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Neggendorfers Humoristische Biätler
Gnkels Reptil.
HHährcnd meiner Universitätsferien
/ war ich regelmäßiger Gast meines
Vnkcls, der als Vberamtmann
und Gutspächter gemeinsam mit seiner un-
verheiratetcn Schwester in der Nähe der
großen provinzialstadt eine Domäne bewirt-
schaftete. Vnkel Fritz war cin behäbiger
altcr Iunggeselle, der dein heiteren Lcbens-
jgenuß noch immer sehr zugethan war und
dessen Nequemlichkeit es der nur um wcnige
Iahre jüngeren Tante Lottchon leicht machte,
ganz energisch den Pantosfel zu schwingen.
5ie war die 5eele dcr kvirtschaft und snr
alle. von meincm Vnkcl bis zum jiingsten
Uncchte herab, die obcrste Instanz.
Zu niir hatte Tantc Lottchen von jeher
cine große Zuneigung, wcil sic friiher lange
in ineinem Llternhause gewohnt, mich gcwis-
sermaßen niiterzogcn hatte und sich einbil-
detc, daß sie auf meine Entwicklung, be-
sonders aber aus mcine Lntschließung zum
Studium dcr Medizin nicht ohne Linfiuß ge-
wesen sci. Sie schwärmte nämlich für dcn
ärztlichen Beruf, dcn sie schon in meiner
Aindheit fllr mich in Aussicht nahm und für
den sie inir dic Befähigung aus allen mög-
lichen nnd nnmöglichen Gründen bereits da-
mals zuerkanntc. So auch, als ich einmal zu
Meihnachten cin Puppenspiel erhalten und
jeder einzelnen Figur den Bauch aufgeschnit-
ten hatle, um zu ermittcln, ob sie Blut habe.
Ich wateto zwar nicht im Blut, sondern im
Sägemehl, aber meine Tante, dic dieser Vivi-
scktion Linhalt that, war entzückt, denn sie
erblickte in ihr einen Fingerzcig sür meine
einstige Bestimmung zum Vperateur. Mein
vater allerdings faßte die Sache weniger pro-
phetisch aus und honorierte mcine Bemühungen
so prompt und so reichlich, daß ich gerne
dcn bci Larzahlungen üblichen Skonto in Ab-
zug gcbracht hätte, aber dabei war er nicht
klcinlich, ich bekam immer mcin volles Gut-
haben.
Es gab aber noch eincn andcrcn Grund,
dcr mir Tante Lottchens Gunst gcsichert
hatte: ich war dcr Linzige, der in ihre, bei
jcdcr Gelcgenheit aufgefrischte Lrzählung
von einem etwas lcgcndenhaften Bräutigain,
den das Schicksal in irgend.eincr versenkung
hatte vcrschwinden lassen, keinen Zweifel zu
setzen wagte. Alit dicsem meinem Glauben
an ihren einstigen Liebesfrühling rechnete
sie gegen viele meincr dummen Streiche auf,
und sie hatte für mich meist alle dic Nachsicht,
die sie ihrem Bruder für seine Gewohnheit,
hin und wicder in fideler Gesellschaft etwas
mehr zu trinkcn, wie sie fiir zuträglich bcfand,
hartnäckig versagte.
Bei mcinem letzten Besuche auf dem
Gute erhieiten nun aber diese vortrefflichen
Beziehungen durch die Geschichte, die ich jetzt
Fräuleini „Ich werde nie heiraten."
Akanni „Mic Fränlein, so viel Schönheit sollte herrenlos bleiben?"
Neggendorfers Humoristische Biätler
Gnkels Reptil.
HHährcnd meiner Universitätsferien
/ war ich regelmäßiger Gast meines
Vnkcls, der als Vberamtmann
und Gutspächter gemeinsam mit seiner un-
verheiratetcn Schwester in der Nähe der
großen provinzialstadt eine Domäne bewirt-
schaftete. Vnkel Fritz war cin behäbiger
altcr Iunggeselle, der dein heiteren Lcbens-
jgenuß noch immer sehr zugethan war und
dessen Nequemlichkeit es der nur um wcnige
Iahre jüngeren Tante Lottchon leicht machte,
ganz energisch den Pantosfel zu schwingen.
5ie war die 5eele dcr kvirtschaft und snr
alle. von meincm Vnkcl bis zum jiingsten
Uncchte herab, die obcrste Instanz.
Zu niir hatte Tantc Lottchen von jeher
cine große Zuneigung, wcil sic friiher lange
in ineinem Llternhause gewohnt, mich gcwis-
sermaßen niiterzogcn hatte und sich einbil-
detc, daß sie auf meine Entwicklung, be-
sonders aber aus mcine Lntschließung zum
Studium dcr Medizin nicht ohne Linfiuß ge-
wesen sci. Sie schwärmte nämlich für dcn
ärztlichen Beruf, dcn sie schon in meiner
Aindheit fllr mich in Aussicht nahm und für
den sie inir dic Befähigung aus allen mög-
lichen nnd nnmöglichen Gründen bereits da-
mals zuerkanntc. So auch, als ich einmal zu
Meihnachten cin Puppenspiel erhalten und
jeder einzelnen Figur den Bauch aufgeschnit-
ten hatle, um zu ermittcln, ob sie Blut habe.
Ich wateto zwar nicht im Blut, sondern im
Sägemehl, aber meine Tante, dic dieser Vivi-
scktion Linhalt that, war entzückt, denn sie
erblickte in ihr einen Fingerzcig sür meine
einstige Bestimmung zum Vperateur. Mein
vater allerdings faßte die Sache weniger pro-
phetisch aus und honorierte mcine Bemühungen
so prompt und so reichlich, daß ich gerne
dcn bci Larzahlungen üblichen Skonto in Ab-
zug gcbracht hätte, aber dabei war er nicht
klcinlich, ich bekam immer mcin volles Gut-
haben.
Es gab aber noch eincn andcrcn Grund,
dcr mir Tante Lottchens Gunst gcsichert
hatte: ich war dcr Linzige, der in ihre, bei
jcdcr Gelcgenheit aufgefrischte Lrzählung
von einem etwas lcgcndenhaften Bräutigain,
den das Schicksal in irgend.eincr versenkung
hatte vcrschwinden lassen, keinen Zweifel zu
setzen wagte. Alit dicsem meinem Glauben
an ihren einstigen Liebesfrühling rechnete
sie gegen viele meincr dummen Streiche auf,
und sie hatte für mich meist alle dic Nachsicht,
die sie ihrem Bruder für seine Gewohnheit,
hin und wicder in fideler Gesellschaft etwas
mehr zu trinkcn, wie sie fiir zuträglich bcfand,
hartnäckig versagte.
Bei mcinem letzten Besuche auf dem
Gute erhieiten nun aber diese vortrefflichen
Beziehungen durch die Geschichte, die ich jetzt
Fräuleini „Ich werde nie heiraten."
Akanni „Mic Fränlein, so viel Schönheit sollte herrenlos bleiben?"