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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0112
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Meggendorfers yumoristische Blätter.

wie herrir j)urzel dus ^eiraten verging.

vieser mcrkivürdige Lmpfcmg hntte mich ein wcnig aus meiner
Bctäubnng gerisscn; aber ehe ich noch ein wort herausbrachte,
siihlte ich ctwas weiches mit beängstigcnder Dehemenz in meinem
Gesicht herumklatschen, daß mir Lsörcn und Sehen verging.
Zuglcich crgos; sich iiber mein armes verständnisloscs Lsauxt eine
wahre Sturmflut von Bcredsamkeit, in welche die Schläge in
mein Gesicht, auf Schulter und Arme metrische Gliederung zu
bringon suchten. Siisze Aosenamen waren's gerade nicht, die
mein Dhr trafen. Nie in meinem Lcben hätte ich geglaubt,
das; ich ein so iniserables, verlnmptes Subjekt sei, wie mir's
jeht mit Zuhilfenahme schlagender Beweisgründe liebevoll aus-
einander gesetzt wurde.

Diose reizende Scene hatte mich mit oinem INale niichtern
gcmacht. Ich hatte begriffen, daß ich in die unrechten Lsände,
und zwar in diejenigcn der Frau Lonrads geraten war.

„Abor zum Teufel, Fran Tonrad, denkcn Sie denn, Sie haben
fshren Akann vor sich?" schrie ich, als ich ein wcnig Lnft schöpfen
konnte.

Lin lauter Aufschrei und Frau Lonrad warf sich ohn-
mächtig in meine Arme, fuhr aber gleich wieder empor und er-
lnndigte sich zärtlich nach ihrei» Mann.

währcnd wir noch verhandelten, kam der Kutscher wieder
die Troppe herauf. Vie Fran, die er anf seiner lctzten Station
herausklingelte, habc erklärt, daß dieser lfcrr gar nicht ihr
möblirtcr Lferr sei, und dabei deutete er auf Lscrrn Lonrad, den
er wieder mitgcbracht hatte und der auf dem besten wege
war, sich in eine antike lNarmorstatue zu verwandeln. Die Starr-
heit und die Farbe einer solchcn hatte cr schon ailgcnommen.

Die drastischc Situation mag sich jedcr selbst ausmalen.
Aber dicser Lmpfang wirkte auf mich wie ein Sturzbad. Ich
war nicht nur siir jcnen Abend ernüchtert, sondern auch er-
nüchtert fürs ganzc Leben. Ich bin gedankeuvoll nach Lsause
gezogen und habe ein für alle mal dio lseiratsidcen aus ineinem
Aopfe verbannt. lserr des lsimmels, . . . wenn unsereinem
. . nee, lieber nichtl Prost, meine lserrenl"

llnd wie von einein bösen Alp befreit, gab ihm der ganze
Stammtischchorus das Prosit zurttck.

Die Witdburger.

^crr wulff von wildburg, dcr greise Graf,

Auf dem Siechbett lag er, den Tod in der Brust,
Da ein lsunnenpfeil unterm lsalsberg ihn traf,
llnd um ihn standen die Lrben -
Drei Söhne in blühender Lebenslust —

Und der Graf sprach zu ihnen im Sterben:

„Tritt näher Mulffing, mcin ält'ster Sproßl
Dir laß ich Namen und wapxen und Schwert,
Dir sei dic wildburg, mcin ragendes Schloß l
Ich weiß ja: Du lässest nicht schänden,
was den Ahnen mehr als das Leben wert —
Du wahrst es mit eisernen lfänden."

llnd zum zweiten Sohn sprach dcr wunde lseld:

„Dich, lsarald, send' ich hinaus auf die Flut —

Die brandende woge, sie sei Dein Fold!

Dort schatzest Du Fürsten und Reiche
llnd bringest dem Brnder das güldene Gul,

Daß des lsauses Glanz nicht erbleichel —

Nun, walthcr, zu Dir, mein lockichter Anab'l"

Sprach der sterbcnde lllann, und sein Aug' ward feucht,
llnd er neigte sich kosend zum Iüngsten herab:

„Lin sonniger Tag war Dein Leben —

Noch hat Dir kein wölkchen das Lächeln gescheucht -
was soll man dem Sonnenkind geben?

Der wildburger Lhre und Gut gab ich fort.

Sie liegen in starker, in manulicher ksand.

Dir schcnk' ich mein Letztes: mein lsarfenspiel dort —
llnd läßt Du die Saiten erklingcn,

Sci's im lseimatthal, sei's im fernen Land,

So magst Du mein wildburg besingcnl"

Drauf starb der Alte. — Sein erster Sproß,

Lr ward ein Rittcr, gar stolz nnd treu,
llnd schirmte mit chernem lNutc das Schloß,

Lh' ihn fällten der Feinde Specre.

Im vordcrkampf war es ein ad'liger Leu,

So fiel or für wildburgs Lhre.

llnd der Zweite, lseld lsarald, er jagte hinaus
Auf die weite See, und das Glück war ihm hold,
llnd er kehrte init Schätzcn beladen nach lsaus
Schon grüßtcn vom Strande die Riffe —

Da traf ihn ein Sturm; da versank sein Gold;

Da zerschollien der wildburger Schiffe.

llnd der jüngste Sohn mit der Laute im Aim,

Lr zog durch die Lande, ein fahrender lllann —

Und die Licder quollen ihm voll und warm
von fröhlichen Sängerlippen;
llnd es jauchzte dcr Beifall, sobald er begann
von wulff und seinen Gcsippen. —

Und die wildburg? — Zerfallen sind lllauer und Turm.
Lin Trümmerhaufen, geborsten und grau,

Gefegt von des Nordlands hcerendem Sturm

So schaut sie zu Thale nieder.-

Doch hell umklingen dcn alten Bau

Zung walthers sonnige Lieder. Ernst Wcbcr.

lieransaebcr u. verantwortlicher Redakteur: Roberi lllohr in wien.

Gpschäftsstr-llo in Mü n chr n

Druck u. verlag von I. F.

: 'Schnlirtlstialje 0.

S ch rcib e r, Lßlingen Stuitgarl.
 
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