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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0096
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Rlcggendorsers Hunioristische Blaller.


resse des allerhöchsten Dienstes" schmefeln, so daß sich einem
die Dcirme im Leibe verdrehten. Die Gesichter der ksauptleute
drückten ein deutliches' „Das sehlte noch, daß der unglnckselige
Mensch von vorn wieder anfinge, die Geschichte dauert so schon
anderthalb Ltundenl" — ZVas Sen Stab anbelangt, so sah er
furchtbar gelangweilt darein — man kannte den Streber — es
war noch nie etwas herausgekommen bei seinen „Vorträgen".

Line etwas raschere Lsandbewegung des Regimentskomman-
deurs rnttelte den ksauptmann aus seiner Uunstpause. Er fuhr
fort: „Ls sind die Stiefel . . ."

Man hörte einige Gluckser in den Lientenantskreisen, die
auf unterdrncktes Lachen schließen ließen; ein Rundblick des
Rommandeurs stellte den Lrnst wieder her.

„. . . deren Abnutzung ich statistisch-meteorologisch zu be-
arbeiten . . ." er erhob hiebei das Diensteouvert, welches er in
ksänden hielt.

„Na ja, bitte, ich will mal die Geschichte durchschen, geben
Sie her, lherr lhauptmann." Der lhauptmann machte Lin-
wendungen, daß „die Sache doch noch nicht bis zu Lnde gediehen",
der Vberst aber nahm ihm mit einem „bitte" das gefährliche
Louvert ab und entließ die kserren. —

Ls war Uebung in der Garnison, daß bei gegebener Dienst-
freiheit die Stabsoffiziere und Generale an den Donnerstagen
in einem eleganten Meinlokale zum lNorgenschoppen kamsn —
und heute war Donnerstag. Auch der Vberst ging hin und
hatte sogar die Lhrc nach kurzer Zeit seinen hohen Gönner,
den kominandierenden General, an seiner Seite sihen zu sehen.
Das Louvert mit der Stiefelstatistik hatte er im Aermelauf-
schlage mitgebracht; dann aber, als die Lxcellenz gekommen war,
hatte er es in Lile in seinen Mantel gepfropft — man wollte
sich doch nicht mit dem Ding da im Ausschlage wichtig machen,
oder gar eine Frage riskieren l Rin also damit in den Mantel
--der Lxcellenz.

Als die letztere sich nach kurzem Anfenthalte empfohlen
hatte, war natürlich auch der „Stiefelbericht" >nit fort nnd
der Dberst, na der hatte den Stiefelbericht vergessen, bis er ihm
wieder in Lrinnerung gebracht wurde.-

Lxcellenz saß, von seiner Familie umgeben, bei Tische.

Die lyrische Louise hatte eben die Suppe herumgegeben,
als Anton, die Drdonnanz, auf den Zehenspitzen hinter den
Stuhl des Generals trat und flüsterte:

„Lntschuldigen Lxcellenz, dieses Louvert stack im Mantel."

Dieser besah das Louvert, drehte es hin nnd her und las
schließlich die Aufschrift: „Von der achten Loinpagnie x-ten
Insanterieregiments." Lr schüttelte den Lopf: „Mir unbegreif-
lich . . wie kommt das dahinein? und nicht einmal verschlossen
ist das Ding ... ", langsam entfaltete er den Bogen.

Ls war köstlich sein Gesicht zu betrachten; er sah aus wie
ein Mensch, der sich etwas absolut nicht znsammenreimen kann
nnd doch waren es Verse, welche er vor sich hatte. Lndlich
las er:

„D Du, ja Du, dem, der Dir da
Schickt dies Gedicht, wärst Du ihm nah,

Lr duldet um Dich im kjerzen
Die bittersten Trennungsschmerzenl"

Die Lxcellenz griff sich an die Stirn und besah sich mit
einem raschen Blicke seine hochaufhorchende Familie. Dann
las er weiter:

„Lin ganze woche sah er Dich nicht

Ich glaube, daß bald das therz ihm bricht ..."

„Ia, hat denn die lvelt schon je einen solchen Blödsinn
gehört . . . und so was steckt in einem Dienstcouvert und in

meinem Mantell Da schlag doch . . . mir wird ganz übel. . .
Louise ein Glas lvasser . . . Nikodemns unterzeichnet sich dieser
schauderhaftc Aerl, der einen solchen Sudel zusammenschmiert!
Lennen möchte ich dieses Mannsbild . . . aber ich werde dieses
Genie der achten Lompagnie schon dichten lehren . . . ein Glas
Wasser Lonise ... I"

Doch diese brachte kein lvasser, sondern ries, sich ihm zn
Füßen werfend: „Gnade . . . Gnadel"

„Die Geschichte wird immer schöner", meinte die Lxcellenz,
„Sie sind wohl verriickt geworden?"

„Ach thun Sie ihm nichts, Lxcellenzl"

„lvem denn, überspannte Person?"

„Ach dem Sergeanten bei der achten Lompagnie, Schlury ...
Nikodemus Schlury, meinem Bräutigam, er dichtet zuweilcn,
aber das thut doch niemand wehl"

„Na, nun hören Sie einmal . . . bjimmeldonnerwetter
machen Sie, daß Sie aufstehen und herauskommen!"

Louise ging weinend ab und die Lxcellenz sah schaudernd
auf seine Familie und sagte: „Ich mag die Sache gar nicht
ansdenken — wenn mich der Lerl am Lnde schon lange als

postillori ck'amonr benützt hättel"-

Zn den angestellten Recherchen fehlte in der Lette ein
Glied: !vie waren die beiden Schreiben vertauscht worden?
Schlury legte dafiir seine bsand ins Feuer: ihm sei es nicht
passiertl Aber er hatte seinen bestimmten Verdacht —Hopsell
Den Beweis zu erbringen gelang ihm nicht — er konnte ihm
nur hie nnd da am Zeuge weiter flicken und da auch nur so
lange, bis lhopsel es durchsetzte, zu einer anderen Lompagnic
zu kommen. !ver da aber glanben sollte, Schlury hätte
anf diesen vorfall hin das Dichten aufgegeben, der tänscht sich
gewaltig — er dichtet weiter, nur der versand geschieht vor
sichtiger.

Unler Dienffsioten.

— „Dn warst ja anch beim Doklor Schulz, was ist das snr
eine iserrschaft?"

— Margarineherrschaft."

Kekundärbahn-Äalanterie.

Iunge Dame: „. . . ich werde bis zur nächsten Station
schlafen."

Loupegenosse: „Gnädiges Fräulein wollen also zweites
Dornröschen spielen?"

ZKacht der cKewohnhcit.

^ 1UdeNt (welcher im Ballsacil ausgeglitten und mit seiner Tänzerin gefallen tst):

„Donnerwetter, läßt sich denn kein Nachtwächter sehen?"

verantwortlicher Redaktcur: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber in Lßlingen bei Stuttgart.

Geschästsstellst in Münchrn, Schnbertyraffe 6.
 
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