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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0098
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TTceggendorsers k)umoristische Blätter.

Liebe Freundinnen.

Frau Gatter: „Ia, diese Sorgen; ich glaube Ihnen ...
man sieht sie Ihnen auch an, Ihre Stirne, Beste, zcigt einige
Fältchen mehr, seitdem ich Sie nicht inehr sahl"

Oie Gitter war selbstredend wiitend — aber sie ließ
es nicht inerken. „Ach die Sorgcn und die Zeit, sie sind
die größten Feinde unseres Aeußeren
— an sich selbst würde man, als edel-
denkend, das noch ertragen, aber wenn
man (hier traf die Gatter ein außer-
ordentlich ausdrucksvoller Blick) die
Freunde, an denen unser ganzes Herz
hängt, so ausfallend altern sieht . .

Die Gatter glaubte ihr die Augen
auskratzen zu müssen, da das aber
nicht gut anging, wollte sie ihr wenig-
stens die Stiefel hineinsetzen. „Aber
Liebste," sagte sie, „da stehen wir noch
iinmer, setzen wir uns dochi" Ls
geschah und die Gatter schlug, ihr
Gegenüber scharf iin Auge behaltend,
ein Bein über das andere — natür-
lich kam dabei die eine der ncuen
grünen Stiefeletten, die ihr der Gatte
erst aus Paris als das Allerneueste
mitgebracht hatte, zum vorschein und
die Gitter erblaßte.

„Reizendl" hauchte sie, „ent-
zückendl — aber (dabei hob sie ein
klein wenig das Kleid, so daß ihr
eigener und zwar sehr kleiner und
hübsch geformter Fuß zum Borscheine
kam) ich würde es bei der Größe
(es war das furchtbar boshaft, denn
die Gatter hatte große Füße l)
meiner Füße nie wagen, durch axar-
tes Schuhwerk die Blicke darauf zu
lenken."

Die Gatter biß die Zähne aufein-
ander; sie war momentan so ratlos,
daß sie es sogar vergaß, ihren Fuß
verschwinden zu lassen, auf dem der
taubensanfte, lächelnde Blick der Gitter
ruhte.

Die schmiedete bei dieser Gelegen-
heit natürlich ihr Lisen weitcr:

„Liebste Freundinl Fast hätte ich
darauf vergessen — ich kam, nächst-
dem Sie wieder einmal zu sehen, hier-
her, um mir bei Ihnen Rats zu crholen,
bei Ihnen, meiner besten Freundin ...
der kfut nämlich, den ich auf habe, ist
von mir noch nicht fest gekauft; ich
möchte, ehe ich den Kauf perfekt mache,
erst Ihr Urteil darüber hören, ob er
nüch auch kleidet . . . liebste, beste
Gatter, ich bitte Sie also, reden Sie
frei und offenl"

Die Dhren der Gatter durchzog
eine Sphärensymphonie, indes ihre
Augen prüfend an ihrem Gegenüber
hingen.

„Ich weiß nicht . . . es ist das
so eine delikate Aufgabe . . ."

„Aber so reden Sie dochl"

„Nun ja denn, beste Gitter. Aber ich thue es mit bluten-
dem lferzen . . . sehen Sie . . . o Gott, wie soll ich's nur am
schonendsten sagen, es gibt einen Ansdruck, der hier schlagend
wirken würde, aber ihn über die Lippen bringen — nein l" Die
Gitter wurde — obgleich ihr der
Spiegel schon gesagt hatte, daß sie der
lhut ausgezeichnet kleide und gerade
das dcr Grnnd war, weswegen sie ihre
Schritte zu der Gatter gelenkt
hatte, um sie wieder einmal gehörig
zu ärgern — doch höchst begierig, wo
hinaus diese wollte.

„Aber Liebste, heraus doch mit der
Farbe; unter so intimen Freundinnen
wie wir . . . umschreiben Sie doch,
wcnn es Ihnen gar so schwer fällt,
dicses schreckliche Nlort auszusprechenl"
„Nun denn, es . . . es verbindet
etwas sehr Süßes mit einem Grte,
von dcm man im lferbste zurückzu-
kehren pflegt ..."

Die Gitter sann angestrengt
nach, dann wurde sie erst rot, dann
blaß und lachte etwas sehr gezwungen.

„Aber Teucrste l Warum sprechen
Sie nicht aus? Sie meinen doch
Landkonfekt, nicht?"

„Nun, Gott sei Dank, ich hab's
doch wenigstens nicht gesagt . . ."

„Sie meinen also, ich solle den
lfut . . .?"

„Nicht um die Welt kaufenl" —
„Ach bin ich so unglücklichl"
„warum?" —

„Man soll nie lügen . . " —

„? ? ?"

„Der lfut ist ja schon definitiv
nieinl"

„Schlangel" dachte sichdie Gatter,
laut sagte sie: „!Nein tiefstes Beileidl"
Aber statt in Thränen auszu-
brechen ward die Gitter von großer
Lustigkeit befallen; sie wußte nun ganz
bestimmt, daß sie in ihrem Leben noch
nichts besser gekleidet haite als dieser
ljut; denn ihre „beste Feindin" hatte
ihn abscheulich gefundcn.

Mit zwei lvonnegefühlenimBusen
rauschte sie davon. xh. M.

^)as Märlein von der Gletscherfei,
S- Hab' ich vor Zeiten vernommon.
AU schauen, wo die Göttliche sei,

Bin ich ins Gebirge gekommen.

voreinst saß sie im Lispalais

Und schmückte sich mit Rrystallen

Und stieg in den Mondschein, weun neuer S

Rmgs auf die Gipfel gefallcn.
 
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