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^lleggendorsers Huinorisiische Biätter.
Die ganze Dorfjugend, teilweise noch beladen mit einein
heulenden Anäuel kleiner Geschwister trotteie vorn und zu beiden
Seiten der Uomxagnie; aus den Fenstern guckten und nickten
die Alten; überall leuchtende Blicke und fliegende Zöxse. Aller
Bewunderung galt dem Bataillonstambour mit Stock und gold-
befranzten Schwal- , ..
bennestern, und -
bauptsächlich dem
stolzaufseinemRosse
sitzenden Aompag-
nieführer. „Bitte
mir aus, daß
keiner bummeltl"
hatte v. Tetlen sei-
nen Leuten zuge-
rufen und in der
Thatwurdeauchder
Schläfrigste munter,
als man beim Näh-
crkommen den Bur-
schen mit dem hoch-
beinigen Braunen
des kserrn llkajors
erkannte und diesen
selbstschonobenaus
dem Fenster blicken
sah. Tadellos
schwenkten die Sek-
tionen auf das helle
Aoinmando ihres
Führers ein und auf „haltl" stand alles still. Die Fahnensektion trat
vor, und der Fahuenträger, ein alter schnurrbärtiger Sergcant stieg
die kleine Freitrexpe unter dem IDirtsschild hinan, um dje Fahne
aus dcm Zimincr dcs Aommandeurs zu holen.
Atemlos warten Aops an Aopf die Zuschauer. lVie eine
llkauer steht die Aompagnie, bereit, das alte Lhrenzeichen des
Lataillons zu begrüßen. v. Tetten sitzt mit leuchtendein Blick,
den blanken Degen auf dem Schenkel, regungslos auf seinei»
Streitroß. Aller Augen sind auf die ifausthüre gerichtet, die
soeben von innen geösfnet wird. „Achtungl" tönt das mit
voller Lungenkraft abgegebene Aommando des jungen Aompagnie-
führers. „präsentiert das
Gewehrl" Der Präsentier-
marsch ertönt, die
Gewehre fliegen
herunter und in der
Thüre erscheint der
,Frühstückskorb"
der Dsfiziere, getra-
gen von zwei ver-
schlafen aussehen-
den Burschen.
v. Tetten hatte
sich nicht schlecht ge-
ärgert über die ver-
fluchteGeschichte,die
natürlich schnell ge-
nug die Runde im
Bataillon machte;
als aber der bjerr
llkajor am Nach-
mittag bei Tisch des
vorzüglichen Früh-
stücks gedachte uud
mit einem Seitenblick auf v. Tetten behauxtete: Dein Früh-
stückskorb sei noch nie so viel Lhre angethan worden wie
heute, da stimmte er init in das schallende Gelächter der Aame-
raden ein.
Das Fahnenholen aber — das gelobte er sich für die
Zukunft, wollte er von nun ab mit größter vorsicht be-
treiben.
Lin stolzer Reiher, flügellahm geschossen,
lvard einst in einen lsühnerhof geschlossen.
lvie kläglich schienen anfangs die Gefährten,
Die dort sich um die Not des Lebens wehrten,
Nur essen, trinken, schlafen, manchmal lieben,
Und was die Nachbarn rechts und links getrieben,
Das war's, was einzig hier das Dasein füllte,
Doch nicht des hohen Vogels Sehnsucht stillte.
lvic schmachtet' er nach See und kseidedüftcii,
Nach einem freien Flug in blauen Lüften,
Nach jenem Blick, der in die Ferne schweifet
Und erst aus ihr das Nahe recht begreifet.
Reiher.
Iedoch allmählich — Tag reiht sich zum Tage —
Da wurde matt die Sehnsucht, stumm die Alage.
lvas hilst's, ini Geist auf hohen lvolken wandern?
Nkan muß es schließlich machen wie die andern.
So hat er nun an allem teilgenommen,
Und das ist ihm dann auch recht gut bekommen.
Lr lauschte voll verständnis dem Geschnatter
Und stand bei Gans- und Entenkind Geoatter.
Lr ward sogar beliebt und täglich fetter,
Besprach den Ukist, die Fütterung, das lvetter.
Nur selten noch durchzuckten ihn Gedanken:
„lvas ward aus mir in diesen engen Schrankenl
So ist es nianchem feinen Geist ergangen,
Den eine Aleinstadt in sich eingefangen.
M. Holttiausen.
verantwortlicher Redakteur: Nkar Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert lUohr in lvien l.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
^lleggendorsers Huinorisiische Biätter.
