Meggendorsers Humoristische Blätter.
s27
Immer Vörsicmer.
ä onntagsreiter: „Gott warum so 'ne große Lsausse?"
Wie Tim Donovan auf öen Vrifch klopfte.
Humoreste von Wilhclm Miiller.
eit dem Tode seiner INutter bearbeitete Tim Donovan,
der einzige Irländer unter lauter Deutsch-Teranern,
allein seine Farm in Neu-5teinberg. Infolge seiner
nationalen Ausnahmsstellung nannte inan ihn in der ganzen
Ansiedlung nicht anders als „Irisch Tim". Dieser Beiname
schloß aber durchaus nichts Beleidigendes in sich; Tim war viel-
mehr als ein steißiger und iiberaus gutmutiger Bursche bei
alt und jung beliebt, und da er sich auch eines schmucken Aus-
sehens erfreute, schcnkte ihm der weibliche heiratsfähige Teil
der Bevölkerung seine ganz besondere Aufmerksamkeit. Tim
hatte jedoch nur Augen für die hnbsche Bessie Walters, die mit
ihrer verwitweten Mutter den Aramladen gegeniiber der lute-
rischen Airche betrieb. Aber merkwnrdig — während Tim auf
der Jagd schon manchem Bären auf den Pelz gernckt war und
sich bei einer Rauferei vor dem stärksten Gegner nicht fürchtete,
wurde er durch einen Blick aus den dunklen Augen Bessies so
verwirrt, daß er nicht don tNut fand, das entscheidende wort
zu sprechen, obgleich es das begehrenswerte Nlädchen nicht an
freundlicher Aufmunterung fehlen ließ.
Diese Unbeholfenheit der Lrkorenen gegenüber verursachte
Tim viele Sorge, sie war in der That sein einziger Aummer,
und gerade jetzt hatte er seinem Freunde Fred Bern unter Aus-
brüchen der Selbstverdammung seine Not geklagt.
Fred zog die Stirne kraus, kraute sich hinter den Ghren
und sxrach: „weißt Du Tim, ich kann mich ganz in Deine Lage
denken, denn auch ich habe eine heilige Scheu vor allen an-
ständigen Frauenzimmcrn, besonders aber
vor der Lena Millems gehabt. ksundert-
mal wollte ich ihr eine Liebeserklärung
machen, allein immer blieben mir die
worte in der Aehle stecken. Doch ich
will Dir etwas sagen — wenn der 6ase
in den Gemüsegarten will und kann nicht
über den Zaun springen, kriecht er drunter
durch, nnd so muß es unsereins bei den
Weibern machen. wir haben nicht den
Mut und Lhic gerade mit der Rede
herauszuplatzen und müssen daruin schlau
auf den Busch klopfen. Mein vater hat
mich gelehrt, wie man das zu tvege
bringt. Ich habe damit bei der Lena
Willems riesig Glück gehabt und will Dir
den pfiff sogleich gerne mitteilen. Siehst
Du hier meine Uhr und das ksaus in-
wendig auf dem Deckel? Nun, an einem
Sonntag gehe ich zu der Lena; sie sitzt im
Garten hinterm bsaus und ich setze mich zu
ihr unter den Zuckerahorn. Dann zieh'
ich meine Uhr aus der Tasche und sag:
Miß Lena, wie gefällt Ihnen die Uhr?
Die Uhr ist sehr hübsch, antwortete Lena.
Dann laß ich den Deckel aufspringen und
sag: Sehen Sie, die Uhr hat auch einen
Deckel, und was halten Sie von dem
Lsäusel, das drauf graviert ist? Das ksäusel
ist noch hübscher, sagt sie, und ich fahr'
fort: Und wie würde Ihnen gefallen, wenn
wir zwei in ein solches ksäusel ziehen und
zusammen hansen würden? — Das wäre
am allernettsten, sagt dic Lena und da
drauf hab' ich sie riesig abgeküßt und am
nächsten Sonntag hat uns der Pfarrer
zusammengeschmiedet. Siehst Du Tim, so kloxft man bei Frauen
auf den Busch."
