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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0030
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

Zirla.

Studiosus Bäuchle: „Ich werde zu dick, der Arzt hat
uiir eine Lntfe Ituu gskur verordnet. Gehe ich nun nach Aarls-
dad oder ans ötaatsexainen?"

Lsansh war das nicht ein feudaler Naine? Das war natür-
lich auch mein Werk. ksansi bekam Futter und Masser nnd

wurde, weil er gar nicht von der Stangc herunter wollte, an
dic wand gehängt. Das heißt der Aäfig murde gehängt. Ich
setzte inich aus das Sopha und wartete auf dcn Dank ineincr
Frau, aber ich schien ihr jetzt Nebensache zu sein, Oansi war
ihr lfiauptsache. „5ingt er?" fragte sie. Gar! „Ach, wenn er
"icht singt!" Na, ich bitte Dich, rufe ich, Du wirst doch nicht
>'n (Duäcksack haben wollen. Sie sagte weiter nichts und

lächelt den vogcl an.

„Lr sehnt sichl" Freilich, er sehnt sich, schrie ich
! wiitend. Sie blickt niich verwundert an, begreift, fliegt inir
an dcn ksals und herzt und kiißt inich. Dic Wogen meines
Gciniites glätten fich, da reißt sie sich von inir los, cill

nach dcin Aäfig und sagt: „Lr sitzt so ruhig da, er wird

doch nicht krank sein?" Gar, er sehnt sich. In diesein
Augenblick ineldet das INädchen, daß serviert ist. Ls
aibt Nouladen heute, incin Lcibgcricht! Ich umfasse
inciiie Frau, uin sie ins Lßziinincr zn fnhren, da flnfiert sic
geheiinnisvoll: „Lr schläft." „Unsinn," crkläre ich, „cr hat
ja dic Augen offen." „Nein, er hat sie geschlossen."

„Na, na, bist Du blind?" will ich eben rufen, schweige
abcr denn sie hat recht, ksansi hat die Augen geschlos-
scu. Aber ich habe auch recht, denn er hat die Augeu
osfcu. Na, na, na, alter Iunge, inach nur nicht wicder so
ein aeistreiches Gesicht, begreifst Du denn nicht? Uieinc
Frau begriff sofort. „Gott", kreischt sie, „das vieh ifi
ja auf dein rechten Auge blind." Ietzt ist's aus ein
inal ein Dieh, vorhin war's ein schönes Tierchen! Ich
sprach kein kvort, was soll inan auch in solchem Falle
sagen! Desto niehr sprach ineine Fra» daß wir

Aistc cin paar Luftlöcher geschnitten, dcr Nogel spazierte hinein
und inein Thaler in die Tasche des lsausiercrs. Der mar schon
auf der Treppe, als mir einfiel: was frißt denn so ein Tier?
N?as frißt denn der Reisvogel? rufe ich die Treppe hinab und
duinpf tönte'es herauf: „Aanariensamen". Nicht Reis? „Nein"
lvarinn nicht Reis? Ein Reisvogel nicht Reis? rvaruin nicht?
Ich frage kveirich, der weiß es auch nicht, das HLtte ich mir
übrigens vorher denken können, denn der weiß überhaupt nichts.

Alittlerweile war das Lnde der Bureaustunden herange-
kommen und ich stelze, das Aästel init dein vogel in der ksand,
nach lsiause. Alle lvelt mnstert mich erstaunt. Na, das schadetc
ja nichts, wenn inir nur die Ueberraschung ineiner Fran gclang.
Ich ging in ein Geschäft und erstand einen Aäfig für sechs
Ukark. „Bitte schicken 5ie ihn sofort in meine Mohnung und
lassen Sie Rechnung folgen, sage ich so recht von oben herab.
„Sehr wohl." Nun kaufte ich bei unserm Aräiner noch eine
großc Düte Aanariensainen für schwerc zehn Pfcnnigc und eilc
nach ksause.

lvas habe ich da? frage ich und halte das Aästel meiner
Frau ans Ghr. Sie hörte das Schurren und Pnrren darin
nnd blickt mich selig an. „Linen vogel?" Ia, abcr was für

einen? Ich öffne das Aastel einen Strohhalin breit und.

„Ach, so ein schönes Tierchen", ruft sie entzückt.

Ich werfe mich in die Brust und will eben losschmettern:
was thut man nicht alles seiner Frau zu Liebe — da kommt
der Aäfig. Glücklicherweise sind schon ein paar Stäbe darin,
ich habe also kcine Ulachcrei weiter und lasse den vogel hin
einhupsen. „Prr" fiiegt er anf eine Stange und bleibt da ganz
dösig, ganz klotzigduinin sitzen. Alle versuche ineiner Frau, ihn
herabzulocken, bleiben erfolglos. Sie will inir das übelnehmen,
mir, denke Dir — aber ich stelle sie mit der Lrklärung zufrieden,
der ksansi müssc sich erst eingewöhnen. Das lenchtete ihr voll-
koimnen ein.

nach lveirich, der aber zuckt die Achseln und schneidct eine
Grimasse. Na, denke ich, die Grimassc ist überflüssig, das
Achselzucken genngte, sage aber nichts, denn man inuß doch vor
so einem fremden ksausierer das Dekorum des gebildeten Mannes
wahren. Da sind noch so kleine, drollige Tierchen von Sper-
lingsgröße mit bräunlichgrancm Gefieder, schwarzem Gberkoxf,
weißen Backen und starkem, lackrotem Schnabel — wirklich nctt.
Das sind Reisvögel, belehrt uns der Lsausierer, davon kostet
Stück für Stück 'nen Thaler.

Na, na, na, meine ich, gehts nicht billiger?

„kvenn Sie ein pärchen nehmen, das kriegcn Sie für fünf
lNark". „Mas soll ich mit cinem pärchen, schrie ich, ich will
doch keine vogelzucht anlegen."

Der Ukann sieht mich lächelnd an, als kenne er den wahren
Grund meines Schreiens, daß nämlich eine außeretatsmäßige
Ausgabe von fünf Mark zur Zeit für mich unmöglich ist. „Na,
denke ich, mußt wieder einlenken, und sage so leichthin: ja, wenn
ich ein Bauer hätte, nähme ich einen Reisvogel. „G", spricht
der ksausierer, „menn's weiter nichts ist! ksaben Sie eine leere
Ligarrenkiste dA?"

Ia, die war da, sogar zwei. So wurden denn in die einc

Kchwierige Wahl.
 
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