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Meggendorfers Humoristische Blätter.
wurdon gesungen. „Achl" sagten die guten Freundinnen und
fronunen Nachbarinnen zur jungen Frau, „das hat er dem
Aennchen gesungen, und das hat er auf cZretchen geinacht;
und dies galt der schöncn Iulia und
jenes dein kleinen Mietzchen und wie
sie alle heißenl Ia, Luer Lhelieb-
ster war gar cin lustiger Aum-
xan und nianchein armen
SchLtzchen hat cr den Aopf
verdreht. Und wenn inan
meinte, nun nimint er die
— flugs war der lose
Schmetterling zu einer an-
dern Bluine weitcrgeflogcn."
Iung-Sxielmann inerkte
bald, daß sein Lieb etwas
auf dein lherzen hatte: es
blickte nicht so freundlich und
fröhlich wie sonst. Lr forschte nach ihrein
Aummer. Da klagte sie mit bittern Oor-
würfcn, daß er so viele geliebt vor ihr.
Aber Iung-Spielniann tröstete sie
und sprach: „Ich habe keine geliebt
denn Dich; Dein Bild schwebte mir vor
Augen, wenn ich mcine Lieder sang, Dir
galt mein Singen und Lieben schon ch'
ich Dich gesehen. Drum hat auch keine
Blume am Mege den Falter fesseln können
Oorüber, hieß es, vorübcr! Bis ich Dich
fand; Dir aber gehöre ich ganz zu cigen."
„Varum dann singst Du mir nicht
auch so schöne Lieder wie den andern?"
„Alle Lieder, die ich gesungen, gelten
Dir, und keines einer andern; unter wech- ^
sclnden Namen und Gestalten hab' ich nur
das Bild besungen, das ich von Dir im
tferzen trug; die Sehnsucht gab mir die
AlLnge ein; da ich Dich fand und mein
Sehnen gcstillt war, sind auch die Lieder
verstummt, denn all mein IDesen ist von dcr
Liebe nun cingenommenl"
2lbcr Iung-Spielmanns junges Meib ver-
stand ihn nicht und ein ksaß erfüllte es gegen
allc andern MLdchcn und tveiber, ein ksaß
bcsonders gegen Iung-Spielmanns Lieder, und
wo sie eines vernahm, flammte Lifcrsucht in
ihrem tferzen auf.
Und sie ging hinaus, die junge Frau;
zur UUtternachtsstunde ging sie hinaus in
den Wald zur alten tfexe. „ksilf mir die
Lieder töten, sonst töten sie michl" Die
tfexe lachtc HLßlich, denn es freute sie, das
Glürk der Utenschenkinder stören zu kön-
nen, besonders das Glück der Iugend.
„Ich will Dir Ulacht geben über die
Lieder, aber einen Lohn fordere ich
von Dir. Deine Liebe will ich nicht,
Sie liegt schon im Stcrben, sonst käme
Dir kein solches Oerlangen; aber Deine
T rcue mußt Du mir schenken, damit die
Liebe nicht mehr auserstehel"
„Ich schenke Dir was Du willst, töte
mir nur die böscn Liederl Nkeine Treue sei
Dein, mache damit, was Du willstl"
Da braute die ksexe einen Zaubertrank und sxrach ihre
Bannsprüche darein, daß die Liedcr, in lautcr bunte vöglcin
verwandelt, ängstlich daherflattcrn mußten, wie vom Anblick der
Schlange verscheucht. Iuiig-Spielmanns Wcib aber er-
haschte die vöglcin iind drehte ihncn lachend den lsals um.
Dann ging sie heim und legte sich nieder; aber es
wollte kein Schlaf in ihre Augcn kommen, sie wußte nicht
wariim? Keine Reue wandelte sie an, denn ihre Liebe
war gestorben; aber cs war ihr, als ob die Seelen der Lieder
ihr Lager umflatterten und seufzlen und klagten, daß sie nicht
schlafen konnte. „Gransamel — unschuldige Gottesgeschöpfe, aus
reinem lfcrzen geboren, hast Du gemordct. In harmlosem Flug
crfreuten wir der Liebenden Gemüt, Dir selber wollten wir zur
Freude sein — o daß Du uns verstanden hättestl Nun aber
hast Du in blinder Leidenschaft Dein eigen Glück zerstört."
Aber die juuge Frau glaubte ihnen nicht.
2lls Iung-Spielmann am Uiorgen erwachte, war es
ihm trüb und schwcr zu Utut; frcmd und kalt blickte
ihn sein Weib an; doch das war er seit
langc gewohnt, und traurig ging
er hinaus in dcn düstern
wald.
