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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 32.1898 (Nr. 367-379)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20912#0148
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j38

Neggendorfers ^umoristische Biätter.

Der pflichteifrige Diener.

-0 Gnädigei Da sind siel"--

Äine Aadterm.

Line Geschichle von Hug v Klein.

U nser R. F. L. machte einen Anssiug nach dem Deutsch-
I walde. Er liegt etwa zwei Stunden von unserer 5tadt

^ entfernt, in einem reizenden Thale, das sich zwischen
mäßig hohen Bergen hinzieht. Zwischen den grünen, baumbe-
wachsenen Felsenwänden, auf der breiten, glatten Straße radelt
es sich xrächtig dahin, besonders jetzt, zu herbstlicher Zeit, wo
die Sonne milder strahlt. lhie und da färbt sich der Mald schon
rot und braun; aber das bringt nur neue Farben in die üxpige
Naturscenerie und ist nur um so hübscher.

Dem R. F. L. gehören auch viele weibliche Ntitglieder an,
uüd so lag es im plane, am Lnde des Deutschwaldes, wo ein
verlockendes wirtshäuschen steht, das beliebte Ausflugsziel
städtischer Wanderer, ein kleines Tänzchen zu machen. Die
Bic^clisten erfreuen sich in der tanzenden Frauenwelt des besten
Rufes; denn auch die dicken und behaglichen unter ihnen ent-
ziehen sich keinem Walzer — sie hoffen, durch diese Leibesübung
ebenfalls schlanker zu werden. Und so war zu erwarten, daß
auch aus der Villenkolonie des nächsten Dörfchens die hübschen
Ukädchen, obzwar unberädert, zu unserem Aränzchen gepilgert
kommen würden.

So war es auch. Line ganz allerliebste Schar junger
Damen fand sich ein. Aber die schönste unter ihnen, wenigstens
jene, die mir am meisten gefiel, war eine Radlerin, eine reizende
Brünette mit Blauaugen, die meistens sehr heiter, manchmal
aber auch so schmachtend blickten, daß den Sternguckern, die zu
ihnen aufblickten, ganz warm wurde. Ach, diese Radlerin mußte
Ukomente haben, in welchen sie zu schwach war, einen Sturm
auf ihr bjerz zurückzuschlagen. Auf meine Lrkundigungen er-
fuhr ich, daß sie verwitwet sei — Frau Franzi nannten sie ihre
verehrer ganz kurz, und das genügte auch mir. Eine reiche

Witwel Eine lustige Mitwe! Und eine Mitwe auf dem Radel
Was konnte ein lebensfrohes Mitglied des R. F. T. besseres
wünschen?

Ich ließ mich ihr vorstellcn, ich schloß mich ihr an. Atit
ihr tanzte ich zumeist. Ich cntwickelte alle meine plauderkünste,
ich lobte ihr hübsches Aostüm und namentlich, wie fesch ihr der
kleine Tirolerhut stehe, ich sxendete auch ihren Blauaugen die
gebührende Anerkennung. Sie ließ sich alle meine bjuldigungen
— lächelnd gefallen, erwiderte mit verwirrender Märme das
Interesso, welches ich ihr bezeugte. Ach, diese Mitwenl Wir
unterhielten uns bald so gemütlich und zwanglos, als wären
wir alte Bekannte. Nach dem Tänzchen wurde im Mirtsgarten
ein kurzos Mahl eingenonnnen. Die grünen Tische standen unter
hohen, hundertjährigen Bäumen, die sich zu eineni schützenden
Laubdach über unseren kjäuxtern wölbten. von der nahen Miese,
wo theu gemäht worden war, brachte ein Lüftchen würzigen
Duft herüber und aus der Mirtsstube erklang in starken Tönen
noch eine neckische Polkaweise der böhmischen Musikanten, die
uns zum Tanze aufgesxielt hatten.

„lhier ist es schön, nicht wahr?" sagte Frau Franzi mit
einem schwärmerischen Augenaufschlag.

„Sehr schön — doch heute ein bißchen zu lärmend. Unter
diesen hohen Bäumen muß es sich herrlich sitzen lassen, zu
zweien, in stiller Stunde, ohne Musik und Gläserklirren —"

„Da haben Sie recht. Ich bin auf meinem Rade ein paar
Mal schon ganz allein nach dem Deutschwalde herausgekommen
und habe mich immer der entzückenden Ruhe gefreut. In dem
Garten da überfallen einen förmlich xoetische Stimmungen.
Ich habe mich indessen nie lange hier aufgehalten. Eine Dame
allein kann es zwar schon wagen, auf dem Rade dahinzufahren,
wenn man aber ohne Begleitung in ein Gasthaus tritt, so sehen
einen die Leute scheel an. Ich habe immer rasch ein Glas
Milch getrunken und dann wieder den Rückweg angetreten."

„Gerne möchte ich Ihnen Gesellschaft leisten. Mann ge-
denken Sie wieder allein einen Ausflug hierher zu machen?"

„Mann? . . . Na, warten Sie einmal .... vielleicht am
Mittwoch . . ."

„Am Mittwoch, wohll Ich werde zur Stelle sein . . .
Doch kann ich an diesem Tage erst so gegen fünf Uhr hier
eintreffen."

„Ich werde wohl viel früher hier sein, aber ich will Sie
erwarten. UAr radeln dann zusammen nach der Stadt."

„NAe liebenswürdigl V, es wird ein entzückender Tag
für mich seinl"

Ein Rendezvousl Nach einer ersten Begegnung schon ein
Rendezvousl Und ein Rendezvous mit einer Radfahr-UAtwe I
Mit einer solchen Radfahr-Mitwel Es war neu, es war be-
rauschend.

Ich suchte am Mittwoch so rasch wie möglich mit meinen
Geschäften fertig zu werden, warf mich in Dreß und eilte auf
geflügeltem Rade nach dem Deutschwalde.

kjatte sich aber der bjimmel gegen meine Rendezvous ver-
schworen? Als ich durch die letzte Sommerfrische fuhr —jene,
welche uns zum Aränzchen des R. F. L. die hübschen Mädchen
im Sommerkleidchen gesandt — umwölkte es sich und schwere
Tropfen begannen zu fallen. Ich hatte kaum auf die Straße
nach dem Deutschwald eingebogen, so fing es an heftiger zu
regnen, und bald ging trotz des herbstlich kühlen Tages ein
ganz sommerliches Gewitter nieder. Die breite, glatte Straße
glich bald einem See, in dem ich unbeirrt vorwärts strebte, ohne
Rücksicht darauf, daß ich bis auf die kjaut durchnäßt war und
die Fahrt immer gefährlicher wurde. Lndlich kam ich an eine
Stelle, wo ich mit dem Rade überhauxt nicht mehr vorwärts
kam. Nicht einmal schieben konnte ich es, denn der Boden war
von den herabstürzenden Gebirgswässern auf einer weiten Strecke
 
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