst
mußt mi noch seggen"), woso as de Dinger äten") ward."

„Danke schön, das ist verschieden, mein kjerr; einige nehmen
Peffer und Litronensaft dazu, andere essen sie ohne weitere
Zuthaten, und so schmecken sie auch am besten, bitte schönl"
„So — hm, hml" sagte ksein in Nachdenken versinkend.
Nach einer Weile fragte er in etwas bedenklichem Ton: „Mu-
schü, dat Tier is ook doch richti doot?"

Lr bekam aber keine Antwort, denn der Aellner hatte sich
schon längst entfernt, um andere Gäste zu bedienen.

ljein sah die Auster mißtrauisch an. war sie auch wirk-
lich tot? kvie konnte er es wissen, es war ja das erste Mal,
daß er eine sah l vielleicht war es nur Linbildung, aber es
kam ihm vor, als ob sie sich einmal leise bewegt hätte!

Lr drehte die Schale rechtsum — er drehte sie wieder links-
um — er hob sie in die kjöhe — er roch daran — schaudernd

Du. ^) sollst. b) bißchen. b) effen. ^ behalten. ") sagen. '^) gegeffen.

.l'vnttemeitis.-Linladuiig a«f die Äeaaendorl'er Hlätter.

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Etzliiigeii, Wien I.,

erfcheineiiden

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Miinchen,

g. Z. Schreiber.


RedlllNiml ilirii Uerillg der MWMorser Kiiltter.

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