Tim hatte aufmerksam zugehört. Ietzt zog er seine silberne
Uhr aus der Tasche, öffnete sie und sprach: „bsm, das ist alles
ganz schön und gut, aber mein Deckel hat kein bsaus und so
nützt mir Dein Pstff ganz und gar nichtsl"
„Bist Du aber ein Schlaumeierl" rief Fred lachend, „ich
hab' nicht gcmeint, daß Du mir's ganz genau nachmachen solltest,
nein, Du mußst Dir halt etwas Aehnliches ausdenkenl Dann
wird's schon gehen." UUt diesen worten nahm Fred von seinem
Freunde Abschied und überließ denselben seinem Bangen und
thoffen. Tim beschloß die Angebetete nicht eher wieder aufzu-
suchen, als bis ihin ein Plan, bei ihr auf den Busch zu klopfen
eingefallen wäre. Allein wie er auch sann und sann und sich
den Aopf zerbrach, es wollte ihm kein Gedanke kommen. Am
nächsten Sonntag zog es ihn trotz seines festen Lntschlusses mit
aller Macht zur Geliebten, und so ging er bedrückten therzens
und so klug wie zuvor zu Bessie. Die Mutter emxfing ihn,
fiihrte ihn in den Parlour und ersuchte ihn, sich einige Augen-
blicke zu setzen. Bessie sei noch in der Aüche beschäftigt, würde
aber gleich ihr Erscheinen möglich machen.
Tim ließ sich in einem Schaukelstuhl an dem runden Tisch
nieder, nahm ein Buch in die lsand und begann mechanisch in
demselben zu blättern. Ls war der „Illustrierte Sonntagsgast",
und da Tim nicht deutsch lesen konnte betrachtete ^r die Illu-
strationen. So kam er auch an das Bild eines sta'ttlichen von
BLumen umgebenen bsauses, und beim Anblick desselben schoß
es ihm plötzlich wie ein Blitz durch den Aopf, denn er glaubte
s27
Immer Vörsicmer.
ä onntagsreiter: „Gott warum so 'ne große Lsausse?"
Wie Tim Donovan auf öen Vrifch klopfte.
Humoreste von Wilhclm Miiller.
eit dem Tode seiner INutter bearbeitete Tim Donovan,
der einzige Irländer unter lauter Deutsch-Teranern,
allein seine Farm in Neu-5teinberg. Infolge seiner
nationalen Ausnahmsstellung nannte inan ihn in der ganzen
Ansiedlung nicht anders als „Irisch Tim". Dieser Beiname
schloß aber durchaus nichts Beleidigendes in sich; Tim war viel-
mehr als ein steißiger und iiberaus gutmutiger Bursche bei
alt und jung beliebt, und da er sich auch eines schmucken Aus-
sehens erfreute, schcnkte ihm der weibliche heiratsfähige Teil
der Bevölkerung seine ganz besondere Aufmerksamkeit. Tim
hatte jedoch nur Augen für die hnbsche Bessie Walters, die mit
ihrer verwitweten Mutter den Aramladen gegeniiber der lute-
rischen Airche betrieb. Aber merkwnrdig — während Tim auf
der Jagd schon manchem Bären auf den Pelz gernckt war und
sich bei einer Rauferei vor dem stärksten Gegner nicht fürchtete,
wurde er durch einen Blick aus den dunklen Augen Bessies so
verwirrt, daß er nicht don tNut fand, das entscheidende wort
zu sprechen, obgleich es das begehrenswerte Nlädchen nicht an
freundlicher Aufmunterung fehlen ließ.
Diese Unbeholfenheit der Lrkorenen gegenüber verursachte
Tim viele Sorge, sie war in der That sein einziger Aummer,
und gerade jetzt hatte er seinem Freunde Fred Bern unter Aus-
brüchen der Selbstverdammung seine Not geklagt.
