INeggendorfers Humoristische Blätter.
„Du willst es, kserr, so sei es dennl — Doch
verstche inich rccht: nicht fiir minder cdel schätz' ich
des tNcnschcn Art. 5ein tserz schlteßt jedoch einen
Reichtum schillcrnder Gefühle ein. Leicht spielt
eines in das andere, und leicht bekriegt sich ihrc
Menge, während des Tieres cngbegrenzte Triobc
sich deutlich sondern und leichter ihre Uraft ver-
raten. Die Probe biet' ich Dir, obwohl ich Leid
hiervon fiir mich befiirchte und sie darum mir selbst
versagte. Diese Perlenschnur, die zu dem Streite
Anlaß gab, sei nun mein iverkzeug. Leb wohl,
mein Fiirst und zürne nicht zu rasch!"-
Indessen laq Daire im Frauengemach ahnungs-
los auf seidenen Aissen, spielte mit Goldreifen, Dia-
mantringon und anderem Tand oder griff träumerisch
in die klingenden Saiten der Laute. Zuweilen
lauschte sie auch dcm Falle des Springbrunnens
im Säulenhofe oder lachtc fröhlich auf, daß es
glockenhell an den Nlarmorwänden wiederhallte.
Plötzlich fühlte sio sich von fiarken Armen um-
faßt und blickte crschrocken in die ernsten Züge
ihres Gatten, der unbemcrkt eingetreten war.
„Ach, Akiba, Du bist's? was hast Du mir
mitgcbracht?"
„Frohc Nachricht, Täubchcn: der Kalif lädt Dich
fiir übcrmorgen mit mir zu sich."
wic ein wiesel hüpfte das schöne weib vom
Lager. „Der Kalis?" jubclte sie. „In die Alham-
bra darf ich kommen? G Du Lieber, sag, wie soll
ich mich kleiden? wie soll ich mich schmücken?
Aoinm, hilf mir wählen, unter Gewändern nnd
Geschmeide — ich will schön sein wie der gcstirnte
kjimmel! INeine 2lrme sollen blitzen von goldenen
Spangen —"
„Und Dein Zllabasterhals soll wetteifcrn an
Glauz mit dem dicscr perlcn," fügte Akiba hinzu
und ließ die Schnur gleich einem Wassersallc übcr
die rote Seide der Aissen gleiten.
„Akiba," jauchzte das entzückte weib, „mir
diesen Schatz? Akiba, Du Lieber, Du Sttßcr, Du
Guterl Mir diese perlen?" Und sie wand sich die
Schnur um den ksals, und sie warf sich glttckselig
dem Gatten an die Brust, und sie ließ die welle
seines Bartes gleich einem Schleier übcr ihr Gcsicht
mallen.
„Doch sage mir, Du Unverglcichlicher, in un-
serem Schatze ist kein Schmuckstück von so hohcm
werte, — sag, wie kommst Du dazu?"
„Frage nichtl" warnte der Gemahl und legte
seine kühle bjand auf ihre Feucrlippen. Allein sie
fragte dennoch und immer wieder.
„So will ich Dir vertrauen," raunte der Gatte,
„ich nahm die Schnur dem Mundschenk des
Ualifen, — ich nahm sie ihm im lsohlwege — und
da er sie nicht geben wollte —"
„Da — was thatest Du?"
„Da crschlug ich ihnl — Ich that's für Dich,
Zaire, und wenu Du mich je verrätst, HSre, so
ist's um mich geschehen;
denn der Mundschenk
war der Liebling des
Ualifen."
„Du hast es siir mich
gethan, Du Linziger, Du
Dl
s
kserrlicher — o wie licbe ich Dich! Die Zunge soll
mir verdorren, wcun ich Dich je verrate — schwei-
gen will ich wie die Gräber im Thale der Thrä-
ncn, das schwöre ich Dir bei allen Gestirnen des
ljimmelsl"
„Schwöre nicht, sondern gehorche mir und
schweige!" flüsterte Akiba, und seine Augen brannten
in schmerzlichem Lntzücken.
Allein Zaire schwor dennoch und schwor immer
wieder. —
Zwei Tage sxäter erschien Akiba vor dem Ua-
lifen, der ihn ernst und schweigend emxfing.
Akibas lhand hielt das langhaarige Fell eines
großen ksundes, der langsam und müde neben seinem
kjerrn einherschritt.
„Dies ist das Tier, auf dessen Treue Du so
übergroße Stücke hältst?" fragte finsteren Blickes
kjarun al Raschid.