Die ganze Dorfjugend, teilweise noch beladen mit einein
heulenden Anäuel kleiner Geschwister trotteie vorn und zu beiden
Seiten der Uomxagnie; aus den Fenstern guckten und nickten
die Alten; überall leuchtende Blicke und fliegende Zöxse. Aller
Bewunderung galt dem Bataillonstambour mit Stock und gold-
befranzten Schwal- , ..
bennestern, und -
bauptsächlich dem
stolzaufseinemRosse
sitzenden Aompag-
nieführer. „Bitte
mir aus, daß
keiner bummeltl"
hatte v. Tetlen sei-
nen Leuten zuge-
rufen und in der
Thatwurdeauchder
Schläfrigste munter,
als man beim Näh-
crkommen den Bur-
schen mit dem hoch-
beinigen Braunen
des kserrn llkajors
erkannte und diesen
selbstschonobenaus
dem Fenster blicken
sah. Tadellos
schwenkten die Sek-
tionen auf das helle
Aoinmando ihres
Führers ein und auf „haltl" stand alles still. Die Fahnensektion trat
vor, und der Fahuenträger, ein alter schnurrbärtiger Sergcant stieg
die kleine Freitrexpe unter dem IDirtsschild hinan, um dje Fahne
aus dcm Zimincr dcs Aommandeurs zu holen.
Atemlos warten Aops an Aopf die Zuschauer. lVie eine
llkauer steht die Aompagnie, bereit, das alte Lhrenzeichen des
Lataillons zu begrüßen. v. Tetten sitzt mit leuchtendein Blick,
den blanken Degen auf dem Schenkel, regungslos auf seinei»
Streitroß. Aller Augen sind auf die ifausthüre gerichtet, die
soeben von innen geösfnet wird. „Achtungl" tönt das mit
voller Lungenkraft abgegebene Aommando des jungen Aompagnie-
führers. „präsentiert das
Gewehrl" Der Präsentier-
marsch ertönt, die
Gewehre fliegen
herunter und in der
Thüre erscheint der
,Frühstückskorb"
der Dsfiziere, getra-
gen von zwei ver-
schlafen aussehen-
den Burschen.
v. Tetten hatte
sich nicht schlecht ge-
ärgert über die ver-
fluchteGeschichte,die
natürlich schnell ge-
nug die Runde im
Bataillon machte;
als aber der bjerr
llkajor am Nach-
mittag bei Tisch des
vorzüglichen Früh-
stücks gedachte uud
mit einem Seitenblick auf v. Tetten behauxtete: Dein Früh-
stückskorb sei noch nie so viel Lhre angethan worden wie
heute, da stimmte er init in das schallende Gelächter der Aame-
raden ein.
Das Fahnenholen aber — das gelobte er sich für die
Zukunft, wollte er von nun ab mit größter vorsicht be-
treiben.
Lin stolzer Reiher, flügellahm geschossen,
lvard einst in einen lsühnerhof geschlossen.
lvie kläglich schienen anfangs die Gefährten,
Die dort sich um die Not des Lebens wehrten,
Nur essen, trinken, schlafen, manchmal lieben,
Und was die Nachbarn rechts und links getrieben,
Das war's, was einzig hier das Dasein füllte,
Doch nicht des hohen Vogels Sehnsucht stillte.
lvic schmachtet' er nach See und kseidedüftcii,
Nach einem freien Flug in blauen Lüften,
Nach jenem Blick, der in die Ferne schweifet
Und erst aus ihr das Nahe recht begreifet.
Reiher.
Iedoch allmählich — Tag reiht sich zum Tage —
Da wurde matt die Sehnsucht, stumm die Alage.
lvas hilst's, ini Geist auf hohen lvolken wandern?
Nkan muß es schließlich machen wie die andern.
So hat er nun an allem teilgenommen,
Und das ist ihm dann auch recht gut bekommen.
Lr lauschte voll verständnis dem Geschnatter
Und stand bei Gans- und Entenkind Geoatter.
Lr ward sogar beliebt und täglich fetter,
Besprach den Ukist, die Fütterung, das lvetter.
Nur selten noch durchzuckten ihn Gedanken:
„lvas ward aus mir in diesen engen Schrankenl
So ist es nianchem feinen Geist ergangen,
Den eine Aleinstadt in sich eingefangen.
M. Holttiausen.
verantwortlicher Redakteur: Nkar Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert lUohr in lvien l.
Verlag von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.