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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0031
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

2s

Zirka.

dummen Männcr uns immer betrügen lassen, daß das überhaupt kein Geschenk
sei, und daß der ksausierer unbedingt den vogel umtauschen müsse. Das Letztere
war auch meine Ansicht, aber zuerst wollte ich essen. Aber kannst Du's glauben,
meine Frau — sonst ein Lngel war zum Teufel geworden. Ich durste nicht
essen, ich mußte mich gleich auf die Tuche nach dem lsausierer machen. Rouladen
hin, Rouladen her, da muß der tsunger schweigen - nur erst die Frau zufrieden
stcllen. Ich war auf der Straße mit ksut und Stock. Mc ich dahin gekommen
wußte ich nicht. Ich eilte Straße ans und ab, inein hungriger Magen schlug den
Marsch dazu. Um eine Lcke biegend, xrallte ich gegen meinen Thef. Es gab
einen förmlichen Anall. Pardon, rief ich und riß den ksut herunter, ich habe
nämlich cinen vogel . . . „Das scheint mir auch so," hatte er das wirklich ge-
sagt oder hatte ich mich verhört? Natürlich hatte ich mich verhört. Am Ende
dcr Straße erblickte ich, mindestens fünfhundert Schritte von mir entfernt, einen
Utann mit einem Reff auf dem Rücken. Das war mein ksausierer, ja, das war
er. Nun galt es, ihn einzuholen. Ich verlängerte meine Schritte. Aber auf
diesc weise würde ich ihn nie einholen, ich mußte mich also in Trab setzen.
Utcine Beinc, schon von Natur aus lang, schicueu sich noch zu verlängcrn, ich
schwirrte nur so dahin. Bald wllrde ich ihn haben. Da verschwand er im j)ost-
gebäude. Ich ihm nach. An der Thür hielt mich ein Bekannter an mit der
Frage: „Wohin so eilig?" Ich machte mich los. Im Davoneilen rief ichi Lnt-
schuldigen Sie, ich habe nämlich einen vogel. „ksaben Sie don nicht schon immer
gehabt?" klang es mir »ach. Dicsmal hatte ich mich nicht verhört, na ivartel
Aeuchend langte ich vor dem Schalter an. Lin Blick — es war mein ksausierer
gar nicht, es war ein unschuldiger Leinwandhändler, ohne Siinde, wie ein neu-
geborenes Aind.

Ich wankte hinaus. Da fiel mir ein, daß ein Uhr dreißig Minuten ein
ffjug geht. ksimmel, es fehlen nnr noch fünf lNinuten an der Zcit, nnd der
ksausierer fährt womöglich mit diesem Zuge ab. Ich lief, was ich konnte, und
erreichte den Bahnhof noch vor Lintreffen des Zuges. „Lin vogelhändler hier?"
sragte ich alle Welt, und alle Welt antwortetei „Aein vogelhändler hier." Der
halbtaube Mirt aber verstand „ein Gläschen frisches Bier", ließ sich das nicht
zwcimal sagen und brachte einen Schoppen angeschleppt. Ich war mit dieser
?lntwort auf meine Frage zufrieden, denn ich war von dem Umherlaufen müde
und durstig geworden -- außerdem schien mein ksunger noch gewachsen zu sein,
was aber eine Gefühlstäuschung war, denn der war schon bei meinem Weggange
von heim so groß gemesen, daß er überhaupt nicht mehr wachsen konnte. Aber
cssen mußtc ich jetzt, sonst fiel ich um — meinetwegen mochte der ksausierer echap-
pieren. So sragte ich denn den Wirt, was er zu essen habe. Diese Irage ver-
stand er sofort und zählte nun die kserrlichkeiten des Büffetts auf. Wer die N)ahl
hat, hat die Vual, sagte ich und aß sämtliche Reste von vierzehn Tagen: drei be-
legte Brödchen, ein Stück Aal in Gelee und vier Neunaugen. Als das Büffett
leer war und der NArt Anstalten machte, mich aus Dankbarkeit zu umarmen, war
ich satt. Getrunken hatte ich natiirlich auch.

Als ich um vier Uhr in sehr gehobener Stimmung nach ksause kam, fand
ich meine Frau in Thränen, und ksansi, der noch immer dösig auf seiner Stange
hockte, besaß einen neuen Namen, denn meine Frau, cinem Nervenkrampfe nahe,
schrie ihn „Iiska" an, mir aber warf sie einen Lsel an den Aopf und — ihren
linkcn pantoffel.

In den nächsten Tagen riß der Besuch bei uns nicht ab, das ganze Nest
schien sich verabredet zu haben, sich bei uns Rendezvous zu geben. Aaum iw
Zimmer, stürzte man auf den Vogel zu nnd bewundert ihn. Nun ging es ans
Fragen. Uteine Frau und ich antworteten. wir hatteu stillschmeigend die Rollen
unter uns verteilt — „stillschmeigend" sage ich, denn seit der Pantoffelgeschichte
kanntcn wir uns nicht mehr und sprachen nicht mit einander, wenn kein Befuch
da war. Also die erste Frage lautete stereotyp i „Singt er?" Ich: ja, aber augen-
blicklich ist er heiser. „wic heißt er?" Meine Frau: Ziska, weil er nur ein
Auge hat. „Ach, das ist der Star, nicht wahr?" Ich: Ia, das ist der graue
Star. „Geht er nicht zu operieren?" Meinc Frau: Ia, mein Mann hat auch be-
rcits dcn Doktor Aarl Ruß konsultiert. „Was frißt das Tierchen?" Ich: Alles,
was man ihm vorsetzt, nur keine Schuhnägel. „Ist er verträglich?" Meine Frau:
Lr beißt, wenn man ihm die Schwanzsedern ausrauft. wir Beide: Adieu, beehren
Sic uns bald wieder.

Ich sage Dir, Iunge, es war einfach entsetzlich. Nnd dazu kam, daß ich
mich schrecklich über die Dummhcit des Tieres ärgerte, das so dösig auf seiner
Stange saß und kcin Glied rührte.

Der kluge Mrt.

wirt: „Aha, die Lampe raucht!"

„Aarl sag' zuin Fritz die Lampe raucht."

„wenn die Flamme nicht bald herab-
geschraubt wird, muß der Lylinder
springen."
 
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