„So ist es, erhabcner kserrscher. Der ksund
hat scit der Stnndc, in der ich Dich verließ, weder
gegessen, noch getrunken, noch geschlafen. kseutc
harrte er meiner im glühenden Sonnenbrandc auf
dcn heißen Stufen meines ksauses. Seine Gual ist
groß, und sein verlangen nach Labung und Ruhe
kaun Deinem Auge nicht entgehen."
„Und sein Gehorsam — seine Trcue?"
„Du wirst sie sehen." Akiba nahm eine Fleisch-
tasse und eine Schale voll des köstlichften wassers
vom Tischc des Ualifen und stellte sio auf den
Boden. Der kjund neigte den Uoxf, streckte ihn
vor und winselte. Ben Akiba trat näher. Ueber
die Flankcn dcs ksundes flog ein heftiges Zittern,
sein kjerr aber schien die flehenden Augen nicht
zu schen; er schüttelte das kjaupt und schritt wei-
ter. Das Tier folgte ihm. Nach einer weilc
kehrte Akiba zurück, lagerte sich neben Speise und
Trank und begann zu essen. Wimmernd und lech-
zend streckte sich der ksund zu seinen Füßen nieder.
Da trat der Ualif hcrzu und hielt dem Ge-
quälten die Schüsseln vor. Mit gesträubten ksaaren
erhob sich das arme Geschöpf, schlepptc sich näher,
ächzte und — schnappto nach einem Bissen. ksarun al
Raschid lachte laut auf, Bcn Akiba jedoch griff
schweigend nach dem Fleische und lcgte es in dic
Schüssel zurück; dann erhob er sich, winkte dcm Ua-
lifen, ihm zu folgen und schickte sich an, den Saal
zu verlassen.
„Strecket hinter uns die Lanzen vor l" gebot er
dcn Thürhütern und trat durch dcn Marmorbogen.
Stöhnend schlich der kjund an den Schüsseln
vorbei, die THUrwächter wollten ihn zurücktreiben
— da warf er sich mit wütendem Gebell auf die
beiden, setzte über die waffen und erreichte ver-
wundet und blutend seinen Gebieter. Dieser strei-
chelte zärtlich das gorötete Fell und waudte sich
dann zu dcn Diencrn, nachdem er dem ksunde einen
wink gegeben. „Pfleget ihn und gebet ihm
Nahrnng und Trankl"
Schweigend und ernst
stand der Ualif und
sah dem treuon Tiere
nach.
Ben Akiba winkte ei-
nen andern Dicner her-
„Du willst es, kserr, so sei es dennl — Doch
verstche inich rccht: nicht fiir minder cdel schätz' ich
des tNcnschcn Art. 5ein tserz schlteßt jedoch einen
Reichtum schillcrnder Gefühle ein. Leicht spielt
eines in das andere, und leicht bekriegt sich ihrc
Menge, während des Tieres cngbegrenzte Triobc
sich deutlich sondern und leichter ihre Uraft ver-
raten. Die Probe biet' ich Dir, obwohl ich Leid
hiervon fiir mich befiirchte und sie darum mir selbst
versagte. Diese Perlenschnur, die zu dem Streite
Anlaß gab, sei nun mein iverkzeug. Leb wohl,
mein Fiirst und zürne nicht zu rasch!"-
Indessen laq Daire im Frauengemach ahnungs-
los auf seidenen Aissen, spielte mit Goldreifen, Dia-
mantringon und anderem Tand oder griff träumerisch
in die klingenden Saiten der Laute. Zuweilen
lauschte sie auch dcm Falle des Springbrunnens
im Säulenhofe oder lachtc fröhlich auf, daß es
glockenhell an den Nlarmorwänden wiederhallte.
Plötzlich fühlte sio sich von fiarken Armen um-
faßt und blickte crschrocken in die ernsten Züge
ihres Gatten, der unbemcrkt eingetreten war.
„Ach, Akiba, Du bist's? was hast Du mir
mitgcbracht?"
„Frohc Nachricht, Täubchcn: der Kalif lädt Dich
fiir übcrmorgen mit mir zu sich."
wic ein wiesel hüpfte das schöne weib vom
Lager. „Der Kalis?" jubclte sie. „In die Alham-
bra darf ich kommen? G Du Lieber, sag, wie soll
ich mich kleiden? wie soll ich mich schmücken?
Aoinm, hilf mir wählen, unter Gewändern nnd
Geschmeide — ich will schön sein wie der gcstirnte
kjimmel! INeine 2lrme sollen blitzen von goldenen
Spangen —"
„Und Dein Zllabasterhals soll wetteifcrn an
Glauz mit dem dicscr perlcn," fügte Akiba hinzu
und ließ die Schnur gleich einem Wassersallc übcr
die rote Seide der Aissen gleiten.
