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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0056
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Illeggendorsers Hurnoristische Blätter.


„Zn aller Weli" oöer die beschlemngie Vertobung.

^udwig war auf die großen Ferien heiuigekomineu. Da cr

ciu ausgezeichuetes Zeuguis mitbrachtc und überhaupt ein

sehr guter Sohn mar, so hatten vater _

und INutter cine nberaus große Freude
an ihm. Auch Schivester Rosa sah un-
getrübten Auges den kommendcn wochen ent-
gegen. Ludivig hatte cin so wohlcrzogenes und
ernstes Mesen an sich, das; kaum zu bc-
fürchten stand, er werdo sich die kotigen
Stiefci jemals auf dem Salontepznch ab-
ivischcn, odcr cr iverde sie während dcs
Ankleidens durch ein hineingeivorfcnes
lseupserdchcn in Schrerken und verwir-
rung sehen, oder cr wcrde sich's einfallcn
lasscn, hinter ihre Briefgehclinnisso zu kom-
mcn oder dcn bcsuchcnden lserrcn Drachen-
schwänze mit Stecknadoln auf dio Rockschößc
zu hcften: lautcr Bcfürchtungcn, die ihre
Freundin Lmma in Rücksicht anf ihren
ebenfalls auf Forien koinmcnden Bruder
Gtto schon viele Mochcn vorher in dic
größtc Niedorgeschlagenhcit vcrsetzt hattcn.

Ls war nämlich nicht abzusehen, mie z. B
der junge Advokat Iserr Doktor Schwarz
es aufnehmen würde, wenn er eincs
Tagcs vom Besuch nach thause kämo,
den visitenrock ablegtc und die Ent-
deckung machcn müßte, daß er dcn
ganzon !veg über zum Gespött der
Leute bcsagten xapiercncn Drachon-
schwanz hinter sich hergeschleppt habc.

Aurz, wenn Lmma an ihrcn Brudcr
Btto und an ihren Nichtbruder Or.

Schwarz dachte, mnßte sie die bsände
zusammcnschlagen und große Scufzcr
nicderdrücken; wcnn Rosa hingegen
an ihren Bruder Ludwig und an
ebcndcnsclben kjerrn Or. Schwarz
dachte — nnd sie dachte an
Or. Schwarz gonau so ost,
wie ihre Freundin Lmma —
spürte sic die versuchung,
sich auf dcr cinen Fußspitze
hcrumzudrehen und dabei
zu singen. And dabci dachte
sie nicht nur an Ludwig und
an Or. Schwarz, sondcrn
auch an Gtto und an Froun-
din Lmma. Und weil sie zu-
glcich auch an diese bciden
dachte, wurdc die versuchung
sich zu drehen und zu singen, r
noch stärker.

Mie aber kein Glück auf die Dauer
gänzlich uiigetrübt bleibt und sich auf dei
blauesten lsimmelsgcivölbe übcr kurz o>
lang ein lvölkchen in irgendeiner Lck
zeigt, so zeigte sich bald auch an Ludwig,
wcnn auch kein rvölkchcn — denn er
war ja auch kein bsimmelsgewölbe, sondcrn
nur ein Wuartaner — so doch cin ge-
wissos Ltwas, von dom wenigstensSchwester
Rosa überzeugt war, daß man cs als

Richt so schlnmn

Lhomann tiungvcrmäl,»>i „Nun, wie gc-
sällt Dir mein Meibchcn?"

Freund: „B, ich glaubte immer, Du
hättest viol viel mehr Schulden
gehabt."

ctwas Unpassendes, ja Lächerliches mit so vicl Siumpf und Stiel
als man könne, ausrottcn müsse. Aam nämlich eine Nkelonc

__ oder sonst ein selteneres Dossert auf den

Tisch, so rief Ludwig, um soiner Freude
Zlusdruck zu geben: „!vo, in allcr!vclt,
habt ihr dicses Prachtexcmplar her?" Sollte er
sich einen bjemdkragcn anknöpfcn, der ihm
wegen seiner zu kurz gcratencn Längcnaus-
dchnung, viel zu schaffen inachte: „!vic in
aller !velt, soll ich mit dein Zeug da zu-
stande kommon?" Solltc er eine Aus-
kunft erteilen, die er nicht wußte: „!vo-
her, in aller !Velt, soll ich das auch
wisscn?" Betrübter und bctrübter wurdc
Rosa, je mehr sich herausstellte, daß diese
Rcdensart zu Ludwigs eingewurzeltcn Ge-
wohnheiten gehörte. Denn was würde
ein gebildeter !1iann, wie z. B. Doktor
Schwarz zu diescr Albernhcit sagen? sSie
wurde genau so verdrießlich dariiber, als
ihre Freundin Lmma über die vorliebe
Gttos für die Anheftung von Dingen an
fremde Lserrenröcke, die nicht nnr nicht an
§remde, sondern genau genommen, an gar
keine Ljerrenröcke rccht paßten. !väh-
rend sie aber sür Gtto, dcr doch gar
nicht ihr eigener Bruder, sondern nur
der Brudcr ihrer Frcundin war, troh
seiner Unartcn doch immer die freund-
lichsten Blicke hattc, stng sie an, auf
ihren eigcnen Bruder Ludwig sehr
böse zu werdcn.

vater und !Nutter hatten aber
nicht nur ihren Sohn Ludwig, sondcrn
auch ihre Tochter Rosa sehr licb. Und
da diese nun einmal durch und durch
überzeugt war, daß so eino Ange-
wöhnung etwas unerträglich
Läppisches wäre — so z. B.
würde Or. Schwarz, wenn er
von sciner Reise zurückge-
kehrt sci, gewiß ein schiefes
Gcsicht darüber ziehen —
so nahmen sie den Guar-
taner einmal ernstlich vor.
„Ludivig," rief der vater,
„wo, in allcr!velt, hast Du
Dir dieses dumme Zcug denn
angewöhnt?" Dio Mutter:
„!vozu, in aller !velt, brauchst
Du iininer zu sagen: in aller
!velt?" Rosa aber vcrfiel in eine
schwere Ghnmacht, sobald sie ent-
deckte, daß nicht nur Ludwig, sondern
nun schon das ganze kjaus einer Ange-
wöhnung verfallen war, die nach ihrer
unumstößlichcn Ueberzeugung von jedcm
beffer gebildeten Ukenschen, z. B. l)r.
Schwarz, ganz gewiß als etwas Unge-
hörigcs angcsehen würde.

Die Not war groß und keine lhilse
war zu erspähen. Denn Rosa selbst, die
Foder sträubt sich, cs niederzuschreiben
 
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