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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 38.1899 (Nr. 445-457)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20266#0090
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32

Meggendorfers Humoristische Blätter.

Lin Abenteuer im walde.

— Sol — Ietzt konn's losgehen — hoplal" — —

— „kjimmel unsere Kleiderl" — —

Das wäre nicht übell Wie aber, wenn sich der eine oder der
andere zufällig in pekuniären verlegenheiten befinden sollte? V, wir
nehmen es nicht so genau! Ls genügtz wenn der Betreffende einfach
eine kleine kvurstz oder einige Ligaretten, oder auch nur eine Schachtel
Zündhölzsr beisteuern wird. Dafür bringt vielleicht ein anderer um so
mehr und das gleicht sich dann aus. Darf man auch kalten Braten,
z. B. ein schönes Lamm-Viertel bringen? Natürlich l Auch eine Tonne
kseringe? Selbstverständlichl Auch einen Aänguruh-Schwanz? Freilich,
es soll ja ein Ulk werdenl Ie exotischer die Beiträge, desto besserl
Auf allgemeinen wunsch wurde die Zusammenkunft für nächsten
Sonntag abends 8 Uhr anberaumt. Nachdem es immerhin möglich wäre,
daß sich derjenige xeinlich berührt fühlen könnte, der infolge pekuniärer
Schwierigkeiten die kleinste Gabe gebracht hätte, machte Ukr. Richardson
den vorschlag, man möge ihm gestatten, zu der anberaumten Stunde
das Licht auszulöschen, damit jeder im Schutze der Finsternis das Zimmer
betreten und seine Gabe unbemerkt auf den Tisch legen könne; erst
wenn sich alle ihrer Gaben entledigt haben werden, wird Licht gemacht
und erst dann wird man sehen, was gebracht wurde, ohne zu wissen, wer das
oder jenes beigesteuert habe. Natürlich, das ist das Beste I

Die Gäste stolperten, da es stockfinster war und U!r. Richardson keine
Rerze mehr opfern wollte, zur Thüre hinaus. Mr. Fox, der den ausge-

xrägtesten Vrtssinn hatte, stolperte voran und die andern
stolxerten ihm nach, indem einer den andern als Leit-
hammel benützte und fich an die Rockschöße seines
vordermanns klammerte.

Nkr. Richardson rieb sich vor vergnügen die ksände.
V, er kennt seine Leutel Natürlich wird einer den
andern übertrumxfen wollen. Mr. Uite ist schon im
stande, ein gebratenes Kalb zu bringen — der hat
schon viel ärgere Sachen getrieben l Auch Mr. Fox könnle
man ohne weiteres eine Tonne kjeringe zumuten —
der hat seit jeher einen Spleen gehabtl Nun, wie es
immer sein wird, so viel steht fest, daß man jedenfalls
viel mehr beisteuern wird, als man wird verzehren
können und daß Mr. Richardson nicht nur am Sonntag,
sondern vielleicht eine ganze Woche hindurch ein Gratis-
Nachtmahl haben wird; denn so schmutzig wird niemand
sein, den übriggebliebenen Teil seiner Gabe wieder
nach kjause zu tragen. Iawohl, Mr. Richardson, das
hast Du schlau angestelltl

Der Sonntag kam. Abends xunkt 8 Uhr löschte
Mr. Richardson das Licht aus. Ls kloxfte.

„ksereinl lver bist Du?"

„sZch bin Dein Freund Brothersl"

„Also gut; trete drei Schritte vor, lege Deine Gabc
auf den Tisch und komme dann her zum Fensterl"

Mr. Brothers trat drei Schritte vor, legte etwas aus
den Tisch und kam zum Fenster. Dieser vorgang wieder-
holte sich bei jedem neu ankommenden Gaste. Als alle bei-
sammen waren, gruxxierte man sich um den Tisch und Mr.
Richardson zündete die bekannte elektrischeUnschlittkerze an-
Auf dem Tische lagen sieben Schachteln schwedischer
Zündhölzchen — sonst nichts. von dieser betrübenden
Thatsache wurde geziemend Aenntnis genommen, ohne
ein kvort zu verlieren.

Mein Gott, es waren lauter Männer, welche die
welt gesehen und so manche Lnttäuschung erlebt hatten l
Man war einfach erhaben über derartige kleinliche Un-
bekömmlichkeiten. Man nahm Platz, erzähltc, rauchte
und xolitisierte, aber die Unterhaltung wollte nicht in
den rechten Fluß kommen.

Plötzlich erinnerte sich Mr. Larter, daß zu kjause
auf seinem Schreibtisch zwischen seinen Papieren eine
brennende Ligarre lag, welche er vergessen hatte; er
rannte wie besessen davon. Mr. Brothers klagte über
Uopfweh und erklärte, einen Sxaziergang in der frischen
Luft machen zu müssen. So ging einer nach dem
anderen, bis Mr. Richardson allein war.

wehmütig betrachtete er die sieben Schachteln schwe-
discher Zündhölzchen. wie kläglich sind seine bjoffnungen
gescheitertl Aber er war ein Mann, der die Welt ge-
sehen und schon so manche bittere Lnttäuschung erlebt
hatte und schließlich, etwas hatte er doch profitierti er
war für eine geraume Zeit mit Zündhölzern versehen.In-
dem er sich derart tröstete und die Schachteln zusammen-
raffte, kam es ihm vor, als ob dieselben außergewöhnlich
leicht wären. von dunkler Ahnung erfüllt, öffnete er
eine Schachtel. Die Schachtel war leerl Auch die zweite,
dritte, vierte, fünfte, sechste Schachtel war leer. In der
siebenten Schachtel befand sich zwar noch ein einziges
Zündhölzchen, aber das hatte — keinen Roxfl
Angenehme Ruhe, Mr. Richardsonl

verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
Jn Gesterreich-Ungarn sür bjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in wien I.

Verlsg von I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
 
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