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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 38.1899 (Nr. 445-457)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20266#0112
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Meggendorfsrs Humoristische Btätter.


waren nicht fort zu bekoinmen. Lben kam man an den beiden
Koffern vorbei, die die beiden Studenten beiseite gesetzt hatten;
Fritz besaß einen recht ansehnlichen Aoffer, ksans einen von
Dimensionen, die ihn mehr als eine kleine Reisetasche erscheinen
ließen. „Da ist ja Ihr Gexäck," sagte Fräulein Räthe; „aber
warum geben Sie es denn nicht auf?"

Fritz wurde ganz rot vor Derlegenheit; bsans aber machte
ein psiffiges Gesicht, als ob ihm eben ein guter Gedanke
gekommen wäre. „Das liegt an Fritz," begann cr, „der arme
Aerl ist so ängstlich um seine Siebensachen besorgt, daß er sie
niemand anvertrauen will. tvie haben wir uns auf der bser-
reise damit quälen müssen, das Monstrum von Roffer ins
Loupe zu schaffen."

Fritz war innerlich wiitend, erinnerte er sich doch noch zu
gut daran, wie behaglich man dritter Alasse hierher gefahren
war, den Schein iiber das aufgegebene Gepäck in der Tasche.
Ietzt freilich, wo man vierter Klasse — — —

Llse kam ihm zu lsilfe. „Aber Sie haben ja auch Ihren
Aoffer bei sich," wandte sie sich zu lsans.

Dieser lächelte leicht. „Ach Gottl" meinte er, „so einen
kleinen ltoffer, den kann man ganz bequem bei sich tragen.
Fritz braucht natürlich immer ein ganzes Gebirge; wenn man
so xatent ist --"

Fritz unterbrach ihn empört. „Patent? Aber red doch
nicht so dummes — — — — "

„Na nu, thu nur nicht so, ich hab' schon recht. Meine
Damen, Sie müssen mir auch recht geben. Sehen Sie sich ein-
mal den jungen Menschen da an; der ist kreuzunglücklich, weil
wir heute aus wohl erwogenen Sparsamkeitsrücksichten dritter
ltlasse fahren wollen. Da schämt er sich beinahe, am liebsten
möcht' er immer zweiter fahren."

Fritz wußte gar nicht, was er denkcn sollte. lvar denn
lsans plötzlich verrückt gewordenl „Ach, red doch nicht solchen
Unsinnl" sagte er verstimmt.

„Sei nur ruhig, Frcundchcn, ich kenne Dich. wenn Du
einmal gar vierter Klasse fahren solltest, wobei auch nichts ist,
ich glaube, Du stiegst eher aufs Schafott."

Gin kräftiger jluff in die Seite begleitete diese lvorte.
Der Puff that seine Schuldigkeit, — Fritz begann zu verstehen.
„Du übertreibst wie gewöhnlich," meinte er, „ich werde Dir schon
einmal beweisen — —"

„Beweisenl ksa ha! was gilt die lvette, daß Du niemals
in die vierte Klasse einsteigen wirst?"

„Zwei Flaschen Sekt! Noch heute fahre ich vierter."

„Gut, abgemacht. Ich gewinne die lvette."

Fritz überlegte. Die Aomödie mußte noch natürlicher ge-
macht werden. „Abgemacht," begann er; „auf der letzten Station
vor Berlin steige ich in die vierte ltlasse um."

Ietzt protestierten aber die beiden Danien, denen die lvette
vielen Spaß machte. „Nein, hier muß es sein; wir wollen
sehen, wer die lvette gewinnt."

Fritz machte ein komisch verlegenes Gesicht: „Ja, meine
Damen, wird Ihnen das aber auch recht sein, wenn wir uns
so von Ihnen verabschieden?"

„Das ist ja ganz egal, das geht ja niemand was an,"
rief lläthe resolut. „Da kommt der Zug; lserr lverner, ver-
lieren Sie Jhre lvette nicht!"

Der Zug hielt. lNit größter Seelenruhe stieg Fritz in den
ersten besten lvagen vierter lllasse, so vergnügt, wie er es sich
vor einer halben Stunde nicht hätte träumen lassen. Ietzt

wurde lsans ausgelacht, weil er seine lvette verloren hatle.
Er bemühte sich, ein möglichst zorniges Gesicht zu machen, und
versprach dann, daß die beiden Flaschen auf das lvohl der
Damen geleert werden sollten. — — —

Als der Zug den Bahnhof verlasscn hatte und nichts mehr
von den wehenden weißen Taschentüchern zu sehen war, sank
Fritz erschöpft auf seincn großen lloffer. Lr wischte sich den
Angsischweiß von dcr Stirn. „Gott sei Dank, daß das vorüber

istl lvenn uns das nun nicht so gelungen wäre —-"

„Dann hätte ich einfach im letzten Augenblick noch zwei
Billets dritter bis zur nächsten Station gekauft und dann wären
wir dort umgestiegen."

„Donnerwetter, warum hast Du das nicht gleich gesagt,
dann hätten wir uns die ganze llomödie erspart."

lsans lächelte ironisch. „Ia, weißt Du," meiute er ganz
ruhig, „Deine Angst machte mir zu großen Spaß. Die zwei
Flaschen Sekt kannst Du übrigens zum besten geben, — ich
habe doch die Idee gehabt." Pai.

Lin nettes .Kaus.

„lvarum willst D' denn auszieh'n aus Deiner lvohnuuq,
Schorschl?"

„Ia, weißt, ober uns wohnt mei' Schwiegermutter und
wenn i spät z' ljaus komm', so nimmt s' mi immer beim
Schoxfl"

verantwortlicher Redakteur: lNax Schreiber, Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn für ljerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohrin lvien l.

Vrrlag von I. F. Schrriber in München und Etzlingrn.
 
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