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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0020
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

Der kluge ir?apagel.

Gast: „Der Papagei scheint sehr schlau zu sein?"

lvirt (d°r gerade gegenüber dem Standesamt mahnt): „Na, lch sage Ihnen, jedesmal wenn driiben ein jdaar hineingeht, dann schreit
er ,Schafskopf>*"

„Seine Lxccllenz."

Sie stellten sich uns vor. „Verzeihen Sie," sagte er, „kscrr von
S., war der General a. D. gleichen Namens in München, Ihr
verwandter, wie ich vcrmute, Ihr Bnkel?" Ich bejahtc die
Frage. „Dann begrüße ich in Ihnen den Neffen meines älte-
sten und besten Iugendfreundes I" Darauf lebhafte, lange Unter-
haliungl

Als sich „Ministers" von uns verabschiedeten, hatten ich
und meine Frau die Lmpfindung, als müsse ein großes Unglück
geschehen, etwa als würde sich das Aleeblatt kopfüber über dic
Brüstung der Veranda in die Tiefe stürzen. Das geschah aber
nicht, denn augenscheinlich verhinderte es daran ein ohnmacht-
artiger Schwächezustand, den die Lnttäuschung hervorgerufen
hatte; leichenblaß kamen die Armen zu uns herangeschlichen.

„So kennen Sje Ihre Lxcellenzen und das haben Sie uns
verschwiegen?" lispelten sie demütig — vorwurfsvoll. N?ir
klärten ihnen mitleidig die Sachlage auf. „Mir ist es unbegreif-
lich," sagte der Präsident, „daß sie uns nicht angesprochen!" —
„Lr hat mich bei dem General v. D. zu Tisch geführt," hauchte die
Präsidentin. — „Und ich habe ihm so viel von meinen Beziehungen
zu der Prinzessin .... erzählen müssen," klagte die Baronin,

„es kann nur daran liegen, daß sie uns nur in Gesellschafts-
toilette gesehen und jetzt — man sieht so ganz anders aus, Du,
j)apa, ohne Drdenl" . . kvir trösteten die gänzlich Gebrochenen.

Am nächsten Morgen, als wir kurz vor Tisch auf dem
Balkon saßen, erschien xlötzlich die Baronin; sie lächelte, ihre
Züge waren verklärt, wie die eines Lngels, der nach langem
Lrdenweh dem sich öffnenden kjimmel wieder zufliegt. „lvie
geht es Jhncn, liebe Baronin?" sagte meine Frau. „Lndlich,
endlichl" hauchte sie, auf einen Stuhl in angenehmer Lrschlaffung
niedersinkend. „lvas ist denn geschehen?" riefen wir. „lvir sind
— erkannt wordenll" tönte es zurück; „Lxcellenz hat mich ange-
sxrochenl" — „Line längere Unterhaltung?" — „Noch nicht," er
sagte nur „guten Morgenl" aber so ... so freundlich l Das Lis
ist gebrochen." Da lachten wir beide gegen alle Regeln der
lsöflichkeit laut auf und riefen einstimmig: „lvir gratulierenl"
„Die Ministerkrisis ist also vorüberl" setzte meine Frau hinzu. —

Seit dem Tage saßen wir wieder ungestört in unserm Nest;
„Ministers" waren unsere Blitzableiter. Als wir sie drei Tage
darauf im lvalde trc^n, waren sie gerade auf der Flucht vor
dem — Uleeblatt.

lscrausgeber u. vcrantwortlicher Rcdakteur: Robert Mohr in lvien. Druck u. verlag von I. F. Schreiber, Lßlingen Stuttgart.

Geschäftsstrlle in München: Schubertstratze 6.
 
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