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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 31.1897 (Nr. 354-366)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20913#0138
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(30

Bseggendorfers ^umoristische Blätler.

Die erste Auster.

machte er ein Gesicht, als ob er Mernnitextrakt getrunken hätte — und er
setzte die Schale nneder auf den Teller: ichn ekelte doch gewaltig.

Und noch einmai und zum dritten Mal machte er dasselbe Manöver.
Schon mollte er den versuch ganz aufgcben, da fielen ihm die tvorte
des Ieiinngsschieibcrs wieder ein: „tvat dc Buer ni keunt, dat fritt he
nil" — „Und he deit-) dat dochl" brummte er grimmig und ergrisf die
Schale, hob sie in die tföh', machte die Augen zu und — —

Nach einer halben Stunde saß er noch immer an dem Tisch und starrte,
ctwas blaß geworden, die Auster an, die noch immer auf dem Teller lag.

Da kam ein junger Ukeusch herein und setzte sich zu ihm an den Tisch.
Sofort bemerkle er die schöne Anster, und da er, ein großer Liebhaber solcher
Delikatesse, es nicht fiir möglich hielt, daß jemand eine halbe Uunute vor
einer Anster sitzcn könnte, ohne sie hinnnterznschlucken, erriet er sogleich,
daß der Bauer vor ihm hätte einmal Austern xrobieren wollen und daß es
ihm jetzt an Utut fehle, sie zu essen.

„Marte", dachte er, „die sollst du ihm abschwindelnl"

„Schöne Auster, die Sie da auf dcm Teller habenl" begann er.

„Dat is se, kost ook en ganze Nlark!" sagte bsein.

„Aber warum essen Sie sie nicht?" fragte jener.

„Ia, bjerr, dat will ik Se oprichti °) seggen, ik meet') ni, woso man
dat Ding äten mutt^)?"

„G, das ist sehr leicht zu lernen, soll ich es Ihnen einmal zeigen?"
„Na, wenn Se dat wulln°), Muschii, däden Se mir en grotcn Gefallcnl"
„V gernl Passen Sie auf, ich will es Ihnen einmal vormachen l Seh'n
Sie, zuerst nehmen Sie die Auster in die rechte lsand, — seh'n Sie, sol"
„Jn die rechte lhandl" wiederholte lsein halblaut.

„Dann streuen Sie ein wenig Pfeffer daraufl"

„Also doch jdäperl" rief lsein, der den Ulanipulationen des jungcn
Ulannes mit gespannter Aufmerksamkcit zusah, als miirde ihm ein Aarlen-
kunststnck gezeigt.

„Darauf nehmcn Sie die Litrone in die linke lsand — merken Sie
wohl, in die linke kjandl"

„In die linke ljandl" betete lsein andächtig nach.

„Nun lassen Sie zwei Tropfen Litronensaft darauf fallen — sehen Sie, so I"
„D, Uknschü, dar keen") en ganzen Barg!" schrie lsein.

„Das macht nichts, es kommt hierbei auf einen nicht an l"

„Tinen nicht an!" murmelte lsein.

„Jetzt kommt aber die lsauxtsachel Passen Sie, bitte, genau aufl Ich
hebe die Schale mit der rechten lsand in die lsöh' — seh'n Sie, sol — und
immer höher und höher und — schwuxxs, wcg ist siel"

In demselben Augenblick hatte er die Auster hinuntergeschluckt. Da-
rauf stemmte er die kjände auf die Anice und sah ljein mit triumphieren-
dem Lächeln an. „ljaben Sie es nun begriffen oder soll ich es Ihnen noch
einmal zeigen?" fragte er.

„Pst, pst, en Augenblickl" sagte ljein leise, ihm steif ins Gesicht sehend.
„Bestellen Sie nur noch ein halbes Dutzl" lachte jener.

„pst, töben') Se, töben Se, dat ward gliek kaamen!" fliisterte lsein
ihn am Arm packend.

„Was wird gleich kommen?" fragte der junge Ukensch etwas ernster
werdend, denn das Benehmen des Bauern kam ihm doch etwas sonderbar vor.

„De Auster, Muschül" wisperte ljein geheimnisvoll, „dat Tier weer°)
nämli ni doot!"

Da brach der junge Mensch in ein lautes Gelächter aus und rief end-
lich, lscin auf die Schulter klopfend: „Na, da seien Sie unbesorgt, lieber
Mann, die ist schon in nieinem Magen und kommt nicht wiederl"

„Aurjos", sagte ksein, ihn verwundert ansehend, „ik heff°) dat dree-
mal versöcht'"), um jümmers") keem se wedder rutl"

Raum hatte er das gesagt, da sprang der jungc Mensch mit einer
Geberde des Ekels und Lnlsetzens vom Stuhle auf und schoß aus der Thür.

*) thut. aufrichtig. ^ rveiß. ^) muß. ^) wollten. kam. 7^ warten. ^) war. ^ halie.
^o) versucht. ") immer.

Die erste Auster.

„^allol" schrie ksein, „dar löxxt (läuft) he mit
min Auster weg, de Sxitzbovl"

Nach einer weile sügte er leise hinzu: „Dat
weer gewiß en Buernfängerl" Th. Pie»i„a.

Vöje Vubcn

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäfksstellq in München, Schubertstratze 6.
 
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