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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0042
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32

Meggendorfers Hurnoristische Blätter.


Ia, in indischcr 5prache gestand der Sanskritgelehrte seine
gliihende Liebe, dem göttlichen lveibe, das all sein Sinnen und
Dcnken ersiillte. Wie mußten die heimatlichen Laute wohlig
die im fremden Lande weilende berührenl

Aber unnahbar war die Göttergleiche; nicht die geringste
Antwort ward dem Sehnsiichtigen zu teil, keiner seiner liebe-
gliihenden Blicke, die er der Angebeteten bei den allabendlichen
vorstellungen zuwarß ward erwidert. So spröde, so hartherzig,
es war zum verzweifeln; das mußte ein Lnde nehmen.

Alfons erkundigte sich beim Impresario des Lircus nach lvoh-
nung und Gewohnheiten der Schönen; alles, was er in Lrfah-
rung bringen konnte, war, daß dieselbe jeden Abend kurz vor
ihrem Auftreten angefahren käme, wobei sie bereits ini Aostnm
sich besinde und von einem älteren Frauenzimmer begleitet sei,
das weder deutsch noch englisch, französisch oder italienisch sxreche
und osfenbar auch aus Indien stamme. Sobald die Inderin
ihre abendliche Aufgabe erfüllt, begab sie sich in dem auf sie
wartenden U)agcn wieder nach Liause. Niemand hatte noch
mit ihr sxrechcn können, da sie nur der ksindusprache mächtig
war und niemand vom Lircuspersonal hatte sie außerhalb des
Gebäudes je zu Gesicht bekommen. Sie vermied allen verkehr
und lebte gänzlich zurückgezogen. Ihr Lngagement war mit
einem Alr. Belling, ihrem Impresario, mbgeschlossen worden;
durch ihn wurde ausschließlich mit ihr geschästlich verkehrt.
Nr. Belling war ein feiner, liebenswürdiger Mann, der jeden
Alorgen beim Direktor vorsxrach und mit allen Lircusmitgliedern
aufs freundlichstc verkehrte, über seino Dame aber keinerlei
Auskunft gab, sondern verschlossen wor wie das Grab, wenn
Neugierige ihn auszuforschen versuchteir.

Dr. Stülpnagel war im bsotel gewesen, aber mit dem Be-
merken zurüchgewiesen worden, Niss ^marLsimrkiäckü empfange
keinerlei Besuche. Lr bcschloß daher, den Impresario, Mr.
Belling ins Gebet zu nchmen. Aber so liebonswiirdig derselbe
auch dem jungen Gelehrten gegenüber sich benahm, über die
Göttliche verweigerte er jeden Ausschluß und unglücklich zog
der Liebende von dannen.

Doch !Nr. Belling hatte sich als feingebildeter Mann er-
wiesen, der ebenfalls einige Iahre in Indien gclebt hatte und
dank den vielen zusammentresfenden Lrinnerungen geschah es,
daß der Gelehrte und der Impresario an einan-
der Gcfallen fanden und sich ein kameradschaftliches
DerhLltnis zwischen den beiden entsxann. Sobald
jedoch das Gespräch auf die schöne Inderin zu -ge-
raten drohte, verstummte Mr. Belling entweder,
oder er schlug ein anderes Thema an.

Dr. Stiilxnagel slehte seinen neuen Freund ver-
geblich um seine vermittlung an, ihm eine Zu-
sammenkunft mit sciner Angebeteten zu verschasfen;
alles war vergebens.--

wieder war' der Lircus Linarelli zum brechcn
voll; das letzte Aufreten der Schlangenkönigin
-XmarasimrkiLcla war angekündigt. Auch Doktor
Stülpnagel war da; er bcfand sich in fieber-
hafter Aufregung. Ls war das kein lvnn-
der; hatte ihm doch sein ch'round Belling
hcute die erfreuliche Alitteilung ge-
macht, ^marasimrkiLckL wolle aus
Dankbarkeit für seine Treue und zum
Abschied nach der heutigen Vorstellung
seinen Besuch in ihrem ksotel entgegen-
nehmen. Welch ein Glück, die kserrliche

von Angesicht zu Angesicht schauen, mit ihr sprechen zu können!
wie im Traume sah Alfons das Ooriiberspringen der Pferde,
das Arbeiten dcr Artisten; all sein Dichten und Trachten war
auf einen Punkt konzentriert, auf sie, die Unvergleichliche, die
er heute Abend sxrechen durfte.

Lndlich. In nichtendenwollendem Beifall erstattete das
zahlreiche jdublikum der gefeierten Schönheit den Tribut der
Zuneigung und verehrung, Lorbcerkränze und Blumensträuße
flogen in die Ukanege, „auf wicdersehen" tönte es vielstimmig
durch die ksalle und glücklich lächelnd, anmutig wie immer, ver-
neigte sich dankend das herrliche Geschöpf und verließ den
Lircus.

Auf Flügeln der Liebe folgte ihr Dr. Stülpnagel ins ksotel.
Ghne bsindernis gelangte er zur Mohnung der Schlangenkönigin,
wo er von deren Duenna freundlich empfangen wurde.

Nach kurzer Zeit ösfnete sich die Thüre des Nebenzimmers
und ^marasimrkiäclL trat ein. Freundlich lächelnd ging sie
auf den glücklichen Liebhaber zu, ihm die bsand reichend.

„Mein lieber Freund" begann sie mit sonorer Stimme im
schmeichelndsten Alt und in jenem Deutsch, das die englische
Abkunft verrät, „vor meiner Abreise von hier möchte ich Ihnen
Lebewohl sagen und zugleich Sie um vergebung bitten, daß
ich Ihnen eine Lnttäuschung bereite, die ich Ihnen wohl er-
sxart hätte, wenn meine Zuneigung zu Ihnen mir die Fort-
setzung eines Betruges Ihnen gegenüber nicht verböte."

Bei diesen worten entfernte sie die goldene Spange und
gab das schwarze ksaar in seiner ganzen Fülle frei. Entzückt
wollte Alfons zu ihren Füßen stürzen, aber sie hielt ihn aus.
Alit einer raschen Bewegung hatte sie ihre bsaare gefaßt, vom
Aoxfe gerissen, und die jdcrücke von sich geworsen. Lin kurz-
geschorenes bsaupt kam zum vorschein.

„Um Gotteswillen, Sie sind — — — — — — — —."

„^murasimrkiLcka und Ihr aufrichtig ergebener Freund
Belling in einer jderson. Aber bitte, verraten Sio nicht, was
Sie gesehen, was ich Ihnen als Freund eröffnet habe." — —

Seufter.

Aantippe (m höchster wut zu ibrem Mann): „kllein bserrl" .
Lr: „Ia, wenn ich Dein kserr wärel"

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschäftsflellq in München» Schubertstrstze 6.
 
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