Fred zog die Stirne kraus, kraute sich hinter den Ghren
und sxrach: „weißt Du Tim, ich kann mich ganz in Deine Lage
denken, denn auch ich habe eine heilige Scheu vor allen an-
ständigen Frauenzimmcrn, besonders aber
vor der Lena Millems gehabt. ksundert-
mal wollte ich ihr eine Liebeserklärung
machen, allein immer blieben mir die
worte in der Aehle stecken. Doch ich
will Dir etwas sagen — wenn der 6ase
in den Gemüsegarten will und kann nicht
über den Zaun springen, kriecht er drunter
durch, nnd so muß es unsereins bei den
Weibern machen. wir haben nicht den
Mut und Lhic gerade mit der Rede
herauszuplatzen und müssen daruin schlau
auf den Busch klopfen. Mein vater hat
mich gelehrt, wie man das zu tvege
bringt. Ich habe damit bei der Lena
Willems riesig Glück gehabt und will Dir
den pfiff sogleich gerne mitteilen. Siehst
Du hier meine Uhr und das ksaus in-
wendig auf dem Deckel? Nun, an einem
Sonntag gehe ich zu der Lena; sie sitzt im
Garten hinterm bsaus und ich setze mich zu
ihr unter den Zuckerahorn. Dann zieh'
ich meine Uhr aus der Tasche und sag:
Miß Lena, wie gefällt Ihnen die Uhr?
Die Uhr ist sehr hübsch, antwortete Lena.
Dann laß ich den Deckel aufspringen und
sag: Sehen Sie, die Uhr hat auch einen
Deckel, und was halten Sie von dem
Lsäusel, das drauf graviert ist? Das ksäusel
ist noch hübscher, sagt sie, und ich fahr'
fort: Und wie würde Ihnen gefallen, wenn
wir zwei in ein solches ksäusel ziehen und
zusammen hansen würden? — Das wäre
am allernettsten, sagt dic Lena und da
drauf hab' ich sie riesig abgeküßt und am
nächsten Sonntag hat uns der Pfarrer
zusammengeschmiedet. Siehst Du Tim, so kloxft man bei Frauen
auf den Busch."
Tim hatte aufmerksam zugehört. Ietzt zog er seine silberne
Uhr aus der Tasche, öffnete sie und sprach: „bsm, das ist alles
ganz schön und gut, aber mein Deckel hat kein bsaus und so
nützt mir Dein Pstff ganz und gar nichtsl"
„Bist Du aber ein Schlaumeierl" rief Fred lachend, „ich
hab' nicht gcmeint, daß Du mir's ganz genau nachmachen solltest,
nein, Du mußst Dir halt etwas Aehnliches ausdenkenl Dann
wird's schon gehen." UUt diesen worten nahm Fred von seinem
Freunde Abschied und überließ denselben seinem Bangen und
thoffen. Tim beschloß die Angebetete nicht eher wieder aufzu-
suchen, als bis ihin ein Plan, bei ihr auf den Busch zu klopfen
eingefallen wäre. Allein wie er auch sann und sann und sich
den Aopf zerbrach, es wollte ihm kein Gedanke kommen. Am
nächsten Sonntag zog es ihn trotz seines festen Lntschlusses mit
aller Macht zur Geliebten, und so ging er bedrückten therzens
und so klug wie zuvor zu Bessie. Die Mutter emxfing ihn,
fiihrte ihn in den Parlour und ersuchte ihn, sich einige Augen-
blicke zu setzen. Bessie sei noch in der Aüche beschäftigt, würde
aber gleich ihr Erscheinen möglich machen.
Tim ließ sich in einem Schaukelstuhl an dem runden Tisch
nieder, nahm ein Buch in die lsand und begann mechanisch in
demselben zu blättern. Ls war der „Illustrierte Sonntagsgast",
und da Tim nicht deutsch lesen konnte betrachtete ^r die Illu-
strationen. So kam er auch an das Bild eines sta'ttlichen von
BLumen umgebenen bsauses, und beim Anblick desselben schoß
es ihm plötzlich wie ein Blitz durch den Aopf, denn er glaubte