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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0094
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Meggendorfsr5 ^umoristischs Blätler.

Kchwerer Hummer.

5usi Iwrlche die Lrstgedorene i» der Zamilie ist): „!Nein Gott, vierzehn Iahre bin ich alt und schon Aeltestel"

Der Sliefelbericht.

von Th. MüNer.

^^^ergeant Schlury saß in seinein durch Mann-
schaftsschränke gebildeten verschlage vor
seinein Tische und kaute an einem Federn-

halter.

Soeben hatte er — er war Uammersergeant —
eine ihm von seinem Hauptmann zur Abschrift ge-
gebene Arbeit beendigt (es handelte sich um die
militärisch höchst interessante Frage, wieviel Paar
Stiefel bei den letztenManövern zu Grunde gegangen
seien, speziech ob die anfangs große Lsitze oder die
darauf folgende anhaltende Feuchtigkeit denselben
schädlicher gewesen wäre — Lsäuxtlinge leisten sich
manchmal solche Scherze), sie dann sauber zusammen-
gefaltet, in ein Dienstcouvert gesteckt, einen Seufzer
ü Is. Blasebalg von sich gegeben und darauf seinen
Blick an der Wand auf einer dort angenagelten
Photographie haften lassen.

Ein schwärmerisches Lächeln umglitt seine Lip-
pen unter dem buschigen Schnurrbarte und seine
etwas rötlich angehauchte Nase hob sich stolz emxor
— die da hing und mit ihrem wohlgenährten, runden
Gesichte lächelnd auf ihn herabsah, Ivar „sie", seine
angebetete Louise, seine Braut, und (präsentiert das
Gewehrl) Zimmermädchen bei seiner Lxcellenz dem
kommandierenden General!

Da konnte man seine Nase schon erheben; zu
einer solchen Stellung hat nicht jede das Zeug, da-
zu gehört nicht nur, daß man etwas gelernt hat
in seinem Fache, sie verlangt auch Schli.ff --
Bildungl

Und Louise hielt viel auf Bildung; war des

Tages Arbeit gethan, so ward ein Buch zur ksand
genommen und in dem freundlichen Stübchen, das
ihr zugeteilt war, sich dem Genusse der Lektüre hin-
gegeben — daß diese Lektüre etwas kunterbunt zu-
sammengestellt war, that dem vergnügen keinen Ein-
trag, Louise las alles — d. h. wenn es moralisch
war und in Bezug hierauf mußte der Lommis in
der Leihbibliothek stets die umfassendste Erklärung
abgebsn . . . es hatte einmal eine furchtbare Scene
gegeben, als er ihr einen Iola in das jdaket ge-
schmuggelt hatte. Am allerliebsten aber waren ihr
Gedichte und unter diesen wieder die lyrischen.

Dieser Zug zur Zartheit war auch dem Ser-
geanten eigen und — ich getraue mir's eigentlich
gar nicht zu schreiben, aber es ist leider Thatsache,
er machte selbst in Lyrik . . . Niemand wird nun-
mehr erstaunt sein, daß sich diese gleichgestimmten
Seelen zusaminenfanden.

Schlury also schaute auf das Bild Lonisens,
seiner Muse, wie er sie im geheimen nannte, und
es schien, als ob sie ihn auch heute, wie so oft,
befruchten würde, denn seine Blicke wurden immer
schwärmerischer und sein Arm griff xlötzlich weit
aus, um einen neuen jdapierbogen heranzuziehen
und diesen, nach Pausen des Nachdenkens, allmäh-
lich mit verszeilen zu füllen, nachdem sie sein
Dichtermund vorerst vor sich hingemurmelt hatte:
(!) Du, ja Du, dem, der Dir da
Schickt dies Gedicht, wärst Du ihm nah,

Lr duldet um Dich im Lserzen
Die bittersten Trennungsschmerzenl
 
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