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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0071
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Neggendorfers humoristische Blätter.

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Im Vauerntheater.

§remder- „tvarum fiel denn bei der Raufscenc der vorhang so rasch?"
Linhcimischcr: „Sie haben wirklich zu raufen angefangen."

Me Herr Aktuarius Wespe M seinem Schwiegervater kam.

Line dunkle Geschichte von E. H. L.

s Iv,,r ein urgcnnitliches Trio, das fich allabendlich am
Stammtisch zum goldencn Löwcn zusammenfand. Iung-
gesellen alle drei, aber trotzdem — odcr vielmchr
gerade deshalb (wie sie wahrscheinlich verbessern würden) ur-
fidele Lsäuser. lseute Abend war aus dem Tcrzett ein Wuartett
geworden; denn der eine von ihncn hatte seinen Bruder, den
Uanzleirat wcspe, mitgebracht, welcher seinen Urlaub zu einer
verwandten-Tour benützte. Man konnte mit dem Zuwachs
zufrieden sein; denn der Ranzleirat war auch ein fideles bsaus,
lrotzdem — oder weil (wie er wahrscheinlich verbessern würde)
er die von dem Dreibund gescheuten Fesseln der Lhe trug. Ls
mußten nicht allzu drückende sein; denn das freundliche voll-
mondsgesicht, das rundliche Bäuchlein legten beredtes Zcugnis
dafür ab, daß die Kanzleirätin ihres Lheliebsten kserz und
Magcn in gleichcr weise zufriedcnstellle. Seine Beredsamkeit
hatte im Kampfe gegen die erdrückende wcibliche Suade nicht
gelitten; im Gegenteil, er war geradezu unerschöpflich in lusti-
gen Schnurren, die er merkwürdigerweise in seinem bewcgten
Dasein sämtlich selbst erlobt haben wollte.

„Kanzleirätchen," sagte sein Bruder, als die Stimmung
bereits einc recht animierte war — „gib uns doch mal die
famose Geschichte zum besten, wie Du zu Dcinem Schwieger-
vater gekommen bist!"

Dazu ließ sich der Ranzleirat nicht lange nötigen; denn
diese Lrzählung war entschieden eine feine Nummer aus seincm
Repertoire — und er beganni

„Ls sind schon an die dreißig Iahre her, als ich als neu-
gebackcner Aktuarius meinen Linzug in Lehmkuhl hielt. wie
männiglich bekannt, ließen sich bei dem Linkommen eines
Agl. Aktuarius von anno dazumal nicht große Sprünge machen;
trotzdem hing mir der ksimmel voller Geigen, und ich war kaum

einc woche dort, da hatte ich bcrcits mein lserz an einc allei
liebste kleine Lehmkuhlerin verlorcn."

„wie beliebt?" — Der Lrzähler unterbrach sich eincn Augen
blick, denn ein dumpses lNurmeln und Grollen erhob sich unter
den ksagestolzen. Als aber kein deutlicher Einwand laut wurde,
fuhr der Aanzleirat fort i „Also — wie gesagt — ich hatte mcin
6erz verloren und zwar dergestalt, daß ich mit dem verwegencn
plan umging, mir bei fünfundzwanzig Thalern monatlich mit
meinem kleinen Schatz ein Nest zu bauen. Aber die person
meines Schwiegervaters, deren wir doch zum Nestbau stark be-
nötigten, flößte mir schwere Bedenken ein. Das war nämlich
mein Bureauchef, der sich des Ruhmes erfreute, das hervor-
ragendste ökonomische Talent auf zehn Meilen in der Rundc
zu sein. Daß diescr Mann auch bei der wahl seines Schwieger-
sohns sehr, sehr vorsichtig zu wcrke gehen würde, war klar.
Ich versuchte dem Gcstrengcn meine Pcrson in das denkbar
vorteilhafteste Licht zu rücken — wenn nicht durch den Glanz
dcr äußeren verhältnisse, so doch vielleicht durch innere vorzüge,
dic ich dann und wann möglichst sichtbarlich an die Bberfläche
treten ließ. Ich überwand meine Neigung für ein Gläschen
in seiner Gegenwart auf das kseldenhafteste, ich schrieb einen
Monat lang mit derselbcn Fcder und schaffte mir nach seinem
vorbilde Schreibärmel an, und was dergleichen kleine Blender
mehr waren. vurch diese anstrengenden Bemühungcn hatte ich
denn auch allgemach so ein gewisses lauwarmes, achtungsvolles
Wohlwollen bei meinem Lhef für meine Wcnigkeit entwickelt,
dieses zu schwiegerväterlichen Gefühlen zu erhitzen, wolltc mir
bei der Zürückhaltung, die ineinem Lhef eigen war, aus der
Ferne jedenfalls nicht glücken, und ich wagte daher, nachdcm
ich mich mit meineni Schatz beraten, an einem Sonntagnach-
mittag einen kiihnen Angriff. Mein Schwiegervatcr begriißte
 
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