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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0068
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Nleggendorfers ^umoristische Blätter.

Karnevat in Wriefen.

Lme t)eilere Geschichte von Hugo Klcin.

I.

Lserrn Fritz Fiirttz,

Lhef der Bandwaren-^'irma Fiirth Loinp.

hier.

Geehrter Lserri

Line jnnge Dame, die sich lebhaft für Sie interessiertz bittet
Sie, anf der tNasken - Redoute am t2. d. zn erscheinen. An
einer blauen Schleife an der Schnlter erkennen Sie

Ihren

Schwarzen Domino.

II.

Lieber bserr Fiirth!

Noch stehe ich ganz unter dem Gindrucke der entzückendcn
Stundcn, die ich geslern an j)hrer Seite verbracht habe. Ach,
wie mir bangte im Alenschengewühlel Meine Gestalt war ja
wohlverhüllt iin Domino, die schwarze Sainmtlarve bedeckte inein
Gesicht, nnd doch fürchtete ich, daß mich jemand erkennen könnte.
Und wie, wenn sich einer Frechheiten herausgenommen hätte?

Ich bebte an allen Gliedern und schwur, nie mehr allein und
ohne Beschiitzer einen INaskenball zu besuchen. Plötzlich er-
blickte ich Sie im Rotundensaal. Ich atmete auf.

Und nun folgte die Lntschädigung für mein Bangen und
FLrchten. Sie waren lieb, sehr lieb mit mir, und jedes IVort,
das Sie mir in der lauschigen Lcke zugeflüstert, wird unver-
gessen bleiben. Ls war etwas außerordentlich Stimmungsvolles
in der Stunde. Der Rotundensaal war nur dämmerhaft be-
leuchtet, die Paare, welche die klcinen Sammtsitze längs der
Ivände eingenommen hatten, flüsterten nur miteinander, die
Gespräche der voriiberwandelnden Menge, ein Aichern oder ein
Lachcn unter einer Sammt- oder Spitzenlarve hervor, brachte
allein einen lautern Ton in die schwüle Ruhe des Saales. Gs
war entzückend.

Sie wollten wissen, wer ich sei. Ich konnte mich nicht ent-
schließen, sofort, bei der ersten Begegnung mein IIIasken-Incog-
nito zn lüsten. Alles, was ich zugestand, war, daß ich versprach,
Ihnen Andeutungen zu geben, welche Sie auf die richtige Fährte
führen könnten. Und um dieses Versprechen zu halten, ergreise
ich hcute die Feder. Ls war, lieber kserr Fürth, auf dem
Illaskenballe nicht das erste Ulal, daß wir uns sprachen. Ivir
haben schon in ihrem Bandladen einige Ivorte miteinander
gewechselt. Linige Tage vor dem Illaskenballe wollte ich näm-
lich blaue Bänder kaufen und trat in Ihr Geschäftslokal. Gs
war wie gewöhnlich von Damen überfüllt. Sie eilten selbst
herbei, mich zu bedienen, und waron mir bei der Auswahl eines
himmelblauen Bandes behilflich. Lrinnern Sie sich? Ich fragte,
ob mir nicht ein Band um eine Nuance dunkler, besser zu Ge-
sichte stehen wiirde? Sie sagten darauf wörtlich: „Illein Fräu-
lein, Sie wird alles gut kleiden." Daran müssen Sie sich doch
crinnern l Gder sagen Sie jcder jungen Dame dieselben Aompli-
mente? Das kann ich von Ihnen nicht annehmen. Denn ich
erfuhr es im Rotundensaal, daß Sie nicht bloß ein witziger,
sondern geradezu ein geistvoller Illann sind, was viel mehr ist.
Ich sage das, ohne Ihnen schmeicheln zu wollen. Noch eine
Andeutung will ich Ihnen geben. IVer wählt ein blaues Band
zu Gesichte? Doch nur eine Blondine. Sabe ich zu viel ver-
raten? Eine Blondine, die Sie selbst bedienten, der Sie halfen,
ein himmelblaues Band auszuwählen, der Sie das bewußte
Aompliment machten — jetzt erinnern Sie sich ganz gcwiß I

Trotzdem ich derart mein Incognito gelüftet, wäre ich
trostlos, wenn es mir nicht gegönnt wäre, nächstens wicder Ihrer
geistreichen Aonversation lauschen zu können. Ihretwillen inöchte
ich auch die zweite Redonte be>uchen. Jch erwarte Sie wieder
im Rotundensaal, an derselben Stelle, wo Sie mir zum Ab-
schiede die kjand geküßt haben — — —

Ihre verehrerin.

III.

Illein lieber, lieber Fritzl

Ich scnde Dir diese Zeilen, um Dir zu sagen, daß ich un-
cndlich glücklich bin. Diese kleinen Logen neben den Speise-
räumen der Redoute sind eine reizende Linrichtung. Schade,
daß es bloß ein leichterN?orhang ist, der eincn von der Menge
trennt und welchen jeder Neugierige oder der Aellner, dem die
Bedienung obliegt, jeden Augenblick zur Seite schieben kann,
ohne Rücksicht darauf, ob man gestört wird oder nicht. Ls ist
ganz unmöglich, sich eine Freiheit zu erlauben, und die zwei
Aüsse, die Du mir raubtest, Geliebter, waren wirklich wie
Blumen, gepflückt vom Rande der Gefahr. Ich weiß wirklich
nicht, waruin im Areise der Frauen und Iklädchen einc so selt-
same Furcht herrscht, die Redoute zu besuchen. Ivollte man
sich was erlauben, so könnte man es auch nicht, und einen
Auß im Fluge kann man eigentlich zwischen den vier Ivänden
 
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