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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 36.1899 (Nr. 419-431)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16697#0141
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^Neggendorfers Huinoristische Blätter.

l33

Seine Weschästigung.

tzumoreske von Rttdolf Braunc.

Inngling wcir der reichste Mann der Stadt. Infolgedessen kanien
/ I I die Aollektenlisten innner zuerst zu ihin, nnd er ließ sich nicht lunipen,
E ^ denn wohllhätig nnd gab ebcnso gern siir arine Studierende der

Theologie als snr Findelkinder, ebenso gern snr verbesserung der städtischen Promc-
nadenwege als siir größenivahnsinnige bsandwerksburschen. Scin stadtbckanntcr Rcich-
tuin und seine stadtbekannte Gntiniitigkeit hatten abcr noch die Folge, daß alle Töchter
besitzenden Miitter ihrc Netze nach ihm ansivarfen. Und noch schlimmer maren die
Töchter selber, doch haltl — schlimnier ivic die Miitter konnten sie gar nicht sein, die
konnte kein Mensch iibertreffen.

wie singt der Dichter? „Da werden Iveiber zu l.syänen." lvo Max sich sehen
ließ, war er — eins, zwei, drci! — von ciner Schar weiber unizingelt. Lr sagte nür ein-
nial im vertrancn, die Situation, als er in Innerafrika von einor Schar betrnnkencr
Negorweiber mit deni Tode bedroht wordon, wäre auch nicht peinlicher gewcsen.

Aurz, die ganze Stadt wollte ihn heiraten. Aber Frcund Max, sonst dtc Gut-
»üitigkeit selbst — manches Zwanzigmarkstnck, das er uns aus Niniineriviedcrsehcn
lieh, ist Boweis dasiir — war in punkto tseiraten durchaus nicht gutniiitig. Lr stcllte
sich auf die bsinterbeine und wollte sich nicht heiraton lassen. Und wir alle, dic wir
unter dem Lhejoche senszten, konnten es ihm nicht verdenken. vierzig Iahre alt
also im vollbesitze seines verstandes — gcsnnd nnd reich . . . weshalb sollte er
heiraten? Lr hatte es ja nicht nötig, denn cinc Pflegerin branchte er nicht und eine
Mitgist auch nicht. Denn er war nieht nur reich, sondern sogar sehr reich.

'venn einer reich ist, spielt er in der Rleinstadt jedesmal eine Rolle, selbst
wenn er nicht lesen und schreiben könnte, dcnn die Alcinstädtcr habcn vor dcni Gelde
noch viel niehr Respekt als die weitsichtigercn Großstädtcr. Und Uiax konnte nicht
nur noldnrstig lesen und schreiben, sondern er war sogar gebildet, sehr gebildet sogar.
Lr wußte aus der ganzcn Lrde Bcschcid, hatto alles gcschen und alles gehört. Uian
konnte bcriihren, was nian wollte, er war ininier su ksit, ohne erst im Aonversations
lexikon stndiercn zu iniissen.

Und ein solcher Uiann, der sörnilich dazu bestimnit war, ini öffentlichen Leben
zu glänzen, wnrde dnrch die heiratstollcn kveiber aus diesein öffentlichen Leben vcr-
trieben. Ls kain so weit, daß Uiax sich nieht inehr in ein Ronzert odcr ins Thcater
traute. So ein biicherkluger Philosoph ivird nun vielleicht behaupten, Uiax sei nieht
besondcrs »intig gewesen Nun, lassen wir ihni dies vergniigen, denn wir arnicn
Lheniänncr, die wir das Leben nicht aus Lnchern, sondern aus dein Lcben selbst
kennen, wissen es besser. wir wissen, daß zmei heiratstolle weiber gefährlicher sind
als hundert bis an die Zähne bewaffnete Rrieger. wir wisscn auch, daß i„i Rainps
erprobte bselden beini Anblick oiner Schwiegerniutter — es brauchte noch nicht cinnial
die eigene zu scin - erbleichten nnd wie Lsxcnlaub zittertcn.

Ia, es kani so weit, daß Ulax aus das ganze weibliche Geschlecht eincn surcht-
baren Haß wars. Friiher freilich, als er noch nicht reich war und noch kcine Nolle
spielte, niuß er den Feinininis durchaus nicht abgencigt goweson sein. lvenn das
alles wahr ist, was er erzähli und ich habe durchans kcine veranlassung, an seiner
lvahrheitsliebe zn zweifeln — niuß er sriiher ein toller Aunde gewesen sein. Gott,
was er da manchnial von seincn Liebschaften erzähltl Lr liebte an allen Grten, zu
allen Zeiten, unter den schwicrigstcn Uniständen, und da den arinen Peter keine
heiraten wollte, mar fiir ihn das Licben ohne Gefahr. Was er da nianchnial erzählte
. . . doch ich will iind darf nichts verraten. —

Nachdein er auf das öffentliche Leben verzichtet hatte, spielte sich einer seiner
vergniigten Lebenstagc wie der andere ab. Friih nin zehn ersehien cr in der wein-
stubc von Ldnard Schinidt und frühstiickte. Lr aß gern 'was Gutes und trank noch
viel lieber 'was Lesseres. Oann ging er zuin Friihschoppen in die „Goldene Sonne."
Nachdem er zu bsause zn Utittag gegessen — seine alte bsanshälterin kochte großartig
— ein Nickerchen geinacht und den Aaffee geschliirft hatte, ging er auf den Bahnhof
zuin Däinnierschoppen, und abends war er iin „Dentschen Aaiscr" zuni Abendschoppen.
Angenehnie Gesellschaft fand er iininer, denn er war ein sehr guter Unterhalter und
erzählte gcrn und viel a»s seineni Lebcn. wonn die Gesellschaft noch so stuinpfsinnig
da saß, wenn nian die hohe, etwas zur csnil>-' neigende Gestalt Ulax is)iinglings er-
blickte, lebte sie auf. Und wenn Ukax den langen, blonden Schnurrbart strich, lausch-
ten alle, denn dann stng er an zu erzählen.

was hatte er aber auch alles durchgeinacht. Ich kanntc ihn noch von der
Schnle aus. Ls war ein heller Ropf, aber sahrig, zerstreut, stets zu dunnnen Strei-
chen ausgelegt, seine Gedanken warcn stets wo anders, nur nicht in der Schule, so

Vestrastc Klatschsucht.

Lin 8„bc„i1rcich „us drr «ri„oli„enzei>

fonicrlcanx^
 
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