„Akiba," jauchzte das entzückte weib, „mir
diesen Schatz? Akiba, Du Lieber, Du Sttßcr, Du
Guterl Mir diese perlen?" Und sie wand sich die
Schnur um den ksals, und sie warf sich glttckselig
dem Gatten an die Brust, und sie ließ die welle
seines Bartes gleich einem Schleier übcr ihr Gcsicht
mallen.
„Doch sage mir, Du Unverglcichlicher, in un-
serem Schatze ist kein Schmuckstück von so hohcm
werte, — sag, wie kommst Du dazu?"
„Frage nichtl" warnte der Gemahl und legte
seine kühle bjand auf ihre Feucrlippen. Allein sie
fragte dennoch und immer wieder.
„So will ich Dir vertrauen," raunte der Gatte,
„ich nahm die Schnur dem Mundschenk des
Ualifen, — ich nahm sie ihm im lsohlwege — und
da er sie nicht geben wollte —"
„Da — was thatest Du?"
„Da crschlug ich ihnl — Ich that's für Dich,
Zaire, und wenu Du mich je verrätst, HSre, so
ist's um mich geschehen;
denn der Mundschenk
war der Liebling des
Ualifen."
„Du hast es siir mich
gethan, Du Linziger, Du
Dl
s
kserrlicher — o wie licbe ich Dich! Die Zunge soll
mir verdorren, wcun ich Dich je verrate — schwei-
gen will ich wie die Gräber im Thale der Thrä-
ncn, das schwöre ich Dir bei allen Gestirnen des
ljimmelsl"
„Schwöre nicht, sondern gehorche mir und
schweige!" flüsterte Akiba, und seine Augen brannten
in schmerzlichem Lntzücken.
Allein Zaire schwor dennoch und schwor immer
wieder. —
Zwei Tage sxäter erschien Akiba vor dem Ua-
lifen, der ihn ernst und schweigend emxfing.
Akibas lhand hielt das langhaarige Fell eines
großen ksundes, der langsam und müde neben seinem
kjerrn einherschritt.
„Dies ist das Tier, auf dessen Treue Du so
übergroße Stücke hältst?" fragte finsteren Blickes
kjarun al Raschid.
„So ist es, erhabcner kserrscher. Der ksund
hat scit der Stnndc, in der ich Dich verließ, weder
gegessen, noch getrunken, noch geschlafen. kseutc
harrte er meiner im glühenden Sonnenbrandc auf
dcn heißen Stufen meines ksauses. Seine Gual ist
groß, und sein verlangen nach Labung und Ruhe
kaun Deinem Auge nicht entgehen."
„Und sein Gehorsam — seine Trcue?"
„Du wirst sie sehen." Akiba nahm eine Fleisch-
tasse und eine Schale voll des köstlichften wassers
vom Tischc des Ualifen und stellte sio auf den
Boden. Der kjund neigte den Uoxf, streckte ihn
vor und winselte. Ben Akiba trat näher. Ueber
die Flankcn dcs ksundes flog ein heftiges Zittern,
sein kjerr aber schien die flehenden Augen nicht
zu schen; er schüttelte das kjaupt und schritt wei-
ter. Das Tier folgte ihm. Nach einer weilc
kehrte Akiba zurück, lagerte sich neben Speise und
Trank und begann zu essen. Wimmernd und lech-
zend streckte sich der ksund zu seinen Füßen nieder.
Da trat der Ualif hcrzu und hielt dem Ge-
quälten die Schüsseln vor. Mit gesträubten ksaaren
erhob sich das arme Geschöpf, schlepptc sich näher,
ächzte und — schnappto nach einem Bissen. ksarun al
Raschid lachte laut auf, Bcn Akiba jedoch griff
schweigend nach dem Fleische und lcgte es in dic
Schüssel zurück; dann erhob er sich, winkte dcm Ua-
lifen, ihm zu folgen und schickte sich an, den Saal
zu verlassen.
„Strecket hinter uns die Lanzen vor l" gebot er
dcn Thürhütern und trat durch dcn Marmorbogen.
Stöhnend schlich der kjund an den Schüsseln
vorbei, die THUrwächter wollten ihn zurücktreiben
— da warf er sich mit wütendem Gebell auf die
beiden, setzte über die waffen und erreichte ver-
wundet und blutend seinen Gebieter. Dieser strei-
chelte zärtlich das gorötete Fell und waudte sich
dann zu dcn Diencrn, nachdem er dem ksunde einen
wink gegeben. „Pfleget ihn und gebet ihm
Nahrnng und Trankl"
Schweigend und ernst
stand der Ualif und
sah dem treuon Tiere
nach.
Ben Akiba winkte ei-
nen andern Dicner her-