Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 38.1899 (Nr. 445-457)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.20266#0040
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

INeggendorfers Humoristische Blätter.


vereinigten sich in bunter Reihe zu einer feuchtfröhlichen Runde.
Die Gläser klangen. „ksoch die Kunstl" . . . Und Lhriftian
August Pietsch trank — nicht ksimbeerlimonade.

Nachdem auf die mitwirkenden Damen getoastet worden
war, erhob sich bserr Aämmerer Spunde und feierte in schwung-
vollen Worten das bisher in edler Bescheidenheit verborgen
aebliebene, nun aber im Dienste des erhabenen, patriotischen
Zweckes ans Licht getretene Talent des allseitig hochverehrten
kserrn Renimeisters pietsch, der durch die lebenswahre Dar-
stellung des „heimkehrenden Landwehrmannes" dem Feste den
Glanzpunkt geben werde.

„bsochl ksoch! tsoch!" brauste es durch den Saal.

Alles drängte zu dem Geseierten; jeder wollte mit ihm
anstoßen. Zweimal — dreimal hatte der brave Arieger das
Glas bereits geleert, immer wieder nahten sich neue Derehrer
und Wockrath wurde nicht mnde dafür zu sorgen, daß dem
Gelkruge seines Freundes aus Grünberg nichts mangelte.

Pietsch war selig. Sein ganzes Mesen war wie „umge-
krempelt." Lr scherzte, lachte, sprudelte von Liebenswürdigkeit
gegen die Damen, trank wiederholt dem lserrn Aämmerer zu,
schloß in streng commentmäßiger Weise mit seinem teuren
Freunde und ksausgenossen Wockrath Brüderschaft und stimmte
schließlich das Lied von der „Lindenwirtin" an . . .

Allmählich lichtete sich die Reihe, und unbemerkt hatte sich
auch jdietsch verkrümelt.

Als sich der Schwarm verlaufen hatte, schlossen sich
die wenigen übrig gebliebenen Ldlen unter dcm fdräsidium
Wolfgangs, des Beharrlichen, zu einer engcrcn Taselrunde
^ zusammen.

„Donnerw.wo ist denn der pietsch?" ließ jctzt einer

der Ldlen sich vernehmen. „Pietsch? — ja ivo steckt denn
der?" Aeiner wußte cs.

„Ach der wird sich still gedrückt habenl Uebrigens, so
habe ich den Limonadenonkel noch nicht gesehen. Nur ein
Dutzend Wal so I Wockrath, ich glaube Sie schnitzen noch
einen ganz passablen Aerl aus ihm. Prositl Wockrathl"
„Ziehe mit, kserr Aämmerer l etc. etc. ack iritinituin ..."
Schloß Massenhof lag in ticfer Ruhe. Mamsel Mina,
der Aüchenchef, hatte bis in die Nacht hinein mit dem Linsalz-
en des Fleisches zu thun gehabt — denn am Sonnabend waren
zwei gewichtige Borstentiere in die ewigen Iagdgründe
hinübergewechselt — dann hatte sie noch in aller Lile die
SZ. und 5-z. Fortsetzung der „bleichen Gräfin" genossen, und
um zwei Uhr mar im Turmziinmer das letzte Licht erloschen.

Da tapxte es die cpheubckleidete Schloßmauer entlang
— langsam — unsicher — von Zeit zu Zeit stöhnend.
Ietzt kroch es auf allen vieren die Steintreppe hinan bis
zur igausthür . . Line lange, lange Lntdeckungsreise in der
Region des Schlüssellochs . . . endlich l . . . eine dunkle
Gestalt verschwand in der Nacht des Aorridors . . .

Da — ein Poltern, wie wenn jcmand von der obersten
Trepxenstufe aus mit einem Schritt die unterste zu erreichen
versucht, ein dumxfer Fall und dann . . . nach kaum zwei
Wtinuten . . . ein Schrei — ein Schrei, so gräßlich grell, so
entsetzlich, als ob — ja, wer dafür einen vergleich hättel
„Schlangen 111" gellte es durch die stille Nacht . . .
Line krepierende Granate hätte die Schloßbewohner
nicht wirksamer alarmieren können, als dieser Schrei.

Rittmeister von Massenhof fuhr von seinem Lager auf,
als hätte er selbst auf einem Bündel Areuzottern genächtigt.
Den Säbel von der Wand reißen, den Revolver erfassen war
die That eines Augenblicks, und schon im nächsten stand cr
neben seinem Diener Andreas — im Aeller.

„lgimmeldonncrwetter . . . hahaha I Pietsch l Mensch sind
Sie das? . . . hahahal . . ."

Da lag — in der Uniform des „heimkehrenden Landwehr-
mannes" — Lhristian August pietsch aus Grünberg. Bei dem
versuch, nach dem Parforce-Treppenabstieg, den das Verfehlen
der rechten Thiire zur Folge gehabt, sich aufzurichten, hatte er
eine Wanne mit — gottlobl gereinigten — Schweinsdärmen
vom Wandbrett gerissen und die ganze kaltweichliche Schlangen-
brut auf sein armes kjaupt herabbeschworen.

„. . . Ach, . . . kserr Rittm . . . wir haben lebende Bil-
der ..." — „lhahahal" — „ . . . und da habe ich . . . dcn
La . . . den La..." — „Den Laokoon! lhahahal" — „La . . .
a . . . andwehrmann ges . . . pielt . . . und da —"

„Schon gut, mein lieber kjerr Pietjch I Andre's hilf kjerrn
pietsch ein wenig! Gute Nacht, 6err Pietsch l"

Am andern Tage war die Stadt voll von der abenteuer-
lichen „lseimkehr des Landwehrmannes." Auf desscn Mitwirken
war natürlich überhaupt nicht mehr zu rechnen, und so wurde
denn auch sofort Trsatz ausgehoben.

Die Gardinenpredigten in F. aber hatten ihre pointe ver-
loren, und pietsch, der an jenem denkwürdigen Sonnabend seine
Limonadenhaftigkeit so rühmlich abgestreift hatte, hieß fortan
— o böse Welti — der „Schlangenmensch."

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Gesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in Wien I.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
 
Annotationen