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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0039
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

SI


In der Restden).

Hering nlit Scihne und Zimnit.

„Sieh nur, Mariechen, wclch schönes Blciul" sagte Fritz.

„I wo, bist wotzl farbcnblind, das ist ja grün I" replizierte
da Marie.

U)ie sollte er ihr nun bewcisen, sie überzeugen, daß der
wagcn blau angestrichen war? lsöchstens so, das; er unbe-
kaunte Passanten oder einen Schutzinann gebeten hätte, dic
tvahrhcit sestzustellcn. Bis diesen aber die Sache erklärt würdc,
wärc dcr wagen längst vcrschwunden.

wcnn Fritz des Morgens ins Aint ging, schlief sein tveib-
chen noch. Lr kain crst abends heim. lvährend der wahl-
zeit herrschte absolute Ruhe. wan hörte bloß das Kaucn
dcr beiden Lhcleute. Nach de»i Speiscn ging es los. Marie
lauerte wie ein pdantherweibchen aus das crste wort ihrcs <8at-
ten, uiu sofort steif und fest das Gegenteil zu behaupteu und init
allcr Lnergie zu verscchten. Das danerte bis zuin Schlafen-
gehcn, nicht länger, dann war's eben aus. Im großen uud
ganzen war's abcr doch eiue rccht glückliche und sriedliche Ehe;
denn sie liebten sich trotz alledem wirklich innig und trcu.

Eines Tages erkrankte Mariens Mutter, die in der jdro-
vinzstadt wohnte, recht bcdcnklich; ein Tclegrainm rief die
Tochter ins Llternhaus.

Fritz erhielt von seiner Frau täglich die zärtlichsten Briese.

Auch er schrieb warine, ja heiße Briese. Und merkwürdig,
was er auch darin behauptete, fand in den Antworten der F'rau
kcine widerrede. vier wochen waren die Gatten getrcnnt,
achtundzwanzig Biefe hatte er geschrieben, mitunter die unsin-
nigsten Bchauptungen aufgestellt, und Marie schrieb stets: „Du
hast recht, liebster Fritz" — nie ein widerspruch. Die Rranken-
geschichte nahm schließlich ein glückliches Lnde, indcm die alte
Dame starb. Das Wiedersehen der Lhcgattcn war rühreud.

„Du armes INariechen, bist von der Reise ganz erschöpft,"
sagtc Fritz auf dcm Bahnhofe nach der herzlichsten Begrüßung.
„warte, ich nehme eine Droschke erster Güte."

„Ich und müde? ksa, ha, hal" versetzte Marie, „keine Spurl
Aber Du bist müde . . oh, nur nicht leugnen, ich sehe es Dir
an. Droschke wird nicht gefahren. Schadc ums licbe Geldl"

Fritz war verzweifelt. Die alte Manie ist also wieder da!
Freilich, das Mittel, den widerspruchsgeist seiner Frau zu ban-
ncn, hattc cr ja gelegentlich der Abwesenheit seiner Frau entdeckt.
Nämlich: Marie sortschicken und mit ihr bloß brieflich verkehren.
Allcin, heißt das auch ein cheliches Leben führen? wie gesagt,
Fritz war verzweifelt.

Lincs Tages — während des Abendbrots — meinte Fritz:
„Marie, Du hast keine Ahnung, wie herrlich Dein blondes bsaar ist."

„Blondes ksaar ist nie schön," sagte sie und eröffnete da-
mit die Lchlacht, obgleich die Dkahlzeit noch nicht bcendet war.

Drei Tage später erschien sie bei Tisch mit dunkelbraunem
bsaar. Fritz dachte, cr werde sie von ihrem Ligensinn kuricren,
ging zu»i Friseur und kam eines Tages zuin Abendbrot
mit blondem lsaar heim.

Maric sagte kein wort; einigc Zeit daraus zcigte sie sicb
ihrem Gemahl in grasgrüncm Baarschmuck.

Fritz schwänzte am Tage daraus das Lureau, begab sich in
deu städtischcn j?ark, setztc sich ans eine Bank und grübelte,
grübclte. Marie ist wahrhastig cine hcrrliche Frau, sie hat ein
goldcnes, gutes iserz, allcin, Gott sci es geklagt, einen eigen-
sinnigen, verschrobenen Aopf. wenn cr ihr diesen nur zurecht
setzen köunte, dann gäbc es in Luropa und Umgebung wahr-
lich kein glücklicheres Lhcpaar I Lr grübelte, grübelte, das Re-
sultat glich ganz genau dem Inhalt der spanischen Kriegskasse
— — nichts.

Ncben ihm saß aus der Lank eiu altes Lhepaar, das sort-
währcnd von isering sprach. Das störte aus die Dauer unserii
Fritz; er erhob sich, nahm aus der nächslen Bank platz, neben
einem jungen Licbcspaar. Iedes zchnte tvort war „mit Sahne."
Lrbost verließ er die Bank und wählte eine andere. Da saßcu
zwci Ainder und flüsterten miteinander. 2llle fünf Minuten
schlug das wort „Zimmt" an Fritzcns Ghr. Und da soll einer
iiachdenken, wic er seinc Frau vou ihrem Fchlcr heilen könnte!
Zornig sprang Fritz aus, begab sich ins wirtshaus, speistc,
trank, las Zeitungcn. Gcgen Abcnd begab er sich nach ksause,
er lächelte, als er sich erinncrte, welche Lrockcn er aus dem
Gesprächc Fremder gesammelt hattc.

Fritz trat ins Zimmer.

„Guten Abend, Mariechen. lseute komme ich um eine
halbe Stunde früher — —"

„Nein, um cinc Stundc zeitigcr," crwidcrtc Marie.

Fritz verstummte.

„wic ich cs sage: eine Stunde," wicderholte Marie gereizt.

Fast uiibewußt kam es da Fritz aus dem Mundc: „Uering
mit Sahne und Zimmt."

Marie sah ihn erstaunt an: „Tine volle Stunde."

Dcr Fritz wiedcrholte tonlos: „bsering mit Sahnc nnd Zimmt."

„lvas hast Du, Fritz?" fragtc nun mit besorgter Mieue Marie.

„ksering mit Sahne und Zimmt," flüsterte Fritz traurig.

„lscrr des lsimmels, er ist wahnsinnig gewordenl" schrie
verzweifelt die arme Frau. „Fritz, komm zu Dir, Fritz, mein
süßer Fritz!"

Fritz that es um seine liebe Frau leid; er spielte aber die
Rolle uiientwegt weiter, indem er in den Fauteuil sank und
unter herzzerreißendem Schluchzen hervorstieß:

„lsering mit Sahne und Zimmt."

Der lsausarzt wird geholt, ein zweiter, dann dcr Polizci-
arzt. Die drei Männcr der wisscnschaft waren eines Sinnes:
Fritz hattc plötzlich den vcrstand verloren.
 
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