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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0049
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

ctwas korpulente Frau mit energischen Zügen, fast so, wie
gewiffe witzblätter die lieben Schwiegermiitter zu zeichnen liebcn;
(besonders auffallend erinnerte sie mich auch an eine ältliche Tanz-
lchrerin, die wir boshaftes Schülercorps wegen ihres martialischen
Aussehens nur den „Feldwebel" nannten). Sie schien die Seele
oder, wenn man will, der vorstand der „Gesellschaft" zu sein,
wenigstens beherrschte sie mit ihrer respektablen Stimmc das
nicht sehr zarte Geplauder der iibrigen Damen in geradezu
souveräner weise.

„Ia, denken Sie sich nur, meine vamen, denken Sie sich ..."

„Ia, was Sie sagenl — Aber neinl — Zu schrecklichl"
klang es von allen Seiten.

„Aber Sie wissen ja noch gar nichtl — Also denkcn Sie
sich, komme ich neulich unversehens in die Rüche, sitzt — wie
gemeinl — ein Unteroffizier an meinem Tisch, denken Sie, und
ißt ganz gemütlich aus meincm Geschirr, als ob er da zu bsause
wärel — Ich war im ersten Uloment so konsterniert. . ."

„Aonsterniert l" ricf mit spitziger Stimmc die kleine, boshafte
Rechnungsrätin dazwischen.

Linige der Damen lachten, andere nahmen schncll einen
Schluck Kaffee oder Ulaffer, um ihre verlegenheit zu verbergen.
In einigen Sekunden aber lagen alle Gesichter wieder in den-
selben ernsten Falten wie vorher.

Die Frau Rechnungsrätin bekam einen wütenden Blick
zugeworfen, was sie aber wenig zu bekümmern schien; ähnliche
Blicke erhielten — mit sehr verschiedenem Lrfolg — die übrigcn
Damen, welche gewagt hatten, zu lachen; denn die Frau Steuer-
rätin hatte im Nu mit ihrem Geierblick die sämtlichen Miencn
gemustert.

„Also denken Sie sich," fuhr die Dame fort und räuspertc
sich sehr laut, um die ungeteilte Aufmcrksamkeit wiedcr auf sich
zu lenken, „hat dic unverschämte Pcrson die Frechheit, ihren
Schah — pfuil — in meine wohnung zu schleppen und ihn
dort auf meine llosten zu füttern. Denken Sie sich nur, in
meine wohnungl" —

Jch fing an, dcn armen Soldaten zn bedaucrn, der in diese
vornehme steuerrätliche wohnung geraten war; dcr Mann hattc
entschieden pech. —

Alles lauschte nun wieder gespannt auf die hochintercssante
Lrzählung der Frau Steuerrätin. Nur ein Mitglied der Ge-
sellschaft zeigte wenig Tcilnahme für den Aüchen- und Familicn-
klatsch der übrigen, nämlich ein bildhübsches Mädchen von vielleicht
siebzehn Iahren. Es war — wie ich glücklich erlauscht hatte —
die Tochter der „konsternierten" Frau Steuerrätin und hieß —
das hatte ich ebcnfalls aufgefangen — Elsa. Schwarze lsaare,
dunkle, blitzende Augen, vollc, kußheischcnde Lippcn. Das junge
Ding schien gerade kein iibermäßiges vergnügcn daran zu em-
pfinden, in so gewichtiger, wohlanständiger Gesellschaft zu sein.
Ls saß — dcn Stuhl etwas zurückgerückt — in gezwnngen-steifer
tsaltung da, die Lsände lässig im Schoß, und ließ in unbcwachten
Momentcn die frischen Augen spazieren gehen. Sie wolltc doch
auch ihre Unterhaltung haben: es kümmerte sich ohnedies nie-
mand um das junge, unerfahrene Ding, das kaum dem pensionat
entronnen war; das mußte erst etwas lernen und erfahren, ehe
es mitsprechen durfte, und übcrdies hatte es ja noch keinen
Mann, über den sich so hübsch hätte raisonnieren lassen.

Der „Mann" schien sich aber bereits anzumelden. In
einiger Lntfernung von der Gesellschaft saß nämlich ein hüb-
scher, junger Mensch — offenbar Student — ganz allein an
einem Tisch; dcr hatte das edle wild, das sich ihm bot, sehr
bald entdeckt, und ich hatte nun meine Freudc daran, wie die
Blicke der beiden wie Telegramme hin- und herflogen. Llsa
wurde sogar einigemal rot, und das stand ihr so hübsch, daß
ich bcinahe selbst — nun ja, man ist doch auch jung und von
Fleisch u,id Blutl Aber ich gönnte dem frischen Menschen scin


Änergisch.

Tourist: „Sagen Sie einmal mein Bester, konimt denn heute
Nacht kein Mond?"

Linhcimischcr: „woll, der kimmt umcn' Llsel"

Tourist: „Sind Sie abcr auch sicher Mann?"
Linheimischer: „Des glaabst, rauß muaß erll"

vcrgnügen, schon deshalb, weil cr das Augcn- und Micncn
geplänkel so geschickt zu führcn wußte. Ls war fast komisch
anzusehen, was die beiden im verlaus der Affaire fiir mcrk-
würdige Gcsichter schnittcn; Amor muß doch oft scinc hcllc
Freude an seincn Mpfern habcn, wcnn cr sich auf physiogno-
mieen versteht.

Also, wie gesagt, es achtete niemand auf die beiden
außer mir.

Das Mädel war aber wirklich zu reizend; man hielt es
nicht für möglich, daß die wunderbare Fran Steuerrätin ihrc
Mutter . . .

Lben legte die edle Dame wieder los.

,,Ia, ja, Sie dürfen mir's glauben, es ist schauderhast mit
den jungen Leuten heutzutage; ach ja, zu meiner Zeit, da war
das ganz anders, da hat man noch auf Sitte und Anstand ge-
sehcn; aber jctzt — schauderhaft, wirklichl — Die Dienst-
boten, nun ja, das wciß man ja, sind cben ordinäre Menschen;
aber wenn — denken Sie sich —" sie bcugte sich etwas vor,
und sofort, wie auf Aommando, rückten auch die iibrigen Aöpfe
näher zusammen — „wisscn Sie noch nicht, was man sich von
der Tochter der Frau Regierungsrat M. erzählt? Sie soll sich
ja in einen ganz gewöhnlichen, grasgrünen Studenten verliebt
haben, der als Uostgänger zu ihren Lltern kam. Denken Sie
sich, in einen Studenten, der noch gar nichts ist, und außerdcm
noch von ganz ordinären, hungrigen Landleuten abstammtl —
Denken Sie mal anl — Und man spricht ohnedies soviel von
diesen Studentenl — Schrecklichl — Zu bedauern ist nur die
Mutterl — Aber nein, es geschieht ihr schon recht. — warum
war sie immer so hochmütigl — Niemand war ihr fein genug;
nicht einmal in unsere Gesellschaft kommt sie, und wir laden
 
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