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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0020
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Neggendorfers ^umoristische Bläller.


Der Genius stand und sah den jungen Mann mit einem
Blicke an, vor dem er beschämt die Augen niederschlug; dann
aber wandte sich die Frauengestalt und ging.

Nun mochte sie zu niemand mehr gehen, und sie irrte
planlos in der Stadt umher.

Ls wurde Abend, der Mond zog heraus, als sie sich miide
aus einer Bank in einer Anlage niederließ. Kinder sxielten
auf dem Kies, Menschen gingen bald schnell, bald langsam vor-
über, und der Genius saß und sann und schaute in den Abend
mit trüb umflorten Augen.

Da kam ein großer, bleicher Mensch des Meges mit ein-
gefallenen Mangen, aber wunderbar glänzenden Augen. Als
er den Genius sah, stutzte er; dann trat er auf die Gestalt zu
und fragte:

„wer bist du, holde Frau, wer? Sah dich ich doch oft
in meinen Träumen und jdhantasteen; war es dein Bild doch,
das mich vergessen ließ alle Mühe und Sorge, das ,nich tröstete
in meinem Kummer und mich ansxornte zu
neuem Lifer, wenn die Arast in dem noch
immer vergeblichen Ringen erlahmen wollte.

Sxrichl Mer bist du? Wer?"

Die Gestalt erhob sich. „Ich bin der
Genius und habe Vbdach gesucht und keines
gefunden, habe einen Menschen gesucht, dem
ich mich geben könnte und keinen gefunden."

„Meine ksütte ist klein," antwortete der
blasse Mann, „und in ihr wohnen Armut,
ksunger und Sorge; aber wenn du mit hin-
gehen willst, so soll der beste Platz dir ge-
hören."

Der Genius erhob sich und ging mit
dem blassen poeten in dessen ksütte. Und
dort teilte er hinfort mit der bleichen Ar-
mut, der verbitterten Sorge und dem starken
ksunger den Raum mit dem blassen Mann.

Vst wollte der Poet verzweifeln, wenn
Armut, Sorge und Lsunger an seiner Seele
rissen und ihn quälten; dann aber trat die
lichte Frauengestalt an ihn heran, küßte ihn
auf die Stirne und vergessen war die Gegen-
wart jener drei. Die Feder stog dann über
das paxier und der Genius saß bei dem
Blassen und lächelte ihn über die Schulter an
und ein stolzes, stolzes werk entstand ....

Aber niemand glaubte dem blassen poeten;
sein weg war ein Leidensweg über spitziges
Gestein und. Dornen . . . . er starb elend in
der Gegenwart jener drei: Armut, Sorge und
Lsunger, die ihn in seinen letzten Augenblicken
noch frech angrinsten und ihm das Sterben
schwer machen wollten. Aber der Genius
drückte ihn an seine Brust und hob ihn em-
por zur Sonne, zur Sonne ....

Und siehe, als der Blasse gestorben war,
da erinnerten sich seiner die Menschen. Sie
singen an, sein werk zu kaufen, lasen es
wieder und wieder und erhoben es in den
Lsimmel; ein Genie nannten sie ihn, wall-
sahrteten zu seinem Grabe und bauten ihm
ein Denkmal aus Marmor; und die ksütte in
der er gewohut, wurde Nationaleigentum und
nur mit scheuer Lhrfurcht betrat man dieselbe.

Aber auf dem Grabe des blassen Mannes saß trauernd dir
lichte Frauengestalt, und ihr in die Ferne gerichteter Blick schien
zu fragen: Marum, warum?"

Militärischer Leberreim.

ie Leber stammt von einem ksecht
Und nicht von einem Gockel;

Mit solchem Lhic wie ich trägt nie
Livil — Baron — Monoclel H. G.

Moderne Dienffboten.

Köchin: „was hat Dir Deine Lserrschaft zu Weihnachten
geschenkt?"

Dienstmädchen: „Gott, eine Taschenuhr, ein Bicycle und
mehr dergleichen Kleinigkeiten."

Das ,,non pius ultrs" der Zerstreutheit.

Lin professor steigt in einen Pferdebahnwagen und sieht darin einen ihm
täuschend ähnlich sehenden lqerrn sitzen. „Achl", sxricht er, „da sitze ich ja schonl"
Spricht's und steigt wieder aus. —

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Gefchäftsstrllq in Münchrn» Schubrrtstrstze 6.
 
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