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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 38.1899 (Nr. 445-457)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20266#0078
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70

Tllsggendorfers ^umoristische B i ä i l e r.


Die Z'robe

^er Aalif Lsarun al Raschid saß in seinem
prächtigen palaste beim edlen Schachspiele,
ihm gegenüber Len Akiba, den der bserr-
unter den Großen seines Reiches besonders
schätzte und in seiner Gesellschaft hielt.

Lben that der Ralif den letzten Zug, dann
lehnte er sich zurück uud sagte gelassen: „INattl —
Du hast Glück im Spiele, Ben Akiba. T>ie perlen-
reihe war der preis des Gewinnes, sie ist Dein."

Lächelnd schob er die kostbare Schnur dem Geg-
ner zu und fuhr sort: „Du strasst das Sprichwort
Lügen, das dem glücklichen Spieler Unglück in der Liebe prophs-
zeit; denn diese si>erlen, so herrlich sie auch sind, verbleichen vor
der Schönheit Zairens, Deiner Gattin uud ihr hoher kvert
dünkt mich armselig gegenüber der Tugend und Anhänglichkeit
Deines Meibes."

Ben Akiba strich sich den niederwallenden Bart und erwi-
derte sinnend: „Ulein hoher kserr, aller Glanz ist nur ein
Spiel des Lichts, ein Schein — nichts mehr. Mende Dein
Rleinod um, so ist der Schimmer verschwunden. lvehe dcnen,
die der Gaukelei des Zufalls trauen und sie Gliick nennen!
Daß ich das Spiel gewann, verdanke ich der Zerstreutheit
nur, der Flucht Deiner Gedanken, die alle Aufmerksamkeit
hinweggesegt. Fast scheue ich davor, den Gewinn mir anzu-
eignen." —

„V, Du Grüblerl" lachte ksarun al Raschid, „warum hast
Dn der launenhaften Göttin Deine Zaire nicht zurückgesandt?"

„Ist sie mein? Ich weiß es nicht. lvohl gehorcht sie mir
noch und zeigt sich anhänglich, allein der Lohn hiesür ist ja so
hoch wie ihr ksimmel. Laß den Preis des Ungehorsams höher
sein, greif ihrer Laune, ihrer Litelkeit unsanft an die geschmink-

ten Mangen — und Lann sieh zu,

lveiberliebe istl" Be-

troffen erhob sich der Kalis. „Thor." verwies er den Sprecher,
„willst Du alles an Dciner lveisheit messen? Iede Süßigkeit
vergiftest Du mit Deinem Zweisel? Li, wer zweisclt, wird nie
genießen —"

„lver zweifelt, wird nie enttäuscht, mein Fürst."

„verschone mich mit Deiner Bitterkeit, Akiba, Du thust mir
leid. Nie wirst Du Deiner Gemahlin froh — ungeachtet alle
andern, die sie sahen, sie gleich einem Sterne preisen. Ihr Lob
widerhallt von Granada bis Toledo."

Spötrisch nickte Ben Akiba und entgegnete: „Redensarien,
mein Gebieter. Die Narren rühmen mein lveib als unver-
gleichlich und xreisen es als einen Schatz, kostbarer als alle
Aleinode Deines Landes . . . doch . . . laß es sterben und Du
sollst sehen, wie alle Ruhmredner mir Ersatz anbieten in ihren

Töchtern! — Nimm mir aber mein arabisch Roß — und keiner
öffnet scinen lUarstall, mir ein anderes zu geben. yahal was
HLltst Du nun vom hohen lverte?"

„Du solltest ihn kennen," grollte der Ralis. „wer einen
Ldelstein besitzt, der schätzt ihn um so höher, je genauer er
dessen Glanz und Feuer und sonstige vorzüge im Gegensatz zu
andern Schätzen zu ermessen weiß. Du, scheint es, rechnest den
lvert des Deinen nicht allzu hoch."

lvieder strich Ben Akibas weiße lsand über die Bartwellen
und zögernd sagte er: „Als ich mein lveib verlassen, hungernd
und bedeckt mit Lappen auf öder kseide sand, da nahm ich es
mit mir samt einem lsundc sonder Iucht, der es geleitete. Bei-
den galt seither meine Sorge, mein redliches Bemüh'n, sie mir
geneigt zu machen. lvie dies gelang und wessen Treue nun
das Feuer slrenger j)robe standhaftcr ertrüge, dies, hoher lserr
— dies -"

„Nun? — vollendel"

„Ich weiß es nicht von beiden, von einem aber glaub' ich
es und wähne nicht, enttäuschi zu werden."

„Siehst Du? — Dein lveib ist's, das dankbar Dir seine Er-
höhung vergelten will." —

„Neinl" -

kiarun al Raschid, der erregt den Saal durchmessen, hält
unwillig an, seine Stirne bewölkt sich, seine Augen glimmen,
und sein Zorn braust aus: „Akiba, ich beklage Dich! So niedrig
wägst Du llienschenart, daß Du das heißere Gefühl — nein,
nein — es will mir nicht über die Lippen, wie Du ein mensch
lich lserz verleumdest. Du schuldest Sühnc mir und dem be
leidigten Geschlecht. Die sdrobe steht Dir frei; doch hier, oor
meinen befriedigten Augen soll der Ausgang Dich beschämen!"
 
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