Meggendorfers Humoristische Blätter.
wurdon gesungen. „Achl" sagten die guten Freundinnen und
fronunen Nachbarinnen zur jungen Frau, „das hat er dem
Aennchen gesungen, und das hat er auf cZretchen geinacht;
und dies galt der schöncn Iulia und
jenes dein kleinen Mietzchen und wie
sie alle heißenl Ia, Luer Lhelieb-
ster war gar cin lustiger Aum-
xan und nianchein armen
SchLtzchen hat cr den Aopf
verdreht. Und wenn inan
meinte, nun nimint er die
— flugs war der lose
Schmetterling zu einer an-
dern Bluine weitcrgeflogcn."
Iung-Sxielmann inerkte
bald, daß sein Lieb etwas
auf dein lherzen hatte: es
blickte nicht so freundlich und
fröhlich wie sonst. Lr forschte nach ihrein
Aummer. Da klagte sie mit bittern Oor-
würfcn, daß er so viele geliebt vor ihr.
Aber Iung-Spielniann tröstete sie
und sprach: „Ich habe keine geliebt
denn Dich; Dein Bild schwebte mir vor
Augen, wenn ich mcine Lieder sang, Dir
galt mein Singen und Lieben schon ch'
ich Dich gesehen. Drum hat auch keine
Blume am Mege den Falter fesseln können
Oorüber, hieß es, vorübcr! Bis ich Dich
fand; Dir aber gehöre ich ganz zu cigen."
„Varum dann singst Du mir nicht
auch so schöne Lieder wie den andern?"
„Alle Lieder, die ich gesungen, gelten
Dir, und keines einer andern; unter wech- ^
sclnden Namen und Gestalten hab' ich nur
das Bild besungen, das ich von Dir im
tferzen trug; die Sehnsucht gab mir die
AlLnge ein; da ich Dich fand und mein
Sehnen gcstillt war, sind auch die Lieder
verstummt, denn all mein IDesen ist von dcr
Liebe nun cingenommenl"
2lbcr Iung-Spielmanns junges Meib ver-
stand ihn nicht und ein ksaß erfüllte es gegen
allc andern MLdchcn und tveiber, ein ksaß
bcsonders gegen Iung-Spielmanns Lieder, und
wo sie eines vernahm, flammte Lifcrsucht in
ihrem tferzen auf.
Und sie ging hinaus, die junge Frau;
zur UUtternachtsstunde ging sie hinaus in
den Wald zur alten tfexe. „ksilf mir die
Lieder töten, sonst töten sie michl" Die
tfexe lachtc HLßlich, denn es freute sie, das
Glürk der Utenschenkinder stören zu kön-
nen, besonders das Glück der Iugend.
„Ich will Dir Ulacht geben über die
Lieder, aber einen Lohn fordere ich
von Dir. Deine Liebe will ich nicht,
Sie liegt schon im Stcrben, sonst käme
Dir kein solches Oerlangen; aber Deine
T rcue mußt Du mir schenken, damit die
Liebe nicht mehr auserstehel"
„Ich schenke Dir was Du willst, töte
mir nur die böscn Liederl Nkeine Treue sei
Dein, mache damit, was Du willstl"
Da braute die ksexe einen Zaubertrank und sxrach ihre
Bannsprüche darein, daß die Liedcr, in lautcr bunte vöglcin
verwandelt, ängstlich daherflattcrn mußten, wie vom Anblick der
Schlange verscheucht. Iuiig-Spielmanns Wcib aber er-
haschte die vöglcin iind drehte ihncn lachend den lsals um.
Dann ging sie heim und legte sich nieder; aber es
wollte kein Schlaf in ihre Augcn kommen, sie wußte nicht
wariim? Keine Reue wandelte sie an, denn ihre Liebe
war gestorben; aber cs war ihr, als ob die Seelen der Lieder
ihr Lager umflatterten und seufzlen und klagten, daß sie nicht
schlafen konnte. „Gransamel — unschuldige Gottesgeschöpfe, aus
reinem lfcrzen geboren, hast Du gemordct. In harmlosem Flug
crfreuten wir der Liebenden Gemüt, Dir selber wollten wir zur
Freude sein — o daß Du uns verstanden hättestl Nun aber
hast Du in blinder Leidenschaft Dein eigen Glück zerstört."
Aber die juuge Frau glaubte ihnen nicht.
2lls Iung-Spielmann am Uiorgen erwachte, war es
ihm trüb und schwcr zu Utut; frcmd und kalt blickte
ihn sein Weib an; doch das war er seit
langc gewohnt, und traurig ging
er hinaus in dcn düstern
